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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Revolution

 

9.Dezember 2008 - Revolution

Aus dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski 

 

Nennen die Medien in Griechenland die Ereignisse der letzten Woche eine Katastrophe, so bezeichne ich sie als Revolution. Hat die Finanzkrise in der restlichen Welt Politik und Wirtschaft auf „natürlichem“ Weg ins Wanken gebracht und in Frage gestellt, so versuchen die jungen Leute hier in Griechenland nun auf ihrem Weg Regierung und Bevölkerung darauf hinzuweisen, dass auch in ihrem Land etwas völlig verkehrt läuft.

 

Am Samstag, den 6. Dezember, wurde bei einer Demonstration gegen die Regierung ein 15-jähriger Junge durch eine Polizeikugel getötet und löste die Revolution aus: Massenproteste in allen großen Städten, verbunden mit schweren Unruhen und zerstörerischen Ausschreitungen.

 

Manch einer tat dies einfach damit ab, dass die Unruhestifter wieder die Anarchisten seien, aber schaute man bei den TV-Übertragungen genau hin, so musste man sich doch fragen, woher Griechenland auf einmal solche Massen von Anarchisten hat. Natürlich sind es nicht nur sie allein, die da so plötzlich aktiv werden. Schon seit Jahren verüben Autonome in der griechischen Hauptstadt fast jede Nacht Brandanschläge. Ihre Attacken richten sich gezielt gegen Banken und Polizeistationen. Besonders das Athener Viertel „Exarchie“ ist dafür bekannt, dass dort solche Ausschreitungen an der Tagesordnung stehen.

 

Der Tod des 15-jährigen Teenagers, ist eine Tragödie, aber eigentlich hätte die Regierung damit rechnen müssen, dass eines Tages so etwas Schreckliches passiert. Geraume Zeit versuchten Aktivisten mit friedlichen Aktionen auf die Missstände im Land hinzuweisen, wie z.B. im letzten Jahr in Thessaloniki, wo maskierte Jugendliche, aus Protest gegen die hohen Preise, regelmäßig Supermärkte plünderten, um ihre Beute dann auf der Straße an Passanten zu verteilen.

 

Aber die Regierung war taub und blind dem gegenüber und zeigt sich ebenso unbeeindruckt von all den vielen Streiks, die das alltägliche Leben in Griechenland so oft lahm legen. Jetzt ist die Wut der jüngeren Generation eskaliert und stellt sich massiv gegen die Ignoranz der Regierung. Es ist genug mit Versprechungen, die nie eingehalten wurden und mit den politischen Skandalen, die unter den Tisch gekehrt werden. Welche Zukunftsaussichten haben denn auch diese jungen Menschen in einer Gesellschaft, wo Politiker und Beamte sich mit ihren Machenschaften die Taschen voll stopfen und in dem die Bevölkerung Jahr für Jahr immer wieder diese Korruptionen mit ihren Wählerstimmen unterstützt.

 

In der letzten Nacht, der dritten in Folge dieser „Katastrophe“, schien Athen zu brennen: Geschäfte, riesige Weihnachtsbäume, Autos, Banken, das Büro von „Olympic Airways“, ein Hotel und sogar ein Appartementkomplex, alles stand in Flammen!

 

Die Polizei hatte den Befehl bekommen, sich zurückzuhalten, was sie auch tat. Trotzdem sie sich vor dem Regen aus Steinen und den Molotowcocktails schützen musste, stand sie in Gruppen, augenscheinlich ganz gelassen, vor den Randalierern und wehrte sich nur im äußersten Notfall.

 

Auch die Regierung hielt sich angesichts dieser „Katastrophe“ zurück. Das Einzige, was Ministerpräsident Karamanlis gestern von sich gab, war, dass der Staat die Öffentlichkeit beschützen wird. Nun, und wie, das konnte man ja dann auch auf den Bildschirmen verfolgen: Nicht ein einziges Geschäft wurde beschützt. Schutz, wo vor? Vor einem geldgeilen Kloster, das den Staat erst kürzlich um 100 Mio Euro erleichterte oder vor korrupten Staatsdienern, die ihr Geld im Schlaf verdienen? Oder gar gegen die Explosion der Preise? Ein Viertel der griechischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze und ihr Land hat sich zu einem der teuersten in Europa entwickelt.

 

Während ich gestern Abend immer und immer wieder betroffen die TV-Bilder von brennenden Geschäften, Autos, Mülltonnen und Weihnachtsbäumen sah, fiel mir mehr und mehr auf, dass die Reporter bei all den Menschen, die sie auf den brennenden Straßen interviewten, die jungen Leute ausließen. Nicht ein Jugendlicher wurde aufgefordert, seine Meinung zu sagen oder gar eine Erklärung abzugeben. Natürlich versuchen Regierung und Medien nun, die Schuld für all die Zerstörung kleineren Gruppen von Unruhestiftern in die Schuhe zu schieben, und so sendet man kaum Bilder von den unzähligen Jugendlichen, die derzeit in Massen im gesamten Land auf die Straßen gehen, um friedlich zu demonstrieren.

 

Obwohl man sich hier auf Lesvos normalerweise nichts davon anzieht, wenn es mal wieder Streiks oder Unruhen in Athen gibt, so ist es dieses Mal anders: Auch in Mytilini und Kalloni gingen die jungen Leute aus Protest auf die Straße. In Mandamados errichteten sie sogar eine Straßensperre, um ihren Unmut zu äußern. Ansonsten aber ging das Inselleben seinen gewohnten Gang, während es in der griechischen Metropole brannte: Die Oliven wurden gepflückt und die Netze leergeschüttelt. In den Wohnzimmern laufen die Fernseher und zeigen immer und immer wieder die schrecklichen Bilder von den Unruhen, begleitet von den schreienden Kommentaren und Diskussionen der immer und immer wieder gleichen TV-Persönlichkeiten.

 

Es wird noch lange dauern, bis die Wunden dieser „Katastrophe“, wie man die Tumulte nennt, verheilt sind. Kein Mitglied der Regierung wagt sich, das Wort „Revolution“ in den Mund zu nehmen, würde man dann ja zugeben, dass da was gewaltig faul ist im Staate Griechenland und es besteht doch keineswegs die Absicht, die Regierung zu Fall zu bringen... Oder etwa doch?

 

Copyright ©Julie Smit 2008