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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
“Plattbauch-Libelle” auf Wildem Lavendel
13.April 2008 -
Unter der Sahara
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Wir leben
wahrhaftig in einer wundersamen Welt, denn derzeit leben wir zwar nicht in der
Sahara, aber wir leben u n t e r der Sahara! Seit einigen Tagen verdunkeln
Sandwolken die Sonne und verdüstern den blauen Himmel. Ob die hohen Temperaturen
auch eine Mitbringsel des Sandes aus der Sahara sind, kann ich nicht mit
Bestimmtheit sagen. Fakt ist, dass ich tief in meinem Kleiderschrank wühlen
musste, um jetzt einige Sommerkleidung hervor zu holen, denn bei 28 Grad ist
selbst ein leichter Pullover zu warm.
Nicht nur
Lesvos leidet unter dem gelben Wüstenstaub, ganz Griechenland und einige Flecken
Europas sind in Mitleidenschaft gezogen. In Athen riet man den Menschen, die
Atemwegserkrankungen haben, in ihren Häusern zu bleiben.
Jemand der
sich über dieses Wetter freut, ist unser Freund und Libellen-Professor Wolfgang
Lopau: Wird sich die in Afrika beheimatete „Schabrackenlibelle“ (Anax ephippiger)
mit dem Saharasand auf den Weg machen? Wolfgang Lopau bereist so viel, wie er
kann, die griechischen Landschaften, um die Libellenplätze zu erkunden und zu
katalogisieren. Sein Ausgangspunkt ist Lesvos, wo er einen großen Teil des
Jahres lebt. Allein hier sind 46 Libellenarten beheimatet, ein Vorkommen, wie
auf sonst keiner griechischen Insel, und somit wurden auf Lesvos auch die
meisten Libellenforschungen durchgeführt.
Was hatten
wir für eine Freude, dass wir unseren Freund nun zu einem unserer
Lieblingsplätze auf der Insel führen konnten, einem Ort, den er noch nicht
kannte, und der von sehr großem Interesse für ihn war, denn dort sorgt der
lehmige Boden dafür, dass es da selbst im heißesten Sommer kleine Teiche gibt.
Palios ist
eine Region, die unterhalb von Mandamados, Richtung Mytilini, liegt. Schon bei
Clio stößt man auf einen Teich, der die lehmige Bodenbeschaffenheit verrät.
Dieses Gebiet zieht sich kilometerweit bis zum Meer hin, und es ist eine
Landschaft mit niedrigen Mastixsträuchern, Erdbeerbäumen, wild wachsendem
Lavendel und Cistus-Gewächsen. Kleine Teiche schenken Fröschen, Schildkröten,
Enten und Libellen ein wohliges Zuhause.
In der Nähe
des Dorfes Palios befanden sich früher Gräber, die jahrtausende alt waren. Ich
weiß jedoch nicht, ob sie es immer noch da sind, denn die dortigen aus Stein
gehauenen Quader ähneln denen, die man in Molyvos ausgegraben hat. Es gibt
Wissenschaftler, die behaupten, dass es sich dabei um so eine Art Heißluftöfen
handelt, in denen man aus Lehm geformte Gegenstände, mit Hilfe der Sonne,
gebrannt hat. Bei dem Lehmvorkommen, erscheint mir diese These schon als
ziemlich wahrscheinlich.
Jedenfalls
war Wolfgang Lopau mit soviel Wasser sehr zufrieden. Man konnte ihm regelrecht
ansehen, wie in seinem Kopf die Frage kreiste, welch Libellenarten sich dort
versteckten.
Die Libelle
legt ihre Eier in den Modder, direkt unter der Wasseroberfläche oder verteilt
sie auf dem Teich. Aus den Eiern schlüpfen Larven, die sich siebenmal häuten,
was in einer Zeit zwischen 5 Monaten und 5 Jahren vonstatten geht. In diesem
Stadium versteckt sich die Larve im Wasser. Um den Monat Mai herum, schält sich
die Larve ein letztes Mal, und die Libelle krabbelt eigenständig heraus und
schwingt sich unmittelbar nach dem Schlüpfen in die Lüfte, jedoch nur kurz, mit
dem Ziel, eine geeignete sonnige Stelle zu finden, um ihre Flügel zu trocknen.
