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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Sonnenuntergang in Vafios
15.Juni 2008 -
See- und Frittierölreise
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Totenstille
lag am gestrigen Abend über der Insel (und ich nehme an, über ganz
Griechenland). Das Land ging unter in dem Fußballmatch gegen Russland, und heute
wundert sich ein jeder darüber, wie es so schief gehen konnte. Die Griechen
waren so fixiert darauf, den Titel des Europameisters zu verteidigen, dass
niemand mehr Ohr oder Auge für andere Ereignisse hatte.
Es ist doch
beschämend, dass der originalgetreue Nachbau der „Argo“ seine Segel setzte, ohne
dass auch nur eine einzige Zeitung des Landes darüber berichtet hat. Eine
Augenzeugin berichtete im Blog, dass das Schiff nur mit dem Klang der
Schiffshörner aus dem Hafen verabschiedet wurde.
Das
originalgetreue Wiederaufbauprojekt des 28,5 m langen mythischen Schiffes der
Argonauten auf Grundlage antiker technischer Zeichnungen, verschlang rund 3 Mio
Euro. Das ursprüngliche Vorhaben, durch den Bosporus nach Kolchis zu segeln,
dorthin, wo Jason einst das Goldene Vlies entwendet hat, fiel jedoch ins Wasser,
da die Türkei die Durchfahrt durch die Meerenge nicht erlaubte, mit der
Begründung, dass die Passage zwischen Europa und Asien so stark befahren sei,
dass somit die Sicherheit für ein von Ruderern betriebenes Boot nicht
gewährleistet werden könne.
Die
ursprüngliche Reise von Jason und den Argonauten führte diese im 14. Jahrhundert
vor Christus, der Sage zufolge, von Volos, in der heutigen Region Thessalien,
über Limnos (die nördliche Nachbarinsel von Lesvos), durch den Bosporus, über
das Schwarze Meer nach Kolchis (im heutigen Georgien). Zurück ging es wieder
über das Schwarze Meer und die Donau, quer durch das ehemalige Jugoslawien nach
Ljubljana, der Hauptstadt von Slowenien, von der gesagt wird, dass Jason der
Gründer war. Weiter ging es über die Adria nach Venedig, von dort aus nach
Südfrankreich, dann an der tyrrenischen Küste entlang nach Süditalien, Korfu und
Kreta zurück nach Volos.
Der Nachbau
ist gestern in See gestochen, und die alternative Route sieht so aus, dass er
auf seiner Reise nach Venedig, Chalkida, Piräus, das Kap Sounion, Galaxidi,
Patras, Ithaka, Korfu, Slowenien und Triest passieren wird. 50 Ruderer werden
sich auf ihrer ca. 2-monatigen Reise nach Italien in die Riemen legen, begleitet
werden sie von 22 Reserve-Argonauten in einem anderen Boot.
Wenn die
Argon in Venedig ankommt, werden die Menschen von Athen ihr Augenmerk auf eine
andere sehr bunte Reisengesellschaft richten, und zwar der von „Grease to
Greece“. Eine Brennstoff-umweltfreundliche Rallye, organisiert von Andy Pag aus
London, der bereits zu Weihnachten mit einer Reise nach Mali, in einem nur von
Schokolade angetriebenen Geländewagen, für Aufsehen sorgte.
Start ist
Mitte August in London, Ziel ist Athen. 4.000 km sollen in Autos zurückgelegt
werden, die mit gebrauchtem Frittieröl betankt werden, und nur im Notfall darf
man auf Bio-Diesel zurückgreifen (s.
www.fatfinding.com ).
Der
Organisator will mit dieser Aktion den Beweis dafür geben, dass mit gebrauchtem
Speiseöl selbst große Entfernungen zurückgelegt werden können.
Nebenbei
wird die Reise noch ein riesiger Spaß, denn Grundvoraussetzung für einen jeden
Teilnehmer ist, dass er die Worte dafür finden kann, z.B. dem Besitzer eines
Kebab-Restaurants in Kroatien zu erklären, warum er unbedingt sein gebrauchtes
Frittierfett benötigt. Zu gerne würde ich das Gesicht eines griechischen Kochs
sehen, der nicht nach den von ihm zubereiteten Calamari gefragt wird, sondern
nach dem Öl, in dem er die Köstlichkeit zubereitet hat...
Wenn Sie
nach einem Abenteuer in der Nähe von Lesvos suchen, dann gebe ich Ihnen einen
Tipp: Unternehmen Sie eine Reise nach Agios Efstratios. Diese Insel bildet als
Landgemeinde zusammen mit Limnos und Lesvos die Präfektur Lesvos.
Als die
Argonauten damals nach Limnos kamen, fanden sie eine Insel vor, die nur von
Frauen bevölkert war. Der Sage nach, haben die Frauen alle Männer umgebracht, um
selbst zu regieren. Als ihnen dann die Männer zur Fortpflanzung fehlten,
versuchten sie die Argonauten zu verführen, und somit wurde der Insel durch
diese neues Leben geschenkt. Agios Efstratios, die winzig kleine Insel, 30 km
südlich von Limnos und 70 km nordwestlich von Lesvos entfernt, ist mit seinen
ca. 200 Einwohnern heute noch ohne wirklich viel Leben. Die Geschichte der Insel
ist jedoch größer als sie selbst. In den 30er und 70er Jahren wurden zahlreiche
politische Gefangene dorthin verbannt, unter ihnen der berühmte Komponist Mikis
Theodorakis. Im vergangenen Jahr wurde die Insel Gegenstand eines Streits
zwischen der Nato, Griechenland und der Türkei. Ankara drängte darauf, die Insel
nicht in eine geplante NATO-Übung mit einzubeziehen, da sie eine
demilitarisierte Zone sei. Griechenland legte bei der NATO sowohl auf
militärischer als auch auf politischer Ebene Beschwerde ein, den Türken zu
schnell Gehör geschenkt zu haben, ohne Erfolg.
Inzwischen
ist wieder Frieden eingekehrt auf der felsigen Ägäisinsel, die mit wunderschönen
Stränden ein Paradies für die Griechenland-Urlauber darstellt, die sich nach
nichts als Ruhe sehnen. Die meisten der Einwohner von Agios Efstratios leben im
gleichnamigen Hafenort vom Fischfang, also auch noch eine Oase für die
Fischliebhaber unter Ihnen. Von Limnos aus, ist die Insel täglich mit dem Schiff
zu erreichen, und wenn Sie sich zu einer Reise dorthin entschließen, kreuzen
vielleicht auch die Argonauten Ihren Weg...
Copyright ©Julie Smit 2008 |