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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Cyclamen
(Alpenveilchen)
28.Oktober 2008 -
Der „Nein-Tag“
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Den
heutigen 28. Oktober feiern die Griechen, wie jedes Jahr, als den Tag,
an dem, im Jahre 1940, zu Beginn des 2. Weltkriegs, ihr Diktator Ionnis
Metaxa, Mussolini, ein „Nein“ entgegensetzte, als dieser Griechenland
besetzen wollte.
Griechenland wurde ein Ultimatum vorgelegt, in dem Mussolini die
Übergabe militärischer Stützpunkte auf griechischem Boden forderte und
anderenfalls mit Angriff drohte. Metaxa antwortete mit einem kurzen und
bündigen „Óchi!“ und somit befand Griechenland sich im Kriegszustand.
Dann geschah, womit niemand gerechnet hatte: Die griechische Armee und
die Bevölkerung jagten die Italiener, die zum einen die bessere
Ausrüstung und zum anderen ein stärkeres Heer hatten, aus dem Land,
zurück nach Albanien, woher sie gekommen waren, und zwar noch bevor die
Zeit des Ultimatums abgelaufen war.
Dieser Tag ist in die Geschichte als „Óchi-Tag“ eingegangen und wird nun
alljährlich von den Griechen gefeiert. Obwohl ihr Land ja dann dennoch
von den Deutschen besetzt wurde, sind die Griechen immer noch stolz auf
die Tatsache, dass sie die Ersten waren, die den Forderungen der
Deutschen und ihren Verbündeten, ein klares „Nein!“ entgegensetzten.
Der
Tag wird mit Militärparaden begangen, und auch in den Schulen wurde Tage
vorher bereits das gemeinsame Marschieren geprobt und entschieden, wer
die Flagge vorneweg bei der großen Parade tragen darf, wobei
normalerweise die Wahl auf den besten Schüler fällt. Dies führte vor
einigen Jahren zu einem Skandal, weil einem albanischen Schüler,
aufgrund seiner Leistungen, eigentlich diese Auszeichnung zustand,
dieser aber, wegen seiner Nationalität, nicht das Recht hatte, die
griechische Fahne zu tragen. Die Gemüter haben sich diesbezüglich
beruhigt, heute werden Soldaten und Schulkinder wieder gemeinsam durch
die Straßen ziehen, und ich bin sicher, dass es keinem Kind erlaubt ist,
diese Veranstaltung mit einem „Nein!“ zu boykottieren.
Die
Griechen tun gut daran, ihre Unbeugsamkeit, die Jahrzehnte zurückliegt,
zu feiern, denn so stark sind sie heute nicht mehr. Abgesehen von den
vielen Streiks, die in Griechenland an der Tagesordnung stehen, gibt es
nur wenige Bürger, die der Auffassung sind, dass das gesamte politische
System des Landes einer kompletten Erneuerung bedarf. War es vor Jahren
die damals regierende sozialistische Partei „PASOK“, der man
Bestechlichkeit nachweisen konnte, ist es nun die an der Macht stehende
konservative „Nea Dimokratia, die nun ebenfalls im Korruptionssumpf
versinkt. Wie befremdlich ist es, dass nur so wenig Griechen den beiden
großen Parteien im Lande ein deutliches Nein entgegensetzen.
Auch die Kirche spielt regelmäßig eine Rolle in den andauernden
Skandalen, wie die aktuelle „Vatopedi-Affäre“ zeigt, die zwar 3 Minister
zu Fall brachte, aber, meines Wissens, musste noch kein Mönch das
Kloster verlassen und nicht ein Grieche wagt es, mit einem „Ochi!“ die
Macht der Kirche zu stoppen.
Wäre ich eine Griechin, würde ich oft „Ochi!“ schreien. Sei es gegen
desinteressierte käufliche Staatsbeamte, gegen die Ärzte in
medizinischen Zentren und Krankenhäusern, die ihr Bestes nur im Gegenzug
zu einem gut gefüllten Briefumschlag geben, gegen die hoffnungslos
veralteten Behörden, besetzt mit arbeitsscheuen Beamten, die Sie überall
hin verweisen, nur nicht an die richtige Stelle, gegen Griechen, die
Tiere wie den letzten Dreck behandeln, gegen die Mitmenschen, für welche
die schöne Landschaft sowie Straßen und Wege, eine einzige Müllkippe
darstellen, usw., usw., usw..
Statt Soldaten und Kinder durch die Straßen paradieren zu lassen,
sollten sich die Griechen gegen ihre Regierung vereinen und so, wie am
28. Oktober 1940 laut „Ochi!“ brüllen.
Lesvos ist weit weg von der Hauptstadt und ihren politischen Intrigen.
Man bekommt nicht viel mit von den Streiks, außer wenn man vor
geschlossenen Schul-, Bank-, und Ladentüren steht, so wie es wieder
einmal in der letzten Woche der Fall war. Es ist inzwischen schon
schwierig geworden, zu erkennen, wer gerade, warum und wann streikt.
Letzte Woche waren die niederländischen Touristen die Leidtragenden,
denn zurück in die Heimat zu kommen, hieß, einen Umweg über die Türkei
zu nehmen. Nun ja, zumindest sind sie alle nachhause gekommen.
So
lustig, die Bezeichnung auch ist, als Festtag macht der „Ochi-Tag“ auf
mich keinen besonderen Eindruck, gerade weil sich inzwischen viele
andere wichtige Angelegenheiten so zugespitzt haben, dass ein „OCHI!“
bitter nötig wäre.
Copyright ©Julie Smit 2008 |