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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Bei der
Mühle von Klapados
19.Oktober 2008 -
Dort, bei den Mühlen
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Die
Niederlande sind bekannt für ihre Windmühlen, und auch Spanien, dank Don
Quichotte, der diese für Riesen hielt. Griechenland hingegen bringt man
mit Mühlen so gar nicht in Verbindung, obwohl es tausende davon, über
das Land verteilt, gibt. Die Windmühlen, die noch in Hafennähe stehen,
schmücken die Werbeposter für verschiedene Inselhauptstädte, wie die von
Rhodos, Chios und Mykonos.
Auf
Lesvos gibt es eine Zahl von Wassermühlen, die jedoch so gut versteckt
oder als Ruinen getarnt sind, dass es schwierig ist, sie aufzuspüren. In
früherer Zeit, und seitdem ist nicht einmal ein Jahrhundert vergangen,
verfügte noch eine jede Region über eine Wassermühle, um Korn zu mahlen
und Oliven zu pressen. Besuchen Sie nur einmal das Ligona-Tal, oberhalb
von Pétra, wo ein Weg Sie vorbei an Mauern und Überresten von etwa
zwanzig Wassermühlen führen wird. Welch ein geschäftiger Platz muss das
einst gewesen sein, mit all den Eseln, Bauern, Müllern und riesigen
Mehl- und Getreidesäcken. Nun hat die Natur dieses Fleckchen Erde
zurückerobert, ein Phänomen, dass Ihnen überall auf der Insel begegnen
wird.
Soviel, wie ich weiß, ist nur noch eine einzige Mühle auf Lesvos aktiv,
und das ist die von Milelia (auf dem Weg von Polichnítos nach Mytilini,
nach der Abzweigung nach Lámbou Mili, bevor die Straße den Golf von Géra
erreicht). Dort wird noch, und zwar ganz authentisch, das Getreide
zwischen großen Mühlsteinen zermahlen. In einem museumsgleichen Lädchen
wird eine große Palette von Mehlprodukten feilgeboten, wie, z.B.
handgefertigte Pasta, und auch andere Inselprodukte, wie Olivencreme,
eingelegte Früchte und Tomatensauce kann man dort erwerben.
Die
Mühle bei Eressós ist ebenso eindrucksvoll, wie die von Milelia. Obwohl
fast vollständig restauriert, arbeitet die Mühle jedoch nicht mehr, hier
ist es das malerische Plätzchen, wo sie steht, was bezaubert (s. News
vom 27.1.08 „Auf den Spuren der Sappho“).
Wenn Sie von Plomari, den Fluß Sedoendas entlang, hoch in die Berge
fahren, kommen Sie an einer riesigen Wassermühle vorbei, die dermaßen
verfallen ist, dass sich die Bürger Plomaris eigentlich schämen müssten,
solch geschichtsträchtiges Bauwerk nicht erhalten zu haben und wenn nur
allein dazu, ihren Kindern zu veranschaulichen, wie die Großeltern Mehl
gewonnen haben, um das tägliche Brot zu backen...
Wenn Sie noch tiefer ins Landesinnere eindringen, dann erwarten Sie
weitere Überraschungen. So, wie uns in der letzten Woche, bei unserem
Besuch der Mühle von Klapados. Klapados ist ein kleines verlassenes Dorf
im Norden der Insel, versteckt hoch in den Bergen zwischen Pétra und
Kalloní. Die meisten Bewohner waren ottomanische Muslime, und das war
vielleicht auch der Grund dafür, weshalb sich im Dezember 1912 die
letzten ottomanischen Soldaten in der Gegend um Klapados verschanzten,
verfolgt von den griechischen Truppen, die gekommen waren, die Insel zu
befreien. Die Schlacht begann am 8. November 1912, als das Kriegsschiff
„Averof“ in Mytilini anlegte, die Stadt befreite und den Feind in den
Norden von Lesvos vertrieb. Genau einen Monat später, am 8. Dezember
1912 besiegten die griechischen Truppen das ottomanische Heer in den
Schlacht von Klapados. Daraufhin verjagte man alle Muslime von der
Insel. Obwohl dies nicht überall verzeichnet steht, berichten
verschiedene Quellen, dass die Bewohner des Dorfes nicht ins
Ottomanische Reich verschifft, sondern grausam abgeschlachtet wurden.
