|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Walnüsse
9.September 2008 -
Die Tränen der Demeter
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
In
der letzten Woche konnten sich die Besucher des Parthenon in Athen in
die Antike zurückversetzt fühlen: Eine Hohe Priesterin, gekleidet in ein
weißes Gewand, streckte in diesem Tempel ihre Arme gen Himmel und flehte
zu Athene, der Göttin der Weisheit und Schutzpatronin der Metropole, sie
möge ihr Eigentum vor dem Fortschritt schützen. Das Gebet war ein
Protest gegen den Bau eines neuen Museums am Fuße der Akropolis.
Wer
denkt, dass dies eine humorvolle Aktion war, liegt falsch, denn diese
Frau gehört als Hohe Priesterin zum „Heiligen Verband der Griechen
antiken Glaubens
Ellinais“, einer kleinen Gruppe von Menschen, die sich für die
Wiederbelebung der altgriechischen Religion einsetzt. Erst vor kurzem
wurde per Gerichtsbeschluss die Organisation „Ellinais“ anerkannt und
offiziell erlaubt. Diese Athener Union zählt mehrere hundert Mitglieder,
die meisten von ihnen Akademiker, Juristen, Ärzte und andere Fachleute.
Das, wofür die Anhänger von Zeus kämpfen, ist der Weltfrieden, das
Umweltbewusstsein und das Recht auf Bildung für jeden einzelnen
Menschen.
In
Griechenland ist es verboten, an archäologischen Stätten
zusammenzukommen, um religiöse Rituale abzuhalten, aber für die „Ellinais“
gibt es keinen anderen Ort des Gebets, als die Tempel ihrer Götter, und
so brechen sie häufig dieses Gesetz. Im Januar diesen Jahres fand in
einem Tempel, mitten in Athen, eine Zeremonie zu Ehren Zeus statt, womit
der Gemeinschaft große Publicity zuteil wurde, denn es war die 1. Messe
für den Göttervater seit 1.600 Jahren, seit eben jenem Tag, als die
Römer die Anbetung aller griechischen Gottheiten verboten.
Bei
einer solch reichen Geschichte von Göttern und Mythen, war eigentlich
damit zu rechnen, dass irgendwann jemand den antiken Glauben wieder
aufleben lassen möchte, zumal es doch so ist, dass die Griechen die
Vielgötterei so richtig noch nie aufgegeben haben. Anstelle der vielen
Götter der Antike sind nun die verschiedenen Heiligen der Orthodoxen
Kirche getreten, die sie nun in den ihnen geweihten unzähligen Kirchen
und Kapellen anbeten. Jeder von ihnen hat seine eigene Schirmherrschaft
über eine Sache, ganz genau, wie damals die Götter des Olymps ihren
jeweils speziellen Zuständigkeitsbereich hatten.
Es
gibt zwar keinen Heiligen, in dessen Aufgabengebiet das Wetter oder die
Jahreszeiten fallen, in der Mythologie kann man jedoch beispielsweise
eine logische Erklärung für die Entstehung der Vierjahreszeiten finden:
Als Persephone, die Tochter der Demeter (Göttin der Ernte), von Hades in
die Unterwelt verschleppt wurde, wurde Demeter so traurig, dass sie den
Olymp verließ und den Pflanzen befahl, nicht mehr zu sprießen. Alsbald
war das Land verödet. Nun musste der Göttervater Zeus etwas unternehmen,
und so fand man nach zähen Verhandlungen den Kompromiss, dass Persephone
4 Monate des Jahres im Hades leben musste und die restlichen 8 Monate
bei ihrer Mutter auf der Erde. Ist sie mit ihrem Kind vereint, ist
Demeter so glücklich, dass sie es nur so sprießen lässt, geht diese
fort, beginnt der Herbst.
Eigentlich sollten wir traurig sein, wenn Persephone uns verlässt, aber
ich finde es herrlich, dass der Herbst Einzug hält. Die Temperaturen
werden angenehm, und die Natur beschenkt uns mit ihren Früchten: Feigen,
Trauben, Nüsse, Mandeln und Pinienkerne. In einigen Wochen dürfen wir
uns an Quitten, Äpfeln, Birnen, Kastanien und Brombeeren erfreuen. Nach
dem ersten Regen, werden die Schnecken erscheinen (nun ja, die fallen ja
nicht wirklich von den Bäumen) und die Pilze aus dem Boden sprießen.
