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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
St.Raphael, Irene
und Nicolas
Ein
Gemälde, fotografiert von Gabriele Podzierski
30.September 2008 -
Der “Vatopedi-Code”
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Auf
Lesvos gibt es eine reichliche Zahl von Klöstern und einige davon sind
Bestandteil des heutigen Lebens auf der Insel. Das Kloster in Mandamados
ist die Stätte für Hochzeiten und Taufen, und das große Limonos-Kloster,
in der Nähe von Kalloni, ist, umgeben von seinen vielen kleinen
sehenswerten Kapellen, der Anziehungspunkt für Busladungen von Touristen
aus dem In- und Ausland.
Das
dritte bedeutungsvolle Kloster der Insel ist St. Raphael, gelegen mitten
in den grünen Hügeln des Städtchens Thermi (nah bei Mytilini). 1963
gegründet, stellt es eine relativ junge Gemeinde für Frauen dar. Die
Besucherfrequenz des Klosters ist wegen der Legenden, die um das Kloster
ranken und seines frommen Rufs besonders hoch.
Im
Jahre 1235 befand sich genau an dieser Stelle (der Platz wird auch
Karyes genannt) ebenfalls ein Frauenkloster, das den Namen „Holy
Olympia“ trug. Diese Einrichtung wurde von den Barbaren zerstört, und 2
Jahrhunderte später als Männerkloster neu errichtet. Nach dem Fall von
Konstantinopel, im Jahr 1453, was auch den Fall des byzantinischen
Reichs zur Folge hatte, eroberten die Ottomanen nach und nach
Griechenland und somit auch die Insel Lesvos. Eines Tages, anno 1463,
kamen einige Soldaten zu dem Kloster in Thermi, wo ein Lehrer und der
Bürgermeister von Mytilini mit seiner Familien Zuflucht gefunden hatten,
während andere Christen in die Berge geflohen sind. Da die Türken das
Versteck der Flüchtigen in Erfahrung bringen wollten, wurden die
Menschen im Kloster erbarmungslos gefoltert und letztendlich getötet.
Der Abt des Klosters, Raphael, musste tagelang unbeschreibliche Qualen
erleiden, und Irene, der 12-jährigen Tochter des Bürgermeisters, hackte
man zunächst - vor den Augen ihrer Eltern - eine Hand ab, bevor man sie
in einem riesigen Topf auf einer Feuerstelle verbrühen ließ. Das Kloster
wurde dem Erdboden gleich gemacht.
Seit der Zerstörung des Klosters, pilgerten an jedem Dienstag nach
Ostern die Bewohner von Mytilini zu der Stätte, um eine Kerze
anzuzünden, weil sie gehört hatten, dass Menschen dort ihr Leben lassen
mussten, aber sie wussten nicht wirklich, wer es war und warum diese
Tragödie geschah.
1912 stellte ein Ottomane, dem ein Stück Land in Karyes gehörte,
Untersuchungen darüber an, wer der Mönch war, den man jahrelang so
häufig durch die Gegend streichen sah. Die Recherchen ergaben, dass es
kein Mensch aus Fleisch und Blut sein konnte, sondern eine Erscheinung.
1959 fühlte sich ein frommer Bürger der Stadt Mytilini dazu berufen, am
Platz des früheren Klosters eine Kapelle zu errichten. Bei den
Ausgrabungen stieß man auf menschliche Gebeine. Eine Legende erzählt,
dass, als man die Knochen in einem Sack verstaut hatte, niemand mehr in
der Lage war, diesen hochzuheben. Diejenigen, die versuchten, das Bündel
mit dem Fuß fortzubewegen, hatten von dem Moment an ein steifes Bein.
Diese wundersamen Ereignisse veranlassten die Menschen den Priester zu
rufen, damit er eine Messe für die menschlichen Überreste liest. In der
Nacht vor dem Gottesdienst jedoch, soll dann der Abt Raphael dem Popen
erschienen sein, sich zu erkennen gegeben und seinen Lebensweg offen
gelegt haben. Auch soll er dem Priester haargenau beschrieben haben, wo
weitere Gebeine verborgen liegen. Tja, und so fand man dann ebenso den
Topf mit den Überresten von Irene, wie auch die Knochen von Nicolas,
einem treuen Gefährten Raphaels. Von diesem Zeitpunkt an, soll nicht nur
der Abt, sondern auch die heilige Irene und Nicolas vielen Menschen
erschienen sein.
