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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
2.März 2008 -
Gefährliches Eiland
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
„Schreiben
Sie die Geschichten über Ihre Insel nicht zu gut, damit sie ein schönes
Plätzchen bleibt. Freundliche Grüße Marius“
Diese Post
bekam ich von einem Leser meiner Kolumne, und Marius ist nicht der erste, der
mir diesen Rat gibt. Einige bitten mich darum, Lesvos nicht so populär zu
machen, um einen Massentourismus, wie auf Kreta, Korfu oder Rhodos zu
verhindern.
Nun, ich
habe die Befürchtung, das die Insel von Touristen in Beschlag genommen wird, gar
nicht, denn zu viele Kriterien sprechen dagegen, wie zum Beispiel die Tatsache,
dass es hier keine ausgedehnten goldsandigen Strände gibt, wie sie den Urlaubern
auf Kos, Kreta und Rhodos geboten werden. Die Strände des nördlichen Lesvos sind
übersät mit widerwärtigen Kieselsteinen, und gerade bei Molyvos, der
touristischen Hauptstadt der Insel, ist ein Strand mit deprimierenden schwarzen
Steinen. Bevor Sie also auf Ihrem Handtuch eine einigermaßen angenehme
Liegeposition gefunden haben, wird die Sonne untergegangen sein. Das Gestein
macht es einem auch nicht gerade einfach, leichtfüßig ins Meer zu gelangen, wo
man von Bewohnern der Felsenstadt, den Seeigeln, bereits erwartet wird. Eine
gefährliche Situation, wenn Sie auf eines dieser Tierchen treten: Ist kein Arzt
in der Nähe, der Ihnen die Stachel unverzüglich aus dem Fuß zieht, riskieren Sie
eine Infektion, und wenn Sie diese auf die leichte Schulter nehmen, kann dies
das Ende Ihres Urlaubs bedeuten.
Seeigel
sind eine Delikatesse, aber die meisten Touristen trauen sich erst gar nicht,
sie zu probieren. Gut so, denn anderenfalls wäre das Meer ja voll von
Seeigelfischern.
Eine
weitere Gefahr stellt das Meer selbst dar: Flüchtlinge verlieren ihr Leben in
den Fluten, und letzte Woche stießen 2 Schiffe, nah bei Lesvos, zusammen. Sie
fragen sich jetzt bestimmt auch, wie es überhaupt möglich ist, dass sich die
„Lady Olga“ aus Georgien und die türkische „Ravanda“ auf der weiten weiten See
nicht aus dem Weg gehen können, oder? Glücklicherweise wurde niemand verletzt,
keine größeren Schäden sind entstanden, und keines der beiden Schiffe ist
untergegangen. So glimpflich ist es in der letzten Woche zwischen der türkischen
Halbinsel Datca und der griechischen Insel Kos leider nicht abgelaufen, als dort
die georgische „JoJoA“ kenterte: Gefährliche Flüssigkeiten verunreinigten das
Meer und gefährden die Umwelt. Nicht wirklich gut, wenn Sie gerade auf einer
Insel Ihren ersehnten Urlaub gebucht haben, und Sie können nicht an den Strand
gehen, weil ein Ölteppich auf dem Wasser treibt.
Aber auch
auf dem Lande lauern die Gefahren. Denken Sie nur an die verheerenden Waldbrände
im letzten Jahr. Zwar blieb Lesvos von dieser Katastrophe verschont, aber all
diese Millionen von Bäumen und Büschen hier sind doch lebensgefährlich. Da
sollte man doch besser so unfruchtbare Inseln, wie Mykonos und Ios buchen, wo
die Brandgefahr nicht so hoch ist.
Der
Klimawandel ist auch keine gute Nachricht für die Insel und die gesamte Region.
Es wird also noch heißer und trockener und somit noch feuergefährlicher. Laut
der „Turkish Daily News“ ist in dem Gebiet von Izmir, an der gegenüberliegenden
türkischen Küste, in diesem Winter viel zu wenig Regen gefallen. Sollte diese
Trockenheit in den nächsten 2 Monaten anhalten, so hat nicht nur Izmir im Sommer
arge Probleme, sondern auch Lesvos.