So
herrlich, wie es jetzt noch ist, am Strand zu liegen, bedeutet der
bevorstehende Herbst auch, dass diese sommerlichen Mußestunden bald
vorbei sind. Das „Feigenfieber“ (s. Lesvos-News vom 4.9.2006) ist
bereits ausgebrochen, und schon jetzt bin ich ununterbrochen
beschäftigt: Feigen pflücken und trocknen, Birnen ernten und einmachen,
Walnüsse sammeln und knacken, Pinien und Mandeln einholen, schälen und
zubereiten. Demeters süße Herbsttränen sind wie „Engelchen auf der
Zunge“ (eine holländische Redewendung für etwas, was sehr wohlschmeckend
ist).
Feigen kann man ganz toll mit Walnüssen kombinieren. Die Nüsse werden in
ihrer grünen Schale aus dem Baum geschlagen. Um sie zu konservieren,
werden sie geschält und dann getrocknet. Aber Achtung! Dieses Peeling
färbt ihre Hände hässlich braun, und zwar mit einem recht hartnäckigen
Farbstoff, der sich nicht so einfach wieder abwaschen lässt und für Tage
an Ihren Fingern bleibt. In früheren Zeiten wurde aus der Walnuss ein
Färbemittel für Möbel, Kleidung und Haare gewonnen. Außerdem findet man
Bestandteile des Baumes, wie Baumrinde, Fruchtschale und Blätter in
einer langen Liste von Arzneimittel gegen Magen- und Darmkrankheiten,
Hautirritationen und gar Schweißfüße.
Die
Griechen lieben die Walnuss als Zutat für ihre Kuchen und Plätzchen, wie
bei dem berühmten Baklavas. Auf Lesvos gibt es nicht wirklich ein
besonderes Walnussrezept, aber das westlich gelegene Korfu hat eine
solche Spezialität, „Sikomaida“ genannt. Diese Delikatesse, hat diesen
charakteristischen Herbstgeschmack von Nüssen und Feigen, jedoch auch
eine frische Note durch die zugesetzten Trauben, und vor allen Dingen
ist sie nicht zu süß. Sie verdient einfach, die Bezeichnung
„Götterspeise“.
Beim Anblick der Fülle von Früchten auf dieser Insel, sollte man den
Göttern auf Knien danken, für all diese Köstlichkeiten, die sie hier
gedeihen lassen. Ja, ich sollte mich der Glaubensgemeinschaft „Ellinais“
anschließen, um die Gottheiten der Antike anrufen zu können. Ich könnte
aber auch aus lauter Dankbarkeit eine Kerze in einem der Kirchlein
entzünden, aber ich habe keine Ahnung, welcher Heiliger für diese
reichlichen Gaben verantwortlich ist. Vielleicht sollte ich einfach
heimlich in einem Kapellchen ein Lichtlein für Demeter entzünden...?
SIKOMAIDA
750
gr frische oder 1 kg getrocknete Feigen
2
dl Traubensaft
2
cl Ouzo
1
Teelöffel Zimt, gemahlen
½
Teelöffel Nelkengewürz
½
Teelöffel Muskatnuss, gerieben
geriebene Schale von 2 Orangen
1
Teelöffel frisch gehackter Fenchel
Pfeffer
150
g Walnüsse, gehackt
Blätter vom Walnuss- oder Feigenbaum
Bindfaden
Bei
Verwendung von frischen Feigen, halbieren Sie diese und lassen sie ein
paar Tage in der Sonne trocknen. Getrocknete Feigen, beträufeln Sie mit
dem Ouzo, damit sie weich werden. Dann zerkleinern Sie die Früchte und
fügen alle anderen Zutaten, bis auf die Blätter (und den Bindfaden)
hinzu. Die Masse nun solange kneten, bis ein fester Teig entsteht. Jetzt
können Sie kleine Küchlein formen, die sie entweder in die Sonne legen
oder für 2 Stunden bei mittlerer Hitze in den Backofen schieben, wobei
die Tür des Ofens jedoch etwas geöffnet bleiben muss. Danach wird das
Gebäck mit Hilfe des Bindfadens in die Blätter eingewickelt. In einer
verschlossenen Dose bleibt das fertige „Sikomaida“ nun mehrere Monate an
einem kühlen Platz haltbar.
Copyright ©Julie Smit 2008 |