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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
3.Februar 2008 -
Der Tod des Erzbischofs
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Der Tod des
Oberhauptes der orthodoxen Christen in Griechenland, Erzbischof Christodoulos
von Athen, dominierte in der letzten Woche die Medien. Der „Papst“ der Griechen
hat den monatelangen Kampf gegen den Krebs in Darm und Leber verloren. Auch die
Hilfe suchende Reise nach Amerika war vergebens: Erzbischof Christodoulos starb
69-jährig am 28. Januar in Athen.
Ich hab
nicht soviel am Hut mit den Würdenträgern der Kirche, und schon gar nicht mit
denen hier in Griechenland. Einige von den hiesigen Popen kommen mir vor, wie
folkloristische Sehenswürdigkeiten, vor allem, wenn man die Geschichte des
früheren „Papas“ von Petrá kennt. Regelmäßig war dieser „Mann Gottes“ betrunken,
stellte den Frauen nach und wurde der Zuhälterei und des Diebstahls wertvoller
Ikonen überführt. Er wurde aus seinem Amt geschmissen, und das passiert wirklich
erst nach ungeheuer schwerwiegenden Vergehen.
Im TV sah
ich die „höheren“ Papas mit ihren eisgrauen Bärten, den phantastischen Gewändern
und dieser würdevollen beruhigenden Ausstrahlung, aber wann immer man die
Zeitung aufschlägt und erfährt, was wirklich in ihren Köpfen abgeht, so ist man
doch mehr als schockiert. Im Jahr 2005 wurde ein Rekord an Skandalen rund um die
Kirche und Christodoulos aufgestellt. Dabei handelte es sich um Drogengeschäfte,
Homosexuelle Affären, Veruntreuung von Geldern und Manipulation bei der
Bischofswahl in Jerusalem.
Die
niederländische Tageszeitung „Volkskrant“ bezeichnet den Erzbischof als einen
flamboyanten Mann. Ich kann das so nicht unterschreiben, denn meiner Meinung
nach, sollte sich ein Mann der Kirche nicht dermaßen massiv in die
regierungspolitischen Belange einmischen. In Griechenland gibt es aber nun mal
keine klare Grenze zwischen Politik und Religion, was vor kurzer Zeit zu
folgendem geführt hat: Der Erzbischof Christodoulos brachte seine Verärgerung
darüber zum Ausdruck, dass in den neuen Reisepässen die Religionszugehörigkeit
nicht mehr aufgeführt wird. Überall mischt die griechische Kirche mit, sei es
bei Kunstausstellungen, Schulbüchern, dem Beitritt der Türkei in die EU, etc. Es
ist schwierig für Griechenland mit der Zeit zu gehen, wenn die Kirche eine solch
große Macht ausüben kann.
4 Tage
Staatstrauer wurden angesetzt, beerdigt wurde der Erzbischof letzten Donnerstag.
An diesem Tag waren im gesamten Land Behörden und Schulen geschlossen, die
Beamten hatten frei um zu „trauern“. Auf der Insel Ikaria jedoch dachten die
Staatsdiener anders darüber und gingen ihrer Arbeit nach. Aus welchem Grund soll
man die Regierungsgeschäfte ruhen und die Schulen geschlossen lassen, wenn ein
Würdenträger der Kirche zu Grabe getragen wird? Nun, sollte irgendwann einmal
irgendjemand dafür kämpfen, dass die kirchlichen und staatlichen Belange strikt
voneinander getrennt werden, so bin ich sicher, dass die Einwohner von Ikaria
die Ersten sein werden, die dies mit vollem Einsatz unterstützen.
Nach
einigen eiskalten und ungemütlichen Tagen, brachen wieder milde Tage herein, und
immer noch ist man auf der Insel mit der Olivenernte beschäftigt. Begräbnis hin
oder her, am Donnerstag mussten die schulbefreiten Kinder mit in die
Olivenhaine, ansonsten war wenig von der großen Trauerfeier in Athen zu spüren.
