BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Haus zu verkaufen in Skala Polychnitos
13.Januar 2008 -
Landraub
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Wenn hier
auf Lesvos so richtig klares Wetter ist, dann kann man von einigen höher
gelegenen Punkten im Norden des Landes, wie z.B. Vafios oder dem Lepetimnos,
eine Art Pyramide aus dem Meer herausragen sehen: den Berg Athos.
Frauen
dürfen diesen Berg jedoch nur aus der Ferne betrachten, der Zutritt ist ihnen
grundsätzlich untersagt. Er befindet sich auf dem gleichnamigen östlichen Finger
der Halbinsel Chalkidiki in der Region Makedonien und zählt rund 2.000
(mönchische) Einwohner zuzüglich einer saisonal wechselnden Zahl von Zivilisten,
die dort ca 20 orthodoxe Klöster bewohnen. Man nennt dieses Gebiet auch den
„Autonomen Klosterstaat des Heiligen Berges“, da es ein unabhängiger Staat
inmitten Griechenlands ist.
Seit fast
1000 Jahren dürfen allein männliche Besucher diesen faszinierenden Bergstaat mit
seinen idyllischen Klosteranlagen betreten. Frauen, die versuchen, dieses Gesetz
zu brechen, riskieren Gefängnisstrafen zwischen 1 und 2 Jahren.
Von Zeit zu
Zeit werden jedoch immer wieder Stimmen laut, diesen Frauenbann endlich
abzuschaffen, zumal der Berg Athos in Europa liegt, wo Frauen die gleichen
Rechte, wie die Männer haben. Hinzu kommt, dass, auch wenn die Mönche ihren
Staat als autonom bezeichnen, sie dies nicht davon abhält, das Geld für die
erforderlichen Modernisierungsarbeiten von Europa anzunehmen.
(s. „Sollen
Frauen Zugang zum Berg Athos bekommen“:
http://www.youtube.com/watch?v=Pd4q5FPT7R0&feature=related
Letzte
Woche erzwangen einige Frauen Zugang zum Klosterstaat. Sie wollten damit nicht
nur die Aufmerksamkeit auf das Frauenverbot lenken, sondern ihre Aktion richtete
sich auch gegen die Praktiken der Priester aus dem Athosstaat, Ländereien an
sich zu reißen. Die Mönche beanspruchen Land auf der Halbinsel Chalkidiki, nicht
weit vom Berg Athos gelegen, was dazu führt, dass immer mehr Einwohner ihr Haus
und Grund verlieren. Man beruft sich dabei auf alte Schriften aus Byzantinischen
Zeiten und der Besetzung durch die Ottomanen.
Nun, der
Mönchsstaat hat genug Geld um einen Rechtstreit zu finanzieren, während die
armen Bürger sich keinen Anwalt leisten können, der ihnen hilft, nachzuweisen,
dass das Grundstück das ihrige ist und nicht der Kirche gehört.
Die
einzigen Länder, die über kein flächendeckendes Grundbuch verfügen, sind
Albanien und Griechenland. Zwar hat man mit dieser Arbeit (eines Mönches würdig)
in den 90er Jahren begonnen, aber sie konnte bisher nicht zum Abschluss gebracht
werden. Nach den verheerenden Bränden des letzten Jahres wurde klar, zu welchen
Problemen diese ungeklärten Verhältnisse führen können:
Manch ein
skrupelloser Geschäftsmann witterte die Chance, ein abgebranntes Waldgebiet zu
Bauland zu machen, da keine Urkunde das Gegenteil auswies. Kein Wunder also,
dass viele Menschen, die fehlende Grundstücksregistrierungen als Grund für die
Brandstiftungen ansahen.
