BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Eisbaum (dank einer geplatzten Wasserleitung)
17.Februar 2008 -
Schneegrenze
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Holländer
sind dafür bekannt, dass sie gerne über das Wetter reden. Ich aber denke, dass
nirgendwo so häufig die Witterung das Tagesthema Nummer 1 ist, wie hier auf
Lesvos, zumal sie ja, im Gegensatz zu den Niederlanden, sehr starken Einfluss
auf das tägliche Leben nimmt.
Nehmen wir
nur einmal die letzte Woche, als der Sturm aus Nordosten Tag für Tag die Wellen
hoch peitschte. Der Schiffsverkehr von und nach Athen kam komplett zum Erliegen
und damit auch die Belieferung mit Warengütern. Die monatlich eingeplante
Einkaufstour nach Lidl in Mytilini: Eine einzige Enttäuschung, denn die Regale
waren so gut wie leer. Erschwerend für die Athener kam ein angesetzter Streik
hinzu, so dass auch noch sämtliche Flüge gestrichen wurden.
Das größte
Problem: Bei diesen winterlichen Temperaturen stand Lesvos ohne Heizöl da. Und
als der Sturm sich dann endlich legte, kriegten die Lieferanten sich mit der
Regierung über neu erhobene Steuern in die Haare, so dass sie sich weigerten,
das dringend benötigte Öl auszuliefern. Keine wirklich gute Aussichten, zumal
der Wetterbericht weiterhin kalte Tage prophezeite.
Aber am
Valentinstag machte sich niemand darüber Gedanken, denn die Sonne lud zu einem
Picknick in den Anemonen-Feldern, mit einem Ausblick auf den Lepetimnos mit
seinem schneebedeckten Gipfel vor strahlendblauen Firmament.
Es war auch
am Valentinstag, als der Peleponnes von zwei starken Erdbeben erschüttert wurde.
Die Menschen flüchteten panisch aus ihren Häusern, und öffentliche Gebäude
wurden evakuiert. Der Schreck saß tief, aber Gott sei Dank, waren nur kleinere
Sachschäden an Gebäuden zu verzeichnen. Hier, auf Lesvos, hätten wir davon
nichts mitbekommen, wären da nicht Familie und Freunde aus der Heimat, die sich
besorgt nach unserem Befinden erkundigten.
Am nächsten
Tag fuhr wieder einer jeder fort, über das Wetter zu reden: Kälte und Schnee!
Die griechischen Medien schaukelten die Situation so hoch, dass man das Gefühl
bekam, Griechenland wäre nordpolähnlichen Verhältnissen ausgesetzt.
Obwohl ich
sagen muss, dass die Menschen hier auf der Insel ein manches Mal vergessen, wo
sie eigentlich leben. Ich habe mit Leuten geredet, die wirklich Angst davor
hatten, eingeschneit zu werden. Ja, auf dem Festland, waren Straßen unbefahrbar,
Dörfer waren von der Außenwelt abgeschnitten, Personen mussten aus zugeschneiten
Autos befreit werden, und Reporter dokumentierten dies alles in nordpolfesten
Skianzügen mitten auf schneeverwehten Straßen. Überall, sogar auf Kreta, kam es
zu starken Schneefällen, aber hier auf Lesvos...
Lesvos ist
eine Insel, die sich für ihre milden Winter auszeichnet. In den kalten Monaten
sind es allein die Gebiete in den Bergen, wo auf den Straßen Vorsicht geboten
ist. Dort war es auch wieder, wo am Samstagmorgen etwas Schnee fiel. Die
Schneegrenze lag bei Vafios. Darunter jedoch, war es nur stärker bewölkt, die
Temperaturen sackten herunter, und ein kalter Wind brauste übers Land.
Der Wind
wurde stärker und wuchs zu einem gnadenlosen Sturm mit einer Windstärke von 9 –
10 an. Wie verrückt, wenn man in diesen Momenten daran dachte, dass man nur 2
Tage vorher draußen in der warmen Sonne gesessen hat. Oh, mit welcher Kraft der
Wind um das Haus heulte, aber schlimmer noch war die Eiseskälte, die durch eine
jede Ritze ins Haus kroch.
An diesem
Wochenende kreuzte wiederum kein einziges Boot das Ägäische Meer und auch die
meisten Flüge zwischen Mytilini und Athen wurden abgesagt.
Ich liebe
den Winter, und das stärkste Heimweh bekomme ich, wenn ich weiß, dass Holland
unter einer Schneedecke liegt. Wie schön wäre es, wenn ein Teil dieser weißen
Pracht auf unsere Insel geschickt werden könnte...
Während ein
Großteil Griechenlands die wintersportähnlichen Verhältnisse genießt, ist es in
Lesvos Norden eiskalt, und in dem grau in grau wirbeln einzelne winzige
Schneeflocken, nicht genug, denn die Schneefallgrenze blieb in der Höhe von
Vafios, von wo aus man selbst die Türkei von Minute zu Minute weißer werden sah.
Das Meer tobte, es schäumte und spuckte wütend Nebelschwaden in die bitterkalte
Luft.
Inzwischen
hat sich die See wieder beruhigt, obwohl die arktische Kälte sie immer noch zum
Dampfen bringt. Einen Tag Kälte noch, sagt der Wetterbericht, und dann soll der
Winter vorbei sein. Temperaturen nah bei 20 Grad soll es am nächsten Wochenende
geben, und damit kann ich meine Träume von einem schneebedeckten Molyvos wohl
vollends begraben. Auch ich habe vergessen, dass ich hier auf Lesvos lebe, wo
sich das Wetter einen Spaß damit macht, mit den Temperaturen Kapriolen zu
schlagen...
Copyright ©Julie Smit 2008 |