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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Kamelspinne (Foto: Internet)
15.September 2008 - Gruselig!
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Die
Bewohner von “Mollywood”, einem neuen Wohnviertel von Molyvos, dass
rechts von der Straße nach Vafios liegt, werden seit ca. einem Monat von
einem Brandstifter in Angst und Schrecken versetzt. Dieser Mensch legt
seit August Feuer, meist in der Mitte des Tages, aber auch ab und an in
der Nacht, (s. Lesvos News vom 11.8.08) und das fast täglich!
Einige Male wählte dieser Pyromane auch eine andere Gegend für seine
Taten, wie z.B. Eftalou und an der Straße nach Pétra. Je mehr Brände er
entzündete, umso mehr wurde über seine Person spekuliert: Zunächst soll
es jemand in einem roten Kfz. gewesen sein, dann ein Motorradfahrer, und
später sollte man nach einem weißen Auto Ausschau halten. Eine zeitlang
hörte man die Leute flüstern, dass es gar 2 Personen seien, eine große
und eine kleine... Eindringlich redete der Bürgermeister von Molyvos auf
die Jugend des Dorfes ein und bat sie, die Augen offen zu halten, damit
der Täter gefasst werden kann, sollte jedoch einer von ihnen mit dem
Feuer spielen, so sei er gewarnt, denn dann drohe ihm eine jahrelange
Gefängnisstrafe.
Wochen sind vergangen, der Übeltäter bislang nicht gefasst, und die
zerstörenden Flammen sind immer noch das Dorfgespräch. Da ein jeder auf
der Hut ist, werden die Feuer schnell entdeckt und der Schaden bleibt
gering oder, besser gesagt, dank dieser Aufmerksamkeit, einer gehörigen
Portion Glück, guten Feuerwehrleuten und vielen freiwilligen Helfern,
gab es keine Opfer, und keine Häuser oder Hotels mussten evakuiert
werden.
Die
Temperaturen fallen und für die nächsten Tage wird sogar Regen
vorausgesagt, womit die Waldbrandgefahr gemindert ist, aber immer noch
schlafen die Bewohner von „Mollywood“ unruhig, stehen des Nachts auf und
halten Ausschau, ob sich der Himmel nicht doch rot glühend färbt.
Als
wäre dies nicht schlimm genug, ist eine neue Plage über „Mollywood“
hereingebrochen: GIFT! Dass Gift zum Schutz der Schafe und Ziegen
gestreut wird, ist, obwohl es verboten ist, nicht unüblich hier. Doch
nicht nur die reißenden Füchse sterben davon, sondern auch Katz und Hund
fressen es und müssen elendig krepieren. Die Frage ist, wie man einen
Gift streuenden Bauern auf frischer Tat ertappen soll, wenn man noch
nicht einmal einen Brandstifter erwischt. Und dann ist es ja auch so,
dass, wenn Sie zur Polizei gehen, um Anzeige zu erstatten, erst einmal
eine Bearbeitungsgebühr von 10 Euro fällig wird, die jedoch bei der
Gemeinde einzuzahlen ist. Wenn Sie danach dann wieder zur Polizei
kommen, kann es passieren, dass die Beamten gerade mal wieder streiken
oder mit dem Flüchtlingsproblem so beschäftigt sind, dass die Wache
unbesetzt ist. Treffen Sie nach Tagen dann mal jemanden an, wird dieser,
nachdem er Ihnen zugehört hat, mit einem „Ti na kanu me“ (Was soll man
machen?) die Schultern zucken.
Ich
wohne nicht in „Mollywood“, und, obwohl auch ich andauernd meine Nase
prüfend in den Wind halte, habe ich keine Angst vor Brandstiftung.
Unsere Katzen sind auch keinem Giftstreuer ausgeliefert, aber dennoch
anderen Gefahren ausgesetzt, so wie in der vergangenen Woche: Ich
beobachtete, wie eine unserer Samtpfoten von einer Spinne angegriffen
wurden! Das Exemplar schien einem Horrorfilm entsprungen zu sein. Eine
Kamelspinne, die zu der Ordnung der Walzenspinnen gehört, hockte
angriffslustig mit angehobenen Kopf und erhobenen Vorderbeinen vor dem
Haustier. Freute die Katze sich zunächst auf ein Spiel, wurde sie doch
alsbald eines besseren belehrt und musste sich mehrmals durch rettende
Sprünge vor dem Insekt in Sicherheit bringen.
