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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
6.Januar 2008 -
„Kreuz-Wurf“
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Es ist schon ein sehr
komisches Gefühl, wenn man – wie üblich – morgens nach dem Aufstehen, den
Computer anstellt, um die Tageszeitung im Internet aufzuschlagen, und einem dann
die folgende Schlagzeile ins Auge springt: „Griechenland von schwerem Erdbeben
erschüttert!“. Ich hatte aber prima geschlafen, und auch mein umherschweifender
Blick bestätigte, dass alles ganz normal war. Es wäre ja nicht das erste Mal
gewesen, dass ein derartiges Naturereignis mich aus dem Schlaf gerissen hätte.
Es ist halt so, als würde jemand fest an meinem Bette rütteln. Meistens drehe
ich mich aber dann einfach auf die andere Seite und schlafe mit dem Gedanken
wieder ein, dass es schon nicht so schlimm sein wird.
Dieses Erdbeben scheint
jedoch anderenorts von größerem Ausmaß gewesen zu sein, denn viele Menschen
rannten aus ihren Häusern auf die Straße. Besonders in Athen, wo man sich noch
allzu gut an die Katastrophe 1999 erinnert, reagierten die Bewohner panisch.
Damals forderte das Erdbeben über 100 Todesopfer (in der Türkei ließen Tausende
ihr Leben). An diesem Sonntagmorgen befand sich das Epizentrum bei Leonidion/Peleponnes,
und die Richterskala zeigte 6,5 an. Die Erde bebte so stark, dass auf Inseln,
wie Karpathos, Kythira und Kreta schwere Sachschäden entstanden. Die BBC
berichtete von einem Paar, dass aus seinem Haus floh und aus der Ferne
beobachten musste, wie ein aus den Bergen herabstürzender riesiger Fels, ihr
Heim unter sich begrub. Na, welch ein grauenhaftes morgendliches Erwachen... Man
könnte meine, dass die „Kalikanzari“ am Werk waren, jene garstigen Kobolde, von
denen man sagt, dass sie den Menschen zwischen Weihnachten und dem 6. Januar das
Leben zur Hölle machen.
Heute ist ein Tag, über den
man jedes Jahr schreiben könnte. In manchen Ländern ist heute der
Drei-Königs-Tag, in Griechenland wird er „Epiphani“ genannt. Man gedenkt hier
der Taufe Jesu und feiert an diesem Tag die „Herabkunft des Heiligen Geistes“.
Es wird gesagt, dass die Ost-Kirchen am 6.1. (nach dem julianischen
Kalender)Weihnachten feierten. Epiphani ist auch der Tag, an dem die Priester
Griechenlands durch ihre Dörfer und Städte ziehen, gefolgt von einem jeden, der
Rang und Namen hat. Der Pope trägt ein Kreuz und ein Sträußchen Basilikum in
seinen Händen und was und wer seinen Weg kreuzt, wird von ihm gesegnet. Die
Prozession endet am Ufer des Meeres (hier in Molyvos der Hafen), wo das Wasser
und die Boote den Segen empfangen. Jetzt kommt es zum eigentlichen Höhepunkt des
Tages: Der Priester wirft das Kreuz ins Meer/Hafenbecken und einige abgehärtete
junge Männer tauchen danach. Derjenige, der unter dem Gejohle und Beifall der
versammelten Dorfgemeinschaft das Kreuz wieder herausfischt, wird mit etwas Geld
belohnt.
Epiphani ist der Tag an dem
die Kalikanzari bis zum nächsten Weihnachtsfest wieder verschwinden. Über diese
Klabautermänner, die die Menschen an 12 Tagen ab Heiligabend mit ihren Streichen
ärgern, habe ich schon einmal berichtet. (s. Lesvos-News vom 18.12.2006).
Nachdem die Griechen in der
Prozession durch ihr Städtchen gezogen sind, wird der Tag noch mit einem großen
Mahl begangen, als Schlusspunkt all der Festtage.
Der so genannte
„Drei-Königs-Kuchen“ ist dann schon lange verspeist. „Vasilopita“ ist ein
traditioneller Kuchen, in dem eine Münze oder eine Bohne versteckt wird und dem
Finder Glück für das neue Jahr bringen soll. Angeschnitten wird er am
Neujahrstag. Tja, und obwohl die drei weisen Männer auch ihren Platz an der
griechischen Krippe haben, einen Ehrentag hat man ihnen in diesem Land nicht
eingeräumt. Zwar findet man sie ab und an bei der einen oder anderen Prozession,
aber da sieht man auch die „Kalikanzari“, die als haarige Trolle, Äffchen oder
böse dreinschauende Zwerge dargestellt werden. In einigen Gebieten Griechenlands
erinnern diese Prozessionen an muntere Karnevalsumzüge.
In Molyvos ist es nur der
Priester, der, gefolgt von der Prominenz im Sonntagsstaat und auf
Pfennigabsätzen, durch das Dorf zieht. Dieses Mal verlieh der Schein der Sonne
dem Ganzen einen festlichen Glanz. Die große Kälte hat sich verzogen, so dass
die Menschen sich an dem Aufmarsch und dem „Kreuzwurf“ erfreuen konnten, ohne zu
frieren.
Morgen gibt es wiederum
einen Grund zu feiern: Es ist der Namenstag von Yannis. Ein Name, den viele
Griechen tragen. Ein weiterer Anlass für ein festliches Abendessen. Dann warten
wir auf den Karneval, mit dem der Frühling Einzug hält, ja und dann, dann wird
es endlich wieder Sommer...
Copyright ©Julie Smit 2008 |