Nun, 1963 ist dann das heutige Frauenkloster errichtet worden, dessen
Vorsteherin Eugenia Kleidara ist. Diese fromme Äbtissin hat mittlerweile
um die 150 Bücher geschrieben, die sich meist mit den Geschichten über
St. Raphael aber auch mit anderen Heiligen befassen. Ihre Werke stoßen
auf sehr viel Interesse im In- und Ausland, und diese literarisch
missionarische Arbeit lässt die Kassen des Klosters klingen. Es ist
soviel, dass derzeit kritische Stimmen laut werden, da man sich fragt,
wo das ganze Geld bleibt und warum nichts davon in den Steuersäckel
kommt. Wie auch immer, die Situation ist aber nicht so kritisch, dass es
genug Stoff für den „Vatopedi
Code“ gibt.
„Vatopedi Code“
ist ein Beitrag von Al Tsantiri, Griechenlands populärster Fernsehschau
über die aktuellen Geschehnisse, die alles und jeden satirisch „auf die
Schüppe“ nimmt, und auch vor dem Klerus nicht Halt macht. Also, der Abt
des Vatopedi-Klosters, gelegen in der Mönchsrepublik Athos, machte einen
sehr lukrativen Deal mit einem griechischen Minister: Man tauschte Land.
Hinterher jedoch stellte sich heraus, dass das Land, das der Staat
bekam, Millionen weniger wert war. Noch pikanter wurde die Geschichte,
als bekannt wurde, dass die Ehefrau des Ministers, in ihrem Beruf als
Rechtsanwältin dieses Geschäft abwickelte und dafür 300.000 Euro
kassierte. Damit kam der Vorfall an die Öffentlichkeit, und auch wenn im
Nachhinein nun der Vorsteher des Klosters beteuert, die Transaktion sei
hinfällig, beginnen die Griechen an der frommen Gesinnung ihrer Mönche
zu zweifeln.
Derzeit ist es so, dass viele Klöster Anspruch auf Ländereien erheben
und ihr Eigentumsrecht mit uralten Dokumenten beweisen wollen. Einige
dieser Papiere stammen sogar aus der byzantinischen Zeit, was bedeutet,
dass sie um die 800 Jahre auf dem Buckel haben. Es ist ein Skandal, der
gerade ins Rollen kommt und noch viel Unruhe in der Welt der Immobilien
bringen wird. Inzwischen haben schon viele Griechen ihr Haus und
Grundstück verlassen müssen, weil die Kirche behauptet, es sei ihr Land.
Auch das „Cavo Sidero-Projekt“ auf Kreta (s. Lesvos News „Cavo Gavathas“)
wird derzeit genauestens unter die Lupe genommen, denn der Deal zwischen
dem Kloster und den Leitern des Projekts stinkt zum Himmel.
Genauso, wie es allerhöchste Zeit wird, dass der Welt-Finanzmarkt einer
Neuerung und Reinigung bedarf, sollten die Griechen den Status der
Orthodoxen Kirche überdenken. Es hat doch den Anschein, dass Priester
und Mönche als Immobilienmakler tätig sind und damit dem Volke schaden,
anstatt ihm eine helfende Hand in schwierigen Zeiten zu sein. Das ist
doch weder Inhalt der Religion noch Aufgabe der Männer Gottes!
Heute verfolgt die Nation wieder mal gespannt dem „Vatopedi Code“ auf
dem TV, und ich bin sicher, Al Tsantiri wird Geistliche und Minister
wieder einmal vor der Allgemeinheit bloßstellen. Es wird mal wieder
spannend, mit all den byzantinischen Rechten und Geheimnissen der
Klöster, gerade so, wie im „Da Vinci Code“...
Copyright ©Julie Smit 2008 |