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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
“Panagia Glykofiloúsa” in Pétra
28.April 2008 -
Lautsprecher
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Ich gehe
jede Wette ein, dass es die früheren Dorfschreier, die lauthals ihre Botschaft
verkündeten, in Europa nicht mehr zu finden sind. Auf Lesvos gibt es sie jedoch
in einem jeden Dorf mittlerweile in elektronischer Ausführung. Aus
Lautsprechern, die gut verteilt aufgehängt sind, schallen wichtige Mitteilungen
der Gemeinde durch die Gassen, wie z.B., dass aufgrund einer Reparatur Strom
oder Wasser abgesperrt werden, wann die nächsten Ratssitzungen stattfinden oder
wann und wo ein Fest stattfindet. Diese Einrichtung kann aber auch genutzt
werden, um einen entlaufenen Hund wieder zu finden und einen Falschparker vor
den Ohren des ganzen Dorfes aufzufordern, seinen Wagen unverzüglich wegzufahren.
Wir leben
außerhalb des Dorfes, und bekommen nicht zu Gehör, wann es wegen Wassermangels
verboten ist, die Pflanzen zu wässern oder wann ein Konzert stattfindet. Ist
aber auch gut so, denn wenn ich durchs Dorf laufe, und die quäkende Stimme aus
dem Lautsprecher einsetzt, erschrecke ich ein jedes Mal fast zu Tode.
Die
Dorfbewohner sind gewöhnt daran, und für sie ist es ein guter Weg, über die
Vorgänge im Dorf informiert zu werden. Aber für die Menschen, denen die
elektronische Übertragungsart noch nicht so vertraut ist, kann es manches Mal zu
einer Nervenprobe werden, wie jetzt in der Karwoche, weil auch die Kirche die
Lautsprecher nutzt.
Die
Eucharistiefeiern der griechisch-orthodoxen Gemeinden erinnern mehr an lockere
Zusammenkünfte der Dorfgemeinschaft als an Gottesdienste. Während der Priester
die Messe zelebriert, haben die Menschen in der Kirche nur ein Auge und ein Ohr
für ihn übrig, das andere Auge und Ohr widmen sie ihren Mitbürgern. Hände werden
geschüttelt, Nettig- und Neuigkeiten ausgetauscht, die Kinder gerufen, die durch
den Gang laufen und unter den Bänken Verstecken spielen, und es ist ein Kommen
und Gehen wie in der Empfangshalle eines Hotels.
Welch ein
Unterschied zu einer katholischen Messfeier! Wie verhasst war mir der Kirchgang
als Kind... bedeutete es doch, mindestens eine Stunde stillzusitzen, keinen
Pieps von sich zu geben und von dem Vorgetragenen nichts zu verstehen. Wie gut
haben es da die griechischen Kinder. Sie können ungezwungen mit ihren Freunden
umhertollen, und somit haben es auch die Eltern leichter. Ist es da ein Wunder,
dass die Kirchen hier zu Ostern zum Bersten voll sind? Welch eine schöne
Gelegenheit Freunde und Familie zu treffen und die Osterwünsche auszutauschen.
Am
Karsamstag wird das „Heilige Licht“ von Jerusalem aus nach Athen geflogen, von
wo aus es in die Kirchen aller großen Städte gebracht wird, von dort geht es
weiter und weiter in ein jedes Dorf des Landes. Wenn es dann, so gegen 23 Uhr,
die Kirche erreicht hat, kann die Messfeier beginnen. Der Höhepunkt ist
natürlich um Mitternacht, wenn ein jeder unter Glockengeläut seine eigene, für
diesen Zweck mitgebrachte Osterkerze am „Heiligen Licht“ entzünden kann und dann
versucht, sie unbeschadet durch die vom prächtigen Feuerwerk erhellten Gassen
nachhause zu bringen. „Christos anesti !“ („Christus ist auferstanden!“) ruft
man einem jedem zu, der einem begegnet, „Alithós anesti !“ („Er ist wahrlich
auferstanden!“) hallt es freudig zurück. Wie befremdlich der Ostergruß in meinen
Ohren klingt... Ist man in seinem Zuhause angekommen, genießt man die „Majiritsa“,
die Ostersuppe, zubereitet aus den Innereien des Lamms, das anschließend oder am
Ostersonntag vom Grill oder aus dem Ofen serviert wird.
In dieser
Osternacht besuchten wir eine Freundin in Pétra, von deren Balkon aus wir eine
fantastische Aussicht auf die wunderschöne Kirche hatten, die auf dem Felsen in
Petra erbaut ist. Ein weitere Annehmlichkeit war der offene Kamin, denn hat das
Thermometer in den letzten Wochen das ein und andere Mal fast die 30 Grad-Marke
erreicht, so schien in dieser Nacht der Winter wieder zurückgekehrt zu sein.
Als die
Messfeier begann, drang die skandierende Stimme des Priesters durch die
Lautsprecher in das behaglich warme Wohnzimmer. Kann man die
Osterfeierlichkeiten luxuriöser begehen? Um Mitternacht erklang das
Glockengeläut und dann brandete ein gigantisches Feuerwerk auf und ließ tausende
farbenprächtige Sterne explodieren, so dass ich mir vorkam, als sei ich in der
Silvesternacht an einer Gracht in Amsterdam. Frohe Ostern!
In diesem
betörenden Farbspiel begannen die Menschen mit dem Abstieg von dem
Kirchenfelsen, ganz vorsichtig, damit das Licht ihrer Kerzen nicht erlischt. Ich
dachte, nun kehrt Ruhe ein, ein jeder geht heim, um die Ostersuppe zu genießen,
aber der Singsang des Popen drang weiter in unsere Ohren. Inzwischen hatte er
auch noch Verstärkung von einem zweiten Priester bekommen und sie skandierten
noch eine volle Stunde weiter, in der ich mich die Frage stellte, für wen denn
eigentlich noch?
Es war
nicht die einzige Messe, die via Lautsprecher durch die Gassen in die Häuser
drang. Auch all die Gottesdienste in der Karwoche, früh am Morgen und spät in
der Nacht, wurden übertragen. Es gab kein Entrinnen!
Das
„Heilige Feuer“ aus Jerusalem, wird hier als Wunder angesehen. Aber das
Osterwetter ist für mich auch wunderlich, denn es ist schon Tradition, dass die
Vorhersagen für die Feiertage i m m e r schlecht sind. Ein jedes Jahr werden
Kälte und Regen prophezeit (übrigens, übers Wetter informiert der moderne „Marktschreier“nicht)
aber dann, wenn man das „Souvla“ (Lamm am Spieß) organisiert hat, bricht der
Himmel auf, färbt sich azurblau und die Sonne nimmt strahlend ihren Platz am
Himmel ein... Kein Regen, der das Lamm durchnässt, Gäste, die sich im Schein der
Sonne wärmen, wenn das kein Osterwunder ist...
Copyright ©Julie Smit 2008 |