An diesem
Apriltag konnten wir schon einige Exemplare der „Frühen Heidelibelle“ (Sympetrum
fonscolombii) ausmachen, die das warme Wetter vorzeitig angelockt hatte. Auch
der „Plattbauch“ (Libella depressa) hatte bereits seine letzte Haut abgestreift
und suchte mit feucht glitzernden Flügeln einen Platz an der Sonne.
Mit ihren
fragilen durchsichtigen Flügeln und dem leuchtenden farbenfrohen Körper, kommen
die Libellen mir vor, wie Fabelwesen. Ihr Lebensraum sind Teiche und Seen,
obwohl es auch einige Mutige gibt, die sich an Flüssen niederlassen. Also, wenn
Sie Libellen aufspüren möchten, müssen Sie nach Wasser suchen. Eine sehr
interessante Unternehmung in Griechenland. Wolfgang Lopau hat gelernt, es der
Landschaft anzusehen, ob sie über Gewässer verfügt. So ist z.B. der Oleander
meist ein sicheres Anzeichen dafür. Eine weitere Möglichkeit ist, die Bewohner
der jeweiligen Gebiete zu befragen. Sie wissen zwar mal gerade, was das für
Tierchen sind, aber, wenn der Libellenforscher Lopau sein Buch rausholt und
ihnen darin Bilder und Artenvielfalt zeigt, dann verraten sie ihm gerne, wo der
eine und andere kleine Teich verborgen liegt.
An dem Tag,
als wir Palios besuchten, waren wir vor dem Saharasand da, und die Sonne lachte
unbeeinträchtigt vom blauen Firmament. War auch die Zeit der Libellen noch nicht
angebrochen, so entpuppte sich unser Begleiter auch noch als eine reiche
Wissensquelle auf einem anderen Gebiet: Der Vogelkunde. Obwohl ich auf einer
Insel lebe, die berühmt ist für seine Artenvielfalt, kenne ich mich mit damit
nicht so gut aus. Es ist jetzt die Zeit, wo Vogelkundler aus allen Ländern auf
die Insel strömen, um sich auf die Suche nach den 320 Arten zu machen, die hier
leben, oder ihren Flug in andere Länder auf Lesvos für einige Zeit unterbrechen.
(Zahl gem. der Bibel der Ornithologen „Birding on the greek island of Lesvos“
von Richard Brooks – leider nur in englischer Sprache verfügbar).
Und so
konnten wir, dank unseres Professors, obwohl unsere Blicke auf Suche nach
Libellen und Orchideen ( Palios ist voll von einigen Orchideensorten)
hauptsächlich auf den Boden gerichtet waren, auf unserem Ausflug auch die
Bekanntschaft einer nicht kleinen Anzahl Luftbewohner machen, die da heißen:
„Schwarzstorch“ (Ciconia nigra), „Rostgans“ (Tadorna Ferruginea), „Grauortulan“
(Emberiza caesia), „Haubenlerche“ (Galerida cristata), „Nebelkrähe“ (Corvus
corone sharpii), „Seidenreiher“ (Egretta garzetta) und „Mittelmeer-Steinschmätzer“
(Oenanthe Hispanica).
Tja, diese
Namen muss man sich erst einmal ausdenken, oder? Hier noch einige weitere
Bezeichnungen für kleine Tierchen, die hier auf Lesvos wohnen:
„Blauflügel
Prachtlibelle (Caloteryx virgin), „Blaue Federlibelle“ (Platycnemis pennipes),
“Große Pechlibelle” (Ischnura Elegans), „Schabrackenlibelle“ (Hemianax
ephippiger), „Feuerlibelle“ (Crocothemis erythraea).
Willkommen
auf der Libelleninsel! Ein weiterer Teil der Natur, auf den unsere Insel stolz
sein kann und der Lesvos zu einem ganz besonderen Eiland macht.
Copyright ©Julie Smit 2008 |