Molyvos (Mithimna)

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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Karnevalsprinzessin

10.März 2008 - Der „Saubere Montag“

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski

Einer der vielen Vorteile von Lesvos ist der, dass dieses Eiland weit von Athen entfernt ist. Das bedeutet, dass die Insel von dem in der Hauptstadt herrschenden Chaos verschont bleibt. Athen, und auch der Großteil des Festlands, litt in der letzten Woche stark unter den ausgerufenen Streiks. Mehrere Stunden am Tag fiel der Strom aus, und somit war es den Banken, die vom Computernetz profitieren, nicht möglich, Dienstleistungen auszuführen. Geld abheben oder Investitionen tätigen - tagelang nicht möglich!

 

Hier auf der Insel ging das Licht nicht aus (nur in unserem Haus, da wir eine sehr veraltete Stromversorgung haben und andauernd die Sicherungen rausfliegen). Aber nicht nur, dass die Stromausfälle das tägliche Leben lahm legten, Zugunglücke brachten ebenfalls Unruhe in die Metropole (vor 2 Wochen durchbrach eine Lok eine Absperrung und tötete einen Obdachlosen, und vor zwei Tagen entgleiste ein Zug, 28 Personen wurden schwer verletzt).

 

Von unserer Insel kann ich nur von Seekatastrophen berichten: Die beiden Boote, die letzte Woche nahe Sigri aneinander gerieten, sind in Richtung Norden abgeschleppt worden. Das schwer beschädigte georgische Schiff liegt nun im Hafen von Pétra, und auch das am Unfall beteiligte türkische Schiff hat man außerhalb des Hafens von Molyvos festgemacht. Schaut man nach Eftalou, so erblickt man nun eine große rostige Fregatte: Ein russischer Frachter ist gestrandet (glücklicherweise nur mit Kalk und nicht irgendwelchen gefährlichen Stoffen beladen), und zwar an der berüchtigten Stelle, wo riesige Felsen die Wasseroberfläche brechen.

 

Aber, denken Sie nicht, dass all die gekenterten Schiffe den Bewohnern von Molyvos schlaflose Nächte bereiteten, denn sie waren alle mit Karneval und dem „Sauberen Montag“/Rosenmontag (Kathara Deftera) beschäftigt. All ihre Gedanken kreisten um diesen Tag, dem letzten Tag, an dem sie das letzte Mal ihren Essensgelüsten nachkommen konnten, bevor die Fastenzeit beginnt.

 

Für diejenigen, die sich traditionell daran halten, bedeutet dies: Eine Woche Käsezeit (tirofagou), die Woche davor war die Fleischwoche (kreatini), die in diesem Jahr am 28. Februar startete und der „fette Donnerstag“ (tsiknopemti) an dem der Grill beladen wird mit Fleisch. Am „Sauberen Montag“ soll man Schalentiere und „Tarama“ (Fischrogensalat) auf den Tisch bringen, da an diesem Tag der Verzehr von Tieren mit einem Blutkreislauf ein Tabu ist. Wenn man also außer Gemüse noch etwas anderes essen will, bieten sich und Schalentiere an.

Lesvos ist gesegnet mit zwei Buchten, in denen es nur so von Schalentieren wimmelt. Diesen Winter ist es jedoch verboten, sie zu sammeln, denn diesen armen Kreaturen soll nun ein Jahr Schonzeit gewährt werden, um sich wieder in Ruhe vermehren zu können. Aber kaum ein Mensch kümmert sich drum. Noch in der letzten Woche präsentierte uns eine Freundin wundervolle frische Austern. Und glauben Sie mir, das der größte Teil der Schalentieren, die am Rosenmontag auf den Tellern in den überfüllten Tavernen serviert wurden, von der Insel stammten.

 

Eine weitere gelebte Tradition des Rosenmontags ist die, das man Drachen/Windvögel steigen lässt. Kein anderes europäisches Land hegt diesen Brauch. Auf den Feldern, von den Hügeln und vom Kastell in Molyvos, all überall schickten die Bewohner ihre bunten Flieger gen Himmel. Es geht jedoch dabei nicht so rau zu, wie in manch asiatischen Ländern, wie z.B. Afghanistan, zu, wie der Schriftsteller Khaled Hosseini in seinem Bestseller „Drachenläufer“ erzählt, sondern hier ist geht es darum, den Kindern eine Freude zu machen.

 

Obwohl, an diesem Tag hätte es fast geklappt, das Experiment von Benjamin Franklin zu wiederholen. War es doch so, dass er im Jahre 1752 durch den Einschlag in eine Drachenschnur bewies, dass der Blitz pure Elektrizität ist, und dadurch, dass er ein Stück Metall daran befestigt hatte, erfand er gleichzeitig den Blitzableiter. Wochenlang konnten wir, dank des schönen Wetters, dass uns vorsommerliche Tage bescherte, draußen lunchen und picknicken, aber gerade an diesem Tag, zogen sich bedrohlich dunkle Wolken über dem Osten der Insel zusammen und als der Karnevalsumzug startete, grollte es dumpf im Hintergrund.

 

Aber Molyvos lässt sich nicht so leicht stören. Nicht von gestrandeten Schiffen und schon gar nicht von schwarzem Gewölk. Das Dorf hatte die Sonne auf seiner Seite, die alle Wolken in Richtung Türkei vertrieb.

 

Als ob man die Tragödien erahnte, war eines der Themen des Umzuges das Meer: Ein Wal aus Pappmaché, gefolgt von Kindern, verkleidet als Seepferdchen, Krabben, Seeigel, mit Schildern in den Händen, die auf die Verschmutzung und Ausbeutung des Meeres aufmerksam machten. Die Prinzessin des diesjährigen Karnevals war eine glitzernde Meerjungfrau, dargestellt von einer sehr alten Lady, die keine Kosten und Mühen scheut (und es auch schafft) den Alterungsprozess herauszuzögern. So weiß ein jeder im Dorf, dass sie ob Sommer oder Winter ihr tägliches Schönheitsbad in der salzigen See nimmt. Ein weiteres Motto von insgesamt 8 Wagen: Die Drogendealer aus dem kretischen Dorf Zoniana.

 

Niemals vorher sah ich Molyvos so voll mit Menschen. Man konnte sich nicht drehen und wenden, und schon gar nicht sein Auto. Von weit her kamen die Menschen und das nicht ohne Grund: Der Karnevalsumzug in Molyvos wird von Jahr zu Jahr besser.

 

Nach Ende der Parade wollte auch ich die Tradition leben, einen Windvogel steigen zu lassen, hab es jedoch nicht geschafft, den Drachen ins Blaue zu bekommen. Früher ging das doch so einfach... !? Immerhin schafften es die männlichen Teilnehmer unserer Picknickgesellschaft 3 farbenprächtige Flieger hoch in die Luft zu bekommen, die dann dort Stunden wie der Stern von Bethlehem am blauen Firmament erstrahlten.

 

Die Zeiten des Überflusses sind vorbei. Macht nichts, denn in 40 Tagen ist Ostern. Wiederum Tage des geselligen Beisammenseins, an denen die Lämmer am Spieß über dem Feuer geröstet werden. Es würde mich nicht wundern, wenn die gestrandeten Schiffe dann immer noch da sind und zuschauen, wie das Dorf mal wieder feiert...

 

Copyright ©Julie Smit 2008