BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Chorta: „Gewöhnliches Ferkelkraut“ (lat.: Hypochoeris)
30.März 2008 -
Sündigen in der Fastenzeit
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Mit Beginn
der Fastenzeit hat sich das sommerliche Wetter nach und nach zurückgezogen, doch
die jetzigen niedrigeren Temperaturen, die vereinzelten Regenschauer, und auch
die schwachen Stürme ab und an sind ja eigentlich normal für diese Jahreszeit.
Nicht von Normalität reden kann man, wenn man die bunt blühenden Felder und das
unglaublich in die Höhe geschossene Grün sieht. Man könnte meinen, es sei
bereits Mai. Neben den stolzen Schwertlilien, stehen gelbe Chrysanthemen, weiße
Gänseblümchen, blaue Lupinen, purpurrote Geranien, rosa Nelken und Unmengen
anderer Blumen in voller Blüte. Orchideen strecken sich neugierig aus der Erde,
und der Ginster ist spritzig an den Berghängen verteilt und leuchtet gelb herab.
Dieses überwältigende Naturschauspiel erhält noch eine weiteren Anstrich durch
die Apfel- und Birnenbäumen, die jetzt ihre weißen Roben tragen.
Das wilde
Blattgemüse und die unzähligen Kräuter verleihen der Landschaft ein frisches
Grün. Es ist Frühjahr, und es ist Fastenzeit.
Nein,
heutzutage gibt es nicht mehr so viele Griechen, die sich an die orthodoxen
Fastengebote halten. Nicht ein jeder verzichtet in den 40 Tagen der Fastenzeit
auf Fleisch, Milchprodukte, Eier, Fisch (mit rotem Blut), Olivenöl. Es ist dem
modernen Griechen zu dumm, sich so viele Tage nur von Gemüse, Obst und
Meeresfrüchten (wie Shrimps und Kalamari) zu ernähren. Manch einer hat die
strengen Regeln für sich etwas abgeschwächt. So fastet man nur an speziellen
Tagen, wie zu Beginn (mit dem „Sauberen Montag“) oder in der Karwoche, der Woche
vor Ostern, die hier auch die „Heilige Woche“ genannt wird. (Ich gehe davon aus,
dass Sie wissen, dass in Griechenland das orthodoxe Osterfest gefeiert wird, was
in diesem Jahr auf den 27. April fällt).
Fastenzeit
hin oder her, die jungen saftigen Blätter des Chorta schreien danach, geerntet
zu werden. In einer früheren Kolumne habe ich Ihnen schon einmal erzählt, dass
ich sehr oft Chorta esse, und dies nicht, weil es mir so gut schmeckt, sondern,
weil ich weiß, dass dieses wilde Blattgemüse sehr gesund ist.
Nun habe
ich eine süßliche Chorta-Sorte entdeckt, deren Geschmack an Spinat erinnert: die
„Gewöhnliche Milchdistel“ (zóchos). Wenn sie diese Distel kurze Zeit kochen, in
kleine Stücke schneiden und unter ein Mayonnaise/Joghurt-Mix heben, haben sie
einen leckeren und gleichzeitig gesunden Dipp.
Aber mein
Favorit aus dem Gemüsegarten von Mutter Natur ist nach wie vor der „Wilde
Spargel“. Die Suche danach kann süchtig machen. Es ist ein wenig so, wie
Ostereiersuchen. Man muss schon ein geübtes Auge dafür haben, um die dünnen
Sprösslinge zu erkennen, die, nur einige Zentimeter neben ihrem stacheligen
Blattwerk, aus der Erde kommen. Hat man auf einem Spaziergang erst einmal mit
der Spargelsuche angefangen, so kann man nicht mehr aufhören, ein jegliches
Strauchwerk nach der Delikatesse abzusuchen. Weit kommt man dabei dann
allerdings nicht mehr aber dafür mit einem dicken „Sträußchen“ Spargel heim.
Die
Griechen kochen den Spargel meist, um ihm dann für ein Omelett zu verwenden.
