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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
1.Juni 2008 -
Mit anderen Augen
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
In der
letzten Woche fand in Florina (West-Griechenland) eine Umweltkonferenz über die
Flora des Landes statt. Laut Professor Constantinos Papanikolaou gibt es in
Griechenland mindestens 400 Pflanzenarten, die pharmazeutisch oder kosmetisch
genutzt werden können. Seiner Meinung nach, wäre es unter finanziellem Aspekt
sinnvoll, diese zu kultivieren. Die griechischen Landwirte jedoch beschränken
sich auf den traditionellen Anbau, da sie sich mit diesen Gewächsen nicht
auskennen. Bislang halten sie sich an Tomaten, Auberginen, Gurken, Zucchini,
Wassermelonen und an Schafe und Ziegen. Wenn wir einem Bauern Samen von
Rosenkohl geben, bedankt er sich sehr herzlich, aber gesehen haben wir dieses
leckere Gemüse auf seinem Feld noch nicht, treu nach dem deutschen Sprichwort
„Was der Bauer nicht kennt, dass isst er nicht“. Nun, hier pflanzt er es gar
nicht erst an.
War
Griechenland doch einst das Zentrum revolutionärer Ideen, was zu einem immensen
Wissen führte. Der Vater des modernen medizinischen Denkens, Hippokrates, wurde
um 460 vor Christus auf der Insel Kos geboren. Schon damals lehrte er, dass
Krankheit nicht eine Strafe der Götter sei, sondern er sah darin eine Abweichung
vom Gleichgewicht der Körpersäfte. Er war davon überzeugt, dass durch
Ernährungsumstellung und Bewegung der Körper seine Balance wiedererlangen
könne.
Die Basis
der pflanzlichen Arzneimittelkunde hat der Philosoph (und der erste Botaniker)
Theophrastus gelegt, der um 372 v.Chr. auf Lesvos geboren wurde.
Er schrieb
über die Charaktereigenschaften des Menschen, über Steine und
Naturerscheinungen, aber seine Bücher über Pflanzen („De causis plantarum“ und
„De historia plantarum“) gelten als seine bedeutendsten wichtigsten Werke.
Noch heute
zollt Lesvos, als Geburtsstätte des Vaters der Botanik, diesem ihren Respekt
damit, dass sie eine solch grüne Insel ist. In Griechenland gibt es um die 6.000
Pflanzenarten, auf Lesvos alleine zwischen 1.400 und 1.500. Damit nimmt die
Insel mit ihrem Pflanzenreichtum – nach Kreta – den 2. Platz ein.
Die älteren
Bewohner von Lesvos verfügen noch über das Wissen, was in ihrem Umfeld wächst
und blüht. Gab es doch vor wenigen Jahrzehnten noch Hungersnot und Elend hier,
und man ist dem Tod dadurch entkommen, indem man sich von dem ernährte, was in
der Natur zu finden war. Viele erinnern sich noch daran, was sie alles an wildem
Gemüse und Pilzen zusammenklaubten, wenn sie auf dem Weg in die Olivenernte
waren.
Noch heute
steht Wildgemüse (Chorta) auf der Speisekarte in vielen Restaurants. Nicht weil
die Menschen immer noch Not leiden, sondern weil sie felsenfest davon überzeugt
sind, dass dieses Blattgemüse gut für ihre Gesundheit ist. Ich bin mir nicht
sicher, welches Kraut gegen welche Beschwerden gewachsen ist, aber die alten
Griechen wissen schon, was sie sich gegen Magen- oder Kopfschmerzen und bei
Nierenproblemen zunutze machen können.
Aber trotz
all dieser Erfahrungen, über welche die ältere Generation verfügen, wird das
Wissen über den Nutzen und die Wirksamkeit von Pflanzen mehr und mehr verloren
gehen, denn die jüngeren Menschen ziehen es vor, ihr Gemüse im Supermarkt zu
kaufen. Schade, denn es haben doch so viele Pflanzen in der freien Wildbahn ihre
Qualität. Wussten Sie, zum Beispiel, dass früher aus den Wurzeln der Stockrose
Mäusespeck hergestellt wurde? Dass Lupinensamen in der Antike als Halluzinogen
genutzt wurde, um Kontakt zu den Verstorbenen herzustellen oder dass Oregano
wirksam ist, bei Husten, Asthma, Bauchkrämpfen und nervösbedingten
Kopfschmerzen?
Die
jüngeren Griechen und die Touristen, mit Ausnahme derer, die sich für die
Botanik interessieren, wissen nicht wirklich, was ihnen unter die Augen kommt,
wenn sie durch die Natur spazieren. Wissen Sie, wie köstlicher Wilder Spargel
aussieht oder ein Kapernstrauch? Können sie eine Wilde Möhre erkennen oder gar
eine Zistrose oder Malve?
Jan van
Lent, Fotograf und Filmregisseur aus den Niederlanden, der seit einigen Jahren
hier auf Lesvos lebt, hat durch die Fotografie seine Leidenschaft für die
Pflanzen und ihre Heilkräfte entdeckt. Nachdem er seine Studien auf den von ihm
geführten organisierten Wanderungen an interessierte Landsleute weitergab, hat
er nun ein Buch über die Pflanzen herausgegeben, die es bei dieser Exkursion zu
entdecken gibt. „Met andere ogen“ (Mit anderen Augen) ist der Titel. Leider ist
es derzeit nur in holländischer Sprache erhältlich, sollte es jedoch ein Erfolg
sein, wird es im nächsten Jahr auch in englischer und deutscher Übersetzung
erscheinen.
Dieses
Büchlein, dass leicht in ihre Tasche passt, enthält atemberaubende Fotos von 27
Pflanzen und gibt in jeweils kurzen Textpassagen Auskunft über deren Geschichte
sowie die kulinarischen und medizinischen Eigenschaften. Die passende Lektüre
für diejenigen, die wissen möchten, wie eine Spritzgurke aussieht, wie der
Mönchspfeffer zu seinem Namen kam, welch ein Gegengift es bei einem
Schlangenbiss gibt, welches Kraut eine Diät unterstützt oder für die unter
Ihnen, die ihr Wissen über Feigen, Oliven und Kapern erweitern möchten.
Was die
Lektüre jedoch nicht verrät, ist das Geheimnis für die hohe Qualität des
Olivenöls von Lesvos. So wurde letzten Monat das Olivenöl von Manolis
Andriotelli aus Plomari, Lesvos, mit dem 1. Preis des deutschen kulinarischen
Magazins „Der Feinschmecker“ ausgezeichnet. Aus 800 Olivenölsorten erstellte die
Jury eine Liste der 250 besten, die von dem Öl aus Plomari angeführt wird.
Und was
auch nicht in dem Büchlein steht, ist, dass der beste Koch von Nord-Lesvos,
Angelos vom „Anatoli“ in Eftalou, in dieser Saison seine Künste im Restaurant „Filoxenia“,
Molyvos (nah beim Rathaus), unter Beweis stellt.
Sollten Sie
der holländischen Sprache mächtig und an dem Buch von Jan van Lent interessiert
sein, so können Sie es per E-mail bestellen unter
janvanlent@lesvosisland.com.
Copyright ©Julie Smit 2008 |