BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Die "Theofilos" Oktober 2007 in Piräus
29.Juni 2008 -
Eile mit Weile
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Griechen
können sehr laut sein, nun, da kann man sie mit den Italienern vergleichen: Eine
Unterhaltung läuft meistens weithin hörbar ab und wird untermalt von wildem
Gestikulieren. Es ist nicht so, dass sie schnell aufbrausend werden, aber wenn
sie dann in Rage kommen, ist es besser nicht in ihrer Nähe zu sein. Sowie
gestern: Für nichts in der Welt hätte ich dabei sein mögen, als die griechische
Fähre „Theofilos“ in der Meerenge zwischen der Ostägäis-Insel Chios und dem
kleineren Eiland Oinousses aus bisher ungeklärten Gründen auf ein Riff gelaufen
ist, obwohl es mit einem Leuchtfeuer gekennzeichnet ist. Den darauf folgenden
Fluch konnte man bestimmt bis nach Lesvos hören.
Oinousses
ist die das größte Eiland einer Gruppe von 9 Inseln und ist bekannt dafür, dass
sie der Wohnsitz mehrerer wohlhabender Reederfamilien und somit die reichste
Insel Griechenlands ist. Am Tourismus ist man, aufgrund des Wohlstands, nicht
wirklich interessiert. Um die 1000 Einwohner leben auf der Insel, es gibt dort
eine bedeutende Schule für Navigation und ein Schifffahrts-Museum. Zu erreichen
ist Oinousses täglich mit der Fähre von Chios.
Die
Menschen dort werden sich jetzt fragen müssen, wie es dazu kommen konnte, dass
die Fähre vor ihrer Insel aufläuft, ohne dass auch nur eine Wolke am Himmel zu
sehen war oder gar ein Lüftchen wehte, dass das Boot vom Kurs abbringen konnte
(der Kapitän hat sicherlich nicht die Schifffahrtsschule der Insel besucht...).
Trotz Schaden am Schiffsrumpf, konnte die „Theofilus“ mit eigener Kraft,
begleitet von Hubschraubern, Polizei- und Fischerbooten, den Hafen von Oinousses
erreichen. Dort gelangten die 475 Passagiere, gesichert mit Schwimmwesten, in
den Rettungsbooten ans Ufer.
In der
Schifffahrtschule fanden sie für einige Stunden eine Notunterkunft, bevor sie
nach Chios gebracht wurden, wo man sie über mehrere Hotels verteilte (Oinousses
hat nur ein einziges Hotel mit 23 Betten!).
Vielleicht
ist es etwas zu früh für Mutmaßungen darüber, was zu dieser Havarie geführt hat,
dennoch: Ein Fußballspiel wurde an diesem Tag nicht übertragen, so dass der
Kapitän und die Besatzung abgelenkt waren, was ja tatsächlich Ursache für das
schreckliche Unglück am 26.9.2000 war, als die Fähre „Samina Express“ vor der
Insel Paros auf einen Felsen lief und so schnell sank, dass 82 von den 500
Passagieren ihr Leben verloren. Gut, dass gestern ein jeder mit dem Schrecken
davon kam.
Am Tag nach
dem Unglück wurde im TV behauptet, der 2. Kapitän der „Theofilus“ wollte eine
schnellere Route einschlagen... Aber, ich hörte auch böse Zungen flüstern, dass
die restaurationsbedürftige Fähre dringend einem „Facelifting“ bedarf, und da
käme der versicherte Schadensfall gerade zur rechten Zeit...(welch ein Vertrauen
doch die Griechen zueinander haben...). Schon letztes Jahr machte ein solch
hässliches Gerücht die Runde, am 6. April, als das Kreuzschiff „Sea Diamond“ bei
Santorini auflief und 2 Passagiere dieses Unglück mit ihrem Leben bezahlen
mußten. Die 55 Mio Euro Versicherungssumme kamen erst zur Auszahlung, als sich
nach genauen Untersuchungen herausstellte, dass die Lage des Riffs auf der
Seekarte fehlerhaft eingezeichnet war.
Im Jahr
2000, nach dem Untergang der Fähre „Samina Express“, wurde eine Liste
veröffentlicht, auf der sämtliche Schiffe aufgezeigt wurden, die entweder sofort
aus dem Verkehr gezogen oder total überholt werden müssten. Die „Theofilos“ war
unter ihnen und auch die „Taxiarchis“ und die „Mytilini“ von „NEL Lines“, die
jedoch weiterhin unbedarft übers Meer schippern. Ich frage mich schon, ob in den
letzten 8 Jahren an ihnen wenigstens die notwendigen Reparaturen oder
Erneuerungen durchgeführt wurden...
Schauen wir
uns einmal die Lebensgeschichte der „Theofilos“ an: Gebaut in einer Werft im
deutschen Rendsburg, getauft auf den Namen „Nils Holgerson“ nahm sie für 10
Jahre den Fährbetrieb zwischen Travemünde (Deutschland) und Trelleborg
(Schweden) auf. Dann wurde sie umbenannt in „Abel Tasman“ und diente 9 Jahre als
australische Fähre auf der Linie Devonport (Neuseeland) und Melbourne. 1994
begann ihre griechische Karriere unter dem Namen „Pollux“ und für 1 Jahr verband
sie Igoumenitsa (Griechenland) mit dem italienischen Bari, bis ein Reeder von
Lesvos sie kaufte, und sie arbeitete nun unter dem Namen „Theofilos“ für „NEL
LINES“. Ihre turnusmäßige Route: Mytilini-Chios-Piräus.
Wahrscheinlich war ein dummer Navigationsfehler Ursache für den 15 Meter langen
Riss im Rumpf der „Theofilos“ . Ob es das Ende der Karriere ist, bleibt derzeit
noch unbeantwortet. Sollte es jedoch dazu kommen, werden sich die Menschen hier
immer an sie erinnern. Die Griechen bevorzugen eine Reise mit dem Schiff, und
sie mögen dieses Fähre. Wie gern erfreuten sie sich an dem Anblick, wenn die „Theofilos“
in den Hafen von Mytilini einfährt oder ihn verlässt.
Die meisten
gestrandeten Passagiere der „Theofilos“ wurden von der nagelneuen Fähre „Nissos
Chios“ (gebaut 2007) nach Athen gebracht, jedoch viele hatten weder ihr Gepäck
noch ihr Auto an Bord.
Nein, sie
liest sich nicht gut, die Liste über Fährunfälle in Griechenland. Aber bedenken
Sie, dass es Hunderte von Booten sind, die zwischen den ca. 1400 griechischen
Inseln hin und her segeln. Unter den Touristen, z.B., die letztes Jahr die Fähre
von Lesvos nach Athen nehmen mussten, da der Flugbetrieb bestreikt wurde, gab es
sehr viele, die begeistert waren von dieser unverhofften Seereise.
Die
nachfolgende Webseite gibt Ihnen einen Überblick darüber, welche Schiffe
regelmäßig Lesvos angelaufen sind und zeigt, dass im Laufe der Jahrhunderte doch
Schiffe ausgewechselt wurden, damit die Insel erreicht werden kann. Ob die „Theofilos“
sich nun auch bald einreiht, in die Liste Schiffe der Vergangenheit?
lesvoships.htm
Copyright ©Julie Smit 2008 |