Viele von
den Ausländern, die hier auf Lesvos leben, nutzen die Wintermonate dazu, ihre
Familien und Freunde in der Heimat zu besuchen. So langsam trudeln sie alle
wieder ein, und ein jeder stellt ein und dieselbe Frage: „Was ist passiert, als
ich weg war?“ Man überlegt und überlegt, aber es fällt einem nicht wirklich was
Besonderes ein. Ach ja, eine Freundin ist schwanger, aber man hat ja
versprochen, nichts davon zu erzählen, damit nicht innerhalb kürzester Zeit das
ganze Dorf darüber redet. Hat der Sturm im gesamten Land große Schäden
angerichtet, so gingen auf Lesvos nur der ein oder andere Blumentopf zu Bruch;
kam es in manchen Landesteilen zu chaotischen Straßenverhältnissen aufgrund
heftigen Schneefalls, so kam es auf Lesvos nur zu Regenschauern.
Die
einzigen Unregelmäßigkeiten hier, im Norden der Insel, die aber auch nichts
Besonderes sind, werden nunmehr schon seit Monaten durch Straßenbauarbeiten
verursacht: Neue Kanalrohre werden gelegt, und somit ist die Straße von Pétra
nach Anaxos häufig von LKWs und Planierraupen blockiert, was oftmals einen
ganzen Tag dauern kann. Auch im Hafen von Molyvos werden diese Arbeiten
durchgeführt, und er lädt derzeit nicht wirklich zu einem Spaziergang ein.
Tsonia (unterhalb von Clio) ist ebenfalls schwer zu erreichen, weil die Straße
aufgerissen ist. Tja, und die Bauarbeiten an der Burg von Molyvos, die
mittlerweile schon fast 2 Jahre andauern, sind immer noch nicht abgeschlossen.
Also, nichts Neues hier...
Wie in
jedem Jahr, laufen unter den Einwohnern Wetten, ob die Straßen fertig sind, wenn
die ersten Touristen kommen. Durch dieses Chaos, was die Griechen ja immer
wieder gerne schaffen und bezeichnender Weise ein griechisches Wort ist, kann
man sich zu dieser menschenleeren Zeit ja immer wieder einen Weg schaffen, aber
was passiert, wenn die Touristen landen und damit die Reisebusse und die
unzähligen Mietwagen? Dann wird es größere Probleme geben, als Wartezeiten vor
den Baufahrzeugen.
Nun, der
Straßenbau ist aber eine der wenigen Themen, in die sich die Kirche nicht
einmischt, was ja auch nicht nötig ist, denn er nimmt ja immer noch den typisch
griechischen langsamen Weg. Kein modernes Management in Sicht, dass mit
ausgefeilten Ablaufplänen verhindert, dass alle Straßen zur gleichen Zeit
aufgerissen werden und somit eine schnellere Fertigstellung ermöglicht wird.
„Modernisierung“ kommt jedenfalls im Wortschatz der griechisch-orthodoxen Kirche
nicht vor. Allenfalls ist es etwas, das man bekämpfen muss, genauso wie die
Globalisierung, den Schwangerschaftsabbruch ( die Zahl derer ist in Griechenland
sehr hoch), die Menschenrechtsorganisationen, die Sterbehilfe und den Beitritt
der Türkei in die EU. So bleibt die griechische Bevölkerung, die zu 98%
griechisch-orthodox ist, ein Spielball zwischen der Kirche, korrupten
Regierungsmitgliedern und einer handvoll Politikern, die offen sind für moderne
Ideen und einen Neuanfang. Am 7. Februar wird der neue Erzbischof gewählt.
Unwahrscheinlich, dass es ein „moderner“ Bischof wird, denn bei der
erzkonservativen Kirche wird ein solch aufgeschlossener „Mann Gottes“ kaum eine
Chance erhalten, in die engere Wahl zu kommen.
Copyright ©Julie Smit 2008 |