Meine bevorzugte Zubereitungsart ist die mit einer Béchamelsauce, der auch noch
ein klein geschnittenes hart gekochtes Ei zugefügt werden kann, dazu dann
Garnelen oder Krabben und dann serviert mit Pasta...
Womit die
Griechen auch ein Omelett aufwerten, ist Pastourma. Es ist zwar nicht gerade
fair, jetzt in der Fastenzeit darüber zu schreiben, aber ich habe dieses
getrocknete Fleisch erst kürzlich auf Rhodos das erste Mal gegessen. Dort
servierte man uns ein solch geschmackvolles Omelett.
Pastourma
(eigentlich ein Rezept, um Fleisch haltbar zu machen) hat seinen Ursprung aus
der ottomanischen/armenischen Küche, war aber immer auch in der griechischen
Küche beliebt und ist auch im Mittleren Osten nicht unbekannt. Man sagt, dass
dieses Pastourma bereits im Byzantinischem Reich Verwendung fand.
Man sagt
auch, dass Pastourma aus Kamelfleisch hergestellt wird. Da muss ich mich doch
arg wundern, denn, wo gibt es denn in Griechenland Kamele? Nun, Pastourma ist
der Name für luftgetrockneten Schinken, gewürzt mit u.a. Kreuzkümmel, scharfem
Paprika, Knoblauch und Fenugreek (Bockshornkleesamen). In Griechenland wird es
hauptsächlich aus Rindfleisch zubereitet, aber auch Schafs-, Ziegen-, und
Schweinefleisch kann zu Pastourma verarbeitet werden.
Um das
Fleisch trocken zu bekommen, muss ihm sämtliche Flüssigkeit entzogen werden.
Dafür wird es gepresst, dann in das Gewürze-Allerlei fest eingewickelt, und an
die Luft in den Wind gehängt. Ich habe gelesen, dass früher in Zentral-Asien,
die Männer, die den ganzen Tag auf ihren Pferden saßen, ihre Satteltaschen mit
dem Fleisch füllten, um es so mit ihren Beinen während des Ritts zu pressen.
Wie auch
immer es heutzutage getrocknet wird, Pastourma ist ein scharfes Stück Fleisch,
dass dünn geschnitten als mezé gereicht wird, oder das genutzt wird, um andere
Gerichte aufzuwerten und ihnen den typischen herzhaften süß-scharfen
Pastourma-Geschmack zu geben, der an den Genuss von Wild denken lässt.
Letzte
Woche probierte ich 2 Gerichte aus: Zunächst frische Bohnen mit Pastourma und
gerösteten Paprikaschoten und alsdann kurz angebratene getrocknete Feigen,
umwickelt mit einer Scheibe Pastourma und gefüllt mit Schmelzkäse. Also, ich
kann Ihnen nur sagen, das letztgenannte Häppchen war ein Gaumenschmaus, einfach
nur himmlisch.
Für all
diejenigen von Ihnen, die die Fastenzeit nicht ernst nehmen hier die beiden
Rezepte:
Frische
Bohnen mit gerösteten roten Paprikaschoten
(Zutatenmenge nach Bedarf)
Bohnen
kochen und die angeröstete Haut von der Paprika ziehen. Einige dünne Scheiben
Pastourma in Butter braten. Dann Bohnen und zerkleinerte Paprika hinzufügen und
mit Salz und Pfeffer würzen. Dazu können Sie Spargel reichen.
Angebratene
getrocknete Feigen mit Pastourma
Schneiden
Sie den Stamm einer Feige ab, machen Sie einen kleinen Schnitt und formen dann
mit der Messerspitze eine kleine Mulde, in der Sie ungefähr 1/3 Teelöffel
Schmelzkäse füllen können. Diese Öffnung bedecken Sie mit einer Scheibe
Pastourma, auf die Sie dann ein Salbeiblatt legen. Alles mit einem hölzernen
Zahnstocher zusammenhalten. Die Feige muss nun kurz in heißem Öl angebraten
werden, bis das Fleisch, was zu unterst ist, knusprig ist.
Dann als
warme Vorspeise oder kalt als Appetithäppchen genießen.
Copyright ©Julie Smit 2008 |