Geographisch genau genommen, zählt Lesvos zur asiatischen Platte. Vor einiger
Zeit fand man in Anatolien 25 Millionen alte Knochen, die einem Rhinozeros
zugeordnet werden konnten, diesem urzeitlichen Nashorn, das ein Gewicht von 20
Tonnen erreichen konnte. Wissenschaftler sehen diesen Fund als Beweis dafür,
dass einst die europäische, wie auch die arabische Platte, eins mit der
asiatischen Platte war. Ein gigantisches Festland also, auf dem eine Menge Tiere
umherstreunten, denen man lieber nicht begegnen sollte.
Eine
Naturkatastrophe führte dann dazu, dass die riesige Erdplatte in einzelne Teile
zerbrach, die auseinander drifteten, und die prähistorischen Tiere ausstarben.
Das Problem jedoch ist, dass die einzelnen Platten mit allen Mitteln versuchen,
wieder zueinander zu kommen, was für uns bedeutet, das wir in einem stark
erdbebengefährdeten Gebiet leben. Jeden Tag erreichen uns Nachrichten darüber,
das in unmittelbarer Nähe die Erde wackelt. Erst gestern wurde auf Samos eine
Erschütterung von 4,7 auf der Richterscala gemessen.
Nun komme
ich zu den ebenfalls gefährlichen Straßenverhältnissen auf Lesvos. Denken Sie
nur einmal an die unzähligen Schafe, Ziegen und Esel auf unserem Eiland. Wie der
Grieche selbst, ignorieren diese Tiere sämtliche Verkehrsregeln. Hinter einer
jeden Kurve laufen Sie Gefahr, mit ihnen zusammenzustoßen, ja, auch mit einem
griechischen Autofahrer, der egal wo, wann, wie, mit seinem Wagen stehen bleibt,
wenn er auf einen Verwandten, Nachbarn oder Freund trifft, mit dem er dann einen
Plausch halten will. Die gefährlichste Leidenschaft und eine Art „Russisch
Roulett-Spiel der Griechen ist jedoch das Überholen eines anderen Fahrzeugs in
einer unübersichtlichen Kurve.
Ach, und
nicht zu vergessen: Die wunderschöne Natur von Lesvos ist übersät mit
Plastikmüll und anderem gefährlichen Unrat. Hinzu kommt, dass an vielen Stellen
Gift gegen die Füchse ausgestreut wird. Sie können Ihre Kinder und Haustiere
also nicht einfach so unbeaufsichtigt draußen herumtollen lassen, nein, viel zu
gefährlich!
In Athen
hat man die Plastiktasche aus dem Straßenbild verbannt. Seit April dürfen
Supermärkte und andere Shops nur noch Taschen verteilen, die aus recycelbaren
Materialien hergestellt sind. Aber Athen ist weit entfernt, und es wird Jahre
dauern, bis diese Vorschrift hier umgesetzt wird, und dann wird es noch einmal
hundert Jahre dauern, bis all der Plastikmüll aus der Landschaft verschwunden
ist.
Hier kann
man den Müllplatz schneller sehen als riechen. Wenn Sie einen Berghang
erblicken, der über und über mit fröhlich leuchtendem Plastik bedeckt ist,
können sie davon ausgehen, dass die Deponie nicht weit entfernt ist. Keine
engmaschigen Zäune oder Hecken, um zu verhindern, dass die Kunststoffteile vom
Winde verweht werden und die Müllhalde somit größer ist, als sie tatsächlich
sein muss.
In einigen
Jahren soll die zentrale Abfallbeseitigungsanlage auf Lesvos eingeweiht werden.
Bis dahin sind Sie weiterhin der Gefahr ausgesetzt, giftige Dämpfe einzuatmen,
wenn im Herbst die Mülldeponie „rein zufällig“ in Brand gerät. Und glauben Sie
nicht, dass irgendwer kommt, um Sie zu evakuieren, damit Sie nicht dem
gesundheitsschädlichen Qualm ausgesetzt sind, denn es wird hier gar nicht erst
gemessen, inwiefern eine Gefährdung vorliegt, und die meisten Inselbewohner
wissen überhaupt nicht, dass durch die Verbrennung Gifte freigesetzt werden.
Also, Sie
sehen, Lesvos ist viel zu gefährlich, um seinen Urlaub hier zu verbringen. Mit
einem Gruß an Marius!
Copyright ©Julie Smit 2008 |