Nun bringt
dieses Versäumnis auch noch weiteren Schaden für die bereits gebeutelten
Brandopfer. Von den 162 Mio Euro, die zur Schadensregulierung und zum
Wiederaufbau gesammelt wurden, wurden erst 2,7 Mio ausgegeben, und zwar als
Erste-Hilfe-Maßnahme für geschädigte Landwirte und für Aufforstungsarbeiten zum
Schutz vor Überschwemmungen rund um das antike Olympia. Schon während der
Brandkatastrophe, war es dieser Teil des Landes, dem besondere Aufmerksamkeit
zuteil wurde. Die Menschen aber, die durch die tobenden Flammen ihr Hab und Gut
verloren haben, müssen, um entschädigt zu werden, den griechischen Weg
beschreiten, und das bedeutet einen Papier- und Behördenkrieg, der unendlich
viel Zeit beansprucht, auch im Fall der Obdachlosigkeit. Unter den Opfern sind
aber auch Griechen, die ihr Heim ohne Genehmigung errichtet haben. Ihnen bleibt
jedwede finanzielle Hilfe versagt. Andere wiederum können nicht eindeutig
belegen, dass es sich wirklich um ihren Grundbesitz handelt, weil es kein
geführtes Register gibt, dass die Eigentumsverhältnisse nachweist.
Mehr als
4.000 Häuser wurden zerstört, nur einige wenige davon wurden mittlerweile
wieder aufgebaut. Allein die beiden Dörfer Artemida und Makisto haben ihren
ursprünglichen Zustand wiedererlangt, ermöglicht durch eine Finanzspritze
Zyperns und der großzügigen Spende einer griechischen Reederfamilie.
Also: Augen
auf beim Grundstückskauf in Griechenland! Vor etwas mehr als 10 Jahren, war es
Ausländern sogar untersagt, Ländereien in Grenznähe zu erwerben. Anthony Quinn,
bekannt als Darsteller des Alexis Sorbas, erwarb im Jahre 1960 ein Grundstück
auf Rhodos. Diese Insel liegt nah der türkischen Küste, und somit wurde 1984
dieser Kauf, unter Bezugnahme auf das vorgenannte Gesetz, als illegal bezeichnet
und für unwirksam erklärt. Noch im letzten Jahr versuchte die Witwe von Anthony
Quinn wiederum ihren Anspruch geltend zu machen, und auch nach so vielen Jahren
ist noch kein klärendes Urteil gefällt worden.
Auch bzgl.
Nord-Zyperns ist Vorsicht geboten. Prachtvolle Villen suchen dort für wenig Geld
einen neuen Besitzer. Aber die Gefahr besteht, dass sie ganz schnell das
gekaufte Land wieder verlieren, wenn griechische Zyprioten nachweisen können,
dass es von der Türkei eingenommen wurde.
Die beste
Geschichte jedoch, die um diese Thematik rankt, ist die von einem gewieften
Griechen, der einem Amerikaner ein Stück des Akropolis-Hügels verkaufte. Als der
neue Eigentümer sich daran gab, seinen Besitz einzuzäunen, wurde ihm ganz
schnell klar, dass er einem Betrug aufgesessen war: Kulturelles Gut gehört dem
Staat und kann somit nicht veräußert werden.
Auch die
Regierung selbst liefert genügend Fallbeispiele: Im Dezember ist der
Arbeitsminister zurückgetreten. Ihm wurde vorgeworfen, Einwanderer illegal in
seinem Ferienhaus beschäftigt zu haben, auch wurden beim Bau des Hauses
Bauvorschriften hinsichtlich der Größe nicht eingehalten.
Ende
Dezember trat der Generalsekretär im griechischen Kulturministerium zurück und
versuchte einige Tage danach sich das Leben zu nehmen. Bei einer
Hausdurchsuchung tauchte ein kompromittierendes Sexvideo auf, mit dem er
erpresst wurde. Diese Affäre brachte eine Menge Untersuchungen mit sich, die
einiges mehr über Korruptionsgeschäfte von Christos Zachopoulos offen legten,
und zwar soll er auf archäologisch bedeutenden Grundstücken Bauland illegal
freigegeben haben.
Tja, von
Lesvos gibt’s solch pikante Geschichten nicht zu erzählen. Hier fließt das Leben
zwischen Oliven- und Orangenbäumen gemächlich vor sich hin. Die See, die immer
mehr Flüchtlinge ins Land bringt, liegt ruhig da, mit ihren bunten
Fischerbooten. Wie gut, dass Griechenland nicht nur aus Lesvos besteht, wie
langweilig wären ansonsten die täglichen Schlagzeilen...
Copyright ©Julie Smit 2008 |