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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Die Wasserfälle von Krinelou
27.Januar 2008 -
Auf den Spuren der Sappho
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Während nun der Wetterdienst für den nächsten Tag Schnee prophezeit, konnten
wir in der letzten Woche noch die warmen Alkionides-Tage genießen. An einem
dieser sonnigen Tage machten wir mit Freunden einen Ausflug in den Westen der
Insel, nach Erressos, um dort einen Wasserfall zu besichtigen.
Neben den heißen Quellen, verfügt Lesvos auch über einige Wasserfälle, die es
wert sind, in den Reiseführern angepriesen zu werden, wäre da nicht das Problem,
dass es so schwierig ist, sie zu erreichen. Der Pessa-Wasserfall, in der Nähe
von Achladeri, ist wohl der bekannteste und auch zugänglichste.
Die Straße von Kalloni nach Polichnitos nehmen, und nach Achladeri schlängelt
sich dann ein gut ausgeschilderter Wanderweg tief in einen Pinienwald hinein.
Nach ungefähr einer halben Stunde Fußweg entdeckt man zwischen all dem Grün den
anmutigen Wasserfall. Direkt gegenüber wurde ein Holz-Plattform angelegt, von
der aus die wunderschöne Aussicht auf das faszinierende Spiel des Wassers zu
genießen ist. Im Sommer kann man jedoch das Pech haben, dass kein Wasser
vorhanden ist, so dass für einen Besuch des Naturschauspiels das Frühjahr (nach
einem regenreichen Winter) oder der Herbst (nach den ersten Regenfällen)zu
empfehlen sind.
In der Nähe von Assomatos (bei Agiassos) soll es einen weiteren Wasserfall
geben und auch in der Nachbarschaft von Mandamados. Nummer 4 in dieser
Aufzählung besuchten wir also in der letzten Woche, und ich muss sagen, nicht
nur, dass dieser Ausflug wunderschön war, er brachte auch die eine und andere
unerwartete Überraschung mit sich:
Fährt man durch die wüste und kahle Berglandschaft des Westens, bekommt man
den Eindruck, dass hier in diesem knochentrockenen ehemaligen Vulkangebiet
allein niedriges stacheliges Gestrüpp wachsen könne, aber das grüne Delta, das
sich von Eressos nach Skala Eressou zieht, zeigt, dass hier Wasser vorhanden ist
und das Gebiet fruchtbar sein kann. Also denkt man, dass bestimmt der restliche
Teil des Westens öd ist, denn die Tätigkeit der Vulkane schuf hier in grauer
Vorzeit eine trockene Mondlandschaft, aus einem Gebiet, das bewaldet und auch
Heimat der Sequoias (Mammutbäume) war.
Der Krinelou-Wasserfall beweist, dass in dieser Bergwelt keine
Wasserknappheit herrscht: Aus einer Quelle strömt soviel Wasser, dass es einen
solch prachtvollen Wasserfall möglich macht. Durch die tiefen Schluchten der
Berge und die Felsspalten sucht sich das Wasser seinen Weg abwärts.
Hochgewachsene Platanen gedeihen an kleinen Teichen, in denen das Wasser
glasklar funkelt - Plätze, von denen man im Sommer nur träumen kann.
Hier werden diese Träume wahr: Die Quelle trägt im Sommer ebenso viel Wasser,
wie im Winter - während der Zeit der großen Hitze muss dieses Fleckchen Erde das
versteckte Paradies sein.
Und versteckt ist es wirklich gut! Um es zu erreichen, bedarf es einer
3-stündigen Wanderung von Eressos aus oder einer guten Stunde Fußweg ab der
Hauptstraße oder einer 15-minütigen nervenaufreibenden Zeit am Steuer eines
guten Jeeps, die mit Schwerstarbeit zu vergleichen ist. Am Ziel erwartet Sie
eine Überraschung: Die Wassermühle von Panayotis Krinelou, am Ufer der
Wasserfälle.
Die Wassermühle von Krinelou
Panayotis, einst Kapitän auf großer Fahrt, hat sich hierhin zurückgezogen,
hierhin, wo einst sein Großvater das Korn mahlte. Im Sommer wohnt er hier, und
im Winter zieht er nach Eressos, von wo er das Material anschleppt, das er
benötigt, um die Mühle des Großvaters zu restaurieren und das Umfeld in eine
ökologische Walhalla zu verwandeln.
Aus Baumstämmen hat er Sitzgelegenheiten geschnitzt, er hat sich durch Felsen
gearbeitet, um einen Pfad mit einem schützenden hölzernen Geländer und eine
Plattform mit Bänken anzulegen, die einem ermöglichen, sich von dem Schauspiel
des Wassers stundenlang gemütlich und sicher faszinieren zu lassen. Einen
kleinen Bach hat er umgeleitet, so dass ein Fischweiher entstand und seinem
Nachbarn, einem Schäfer, hat er eine Wasserleitung zu der Tränke seiner Tiere
gelegt. Sein neustes Projekt ist ein Garten mit frisch gepflanzten Obstbäumen,
die in der Zukunft neben den riesigen Platanen für noch mehr Schatten sorgen
sollen.
Panayotis erzählte uns, dass dieser Wasserfall das favorisierte Plätzchen der
Sappho war. Auf einem Esel kam sie aus Eressos, um ein Bad in dem kühlen Nass zu
nehmen. Auch er kam in seiner Jugend täglich hierhin. Ohne Schuhe nahm er jeden
Morgen den weiten dreistündigen Weg auf sich, um die Schafe zu hüten (das
bedeutete einen Weg bergauf und bergab), und am Abend lagen für den Heimweg
wiederum drei Stunden Weg barfuss vor ihm.
Die alte Mühle, mit ihrem riesigen Mühlstein und den verfallenen
Nebengebäuden, stimmte doch zum Nachdenken an und rief die Vergangenheit wach.
Es ist doch gar nicht so lange her, dass Lesvos sehr arm war und nichts mitbekam
von der rapide voranschreitenden Modernisierung der übrigen Welt. Nur die
Griechen behaupten, dass die Insel nie arm gewesen sei, denn sogar in Zeiten des
Krieges war immer genug zu essen da, ein jeder hatte Schafe, einen Gemüsegarten
und Chorta aus den Bergen. Aber, sie erzählen nicht, dass sie kein einziges Paar
Schuhe besaßen... Die australische Schriftstellerin, Betty Roland, erzählt in
ihrem Buch "Lesvos, the pagan island" ("Lesvos, die heidnische Insel"), was für
eine Expedition es in den 60er Jahren war, nach Eressos zu gelangen, Von
Mytilini aus benötigte sie dafür einen ganzen Tag!
Heutzutage befährt man asphaltierte Straßen, die es mittlerweile in jedem
Dorf gibt, und aus einstigen Tagesreisen sind Strecken geworden, die man in
2 Stunden bequem zurücklegen kann. Nun ja, zu den Krinlou-Wasserfällen führen
diese Wege zwar nicht bis vor die Mühlentür, was jedoch auch sein Gutes hat,
denn ich mag mir gar nicht vorstellen, dass all die unzähligen Bustouren, deren
Ziel der "Versteinerte Wald" ist, einen Stopp an den Wasserfällen machen, damit
die Touristenmassen dort ein Bad nehmen können...
Im März werden wir zurückkehren zu der Wassermühle und zu Panayotis und mal
sehen, vielleicht verrate ich Ihnen dann den Weg in dieses kleine Paradies.
Copyright ©Julie Smit 2008 |