Obwohl die Freiheit der Bevölkerung von Lesvos in Klapados ihren Anfang
genommen hat, ist hier nicht ein einziges glorreiches Denkmal des
Generals zu finden, der die Griechen in den Sieg führte, lediglich ein
Schild, umgeben von bröckelnden Ruinen, welches die Schlacht von
Klapados erwähnt. Trotz der wunderschönen Wasserfontänen, der alten
Platanen und des verfallenen Badehauses, wirken die Überbleibsel des
einst so blühenden und lieblichen Dorfes doch recht bedrückend, zumal
erzählt wird, dass man die Toten einfach so liegen ließ, was erklärt,
weshalb so wenig Griechen sich an diesen Platz wagen und weshalb so
wenig übrig geblieben ist von dem einstigen Dorf. Wenn Sie von der
Straße die Berghänge hinaufschauen, so können Sie zwischen all den
Büschen, Gräsern und Bäumen noch mehr traurige Überreste von Häusern
erkennen.
Die
Wassermühle von Klapados besteht inzwischen auch nur noch aus
zerfallenen bröckeligen Mauerresten, aber es bedarf nicht allzu viel
Phantasie, sich vorzustellen, wie die gewaltige Kraft des Wassers einst
die riesigen hölzernen Mühlenräder in Bewegung setzte. Die Mühle
befindet sich auf einem breiten grauen steilen Felsen, 50 – 60 Meter
hoch, von wo aus das Wasser in die Tiefe stürzte.
Man
muss den Platz schon kennen, um die Wassermühle zu finden. Auf einem
sehr schmalen Pfad, der an dem gerade erwähnten Felsen beginnt, läuft
man in ein Tal, in dem unterhalb ein Teich gelegen ist, der ausläuft, in
ein fröhlich plätscherndes Bächlein, das übersät ist mit Steinen. Wie
überall auf der Insel sorgt das Wasser für eine dschungelartige
Begrünung von jahrhundertealten riesigen schrulligen Platanen, die über
und über bewuchert sind mit Moos, Lianen und anderen parasitischen
Schlingpflanzen, so dass man sich augenblicklich in die Welt von Tarzan
versetzt fühlt.
Als
ich da war, prasselte noch kein Wasser von der Felswand in die Tiefe,
nur ein Wasserfall aus knorrigen dicken Baumwurzeln imitierte das
fließende Wasser und kroch wie eine imposante lebende Skulptur die
steinerne Wand hinunter. Wie magisch muss es hier erst sein, wenn genug
Regen gefallen ist und der Wasserfall lebt. Mit Sicherheit steht dann
dieser Ort dem Wasserfall bei der Krineloe Mühle in Eressos und dem in
Achladeri in nichts nach.
Ich
war nur etwas schockiert von der Reaktion unserer Freunde, mit denen wir
den Wasserfall besuchten. Während ich mich nicht satt sehen konnte an
den verwunschenen Platanen und ihren ausgestreckten Wurzeln, die mit
Moos und Steinen wetteiferten, um das beste Plätzchen am Flüsschen,
während ich die Baumriesen, deren Äste wie krumme Windmühlenflügel in
den blauen Himmel ragten, von allen Seiten staunend betrachtete,
wunderten sich meine Freunde darüber, dass kein Abfall herumlag...
Abfall? Bin ich etwa schon so integriert, dass mir das, im Gegensatz zu
dem ansonsten überall herumliegenden Müll gar nicht mehr auffällt? Es
ist also ganz offensichtlich, dass nicht viele Menschen wissen, wo die
Mühle von Klapados steht und das es eine von den Mühlen auf Lesvos ist,
die ganz still und leise aus dem Buch der Geschichte verschwinden
wird...
Copyright ©Julie Smit 2008 |