Nachdem ich mich nun über die Kamelspinne informiert habe, läuft mir
noch im Nachhinein eine Gänsehaut nach der anderen über den Körper.
Schon immer hatte ich mit Spinnen ein Problem, und als ich nach Lesvos
kam, musste ich mich erst einmal an all diese gruseligen Langbeiner hier
gewöhnen. Heute bin ich aber schon so weit, dass ich es schaffe, ein
Glas über das Ungetier zu stülpen, die Fliegenklatsche darunter zu
schieben und es so nach draußen zu transportieren, obwohl, es gibt immer
noch das eine oder andere Krabbeltier, das sich schneller bewegt, als
ich.
Jetzt, nach der Begegnung mit der Kamelspinne, habe ich einige
Veränderungen in meinem Verhalten festgestellt. So klopfe ich meine
Schuhe vor dem Anziehen aus, vor dem Zubettgehen schüttele ich die Decke
aus, und ich untersuche ganz gründlich vor Gebrauch meine Handtasche,
ja, inzwischen schütte ich den Inhalt sogar komplett aus und packe sie
erneut, nachdem gestern eine große schwarze Spinne darin saß.
Gestern erzählte ich einer Nachbarin von unserem neuerlichen Besucher,
sie wusste alsgleich den Namen und wollte mich mit der Bemerkung
beruhigen, dass die Kamelspinnen sehr selten wären. Nun selten oder
nicht, das Internet ist jedenfalls voll von unheimlichen Geschichten
über dieses blutrünstige Getier.
Sie
greifen an, wenn Sie schlafen, injizieren Gift und nagen dann an Ihrem
Leib. Bei Kamelen ist der Bauch das Ziel, in den sie klaffende Wunden
reißen, und in der letzten Woche erst, ist eine Familie in England aus
ihrem Haus geflohen, weil eine solche Spezies, die illegal im Gepäck des
Hausherrn, der aus Afghanistan zurückkam, eingewandert ist, ihren Hund
getötet hat.
Wissenschaftler setzen alles daran, diese Gruselgeschichten als Märchen
abzutun, indem sie behaupten, dass die Kamelspinne über gar kein Gift
verfüge. Dem widerspricht jedoch eine Untersuchung, die in Indien
durchgeführt wurde.
Fakt ist, dass die Kamelspinne keine Spinne ist, sondern nur zur Familie
der Spinnen gehört. Sie ist genau genommen so ein Mittelding zwischen
Spinne und Skorpion. Es wird ja behauptet, sie könne nicht springen,
aber ich hab es doch mit meinen eigenen Augen gesehen, dass sie es wohl
kann, dazu noch unglaublich schnell ist und im Kampf rumhüpft wie ein
Boxer. Ich erkannte auch ein riesiges hässliches Maul, und die
Wissenschaftler sagen, sie habe kräftige Kiefer. Einige Kamelspinnen
werden auch Windskorpione genannt, und einem Skorpion ähnelte die Spinne
an unseren Haus auch.
Ich
verfolgte den Kampf zwischen Kamelspinne und Katze sicher geschützt
hinter der Fliegentür unseres Hauseingangs. Als die Spinne endlich
blitzschnell im Gebüsch verschwand (es sah in der Tat so aus, als würde
sie von einer heftigen Windböe weggetragen) und unsere Katze zurückblieb
mit dem Gedanken, sich besser daran die Pfoten nicht zu verbrennen,
stellte ich mir mal wieder die Frage, warum ich Katzen haben, die solch
eigentlich typische Beute, nicht mehr erlegen.
Eines weiß ich aber sicher, dass ich in der nächsten Zeit das
Pflanzenreich, in das die Spinne sich zurückgezogen hat, meiden werde.
Es soll eh ein strenger Winter werden, so dass ich mich wohl erst im
Frühjahr daran machen werde, dort einen Rand zu bauen (es ist eh das
Stückchen vom Garten, wo sich die meisten Spinnen aufhalten, genau so,
wie die meisten Tausendfüßler unter den Blumentöpfen wohnen).
Auf
jeden Fall bin ich froh, dass die Abende kühler geworden sind, und
inzwischen wieder festes Schuhwerk angesagt ist. Die Zeiten, in denen
man den Tag mit Flipflops ausklingen lässt, sind definitiv vorbei. Oh
man, stellen Sie sich nur mal den Albtraum vor, dass ein Windskorpion an
Ihrem großen Zeh hängt...
Copyright ©Julie Smit 2008 |