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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Der Blauregen in der Agora von Molyvos
13.August 2007 -
Streit unter der Sonne
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Die
Hochsaison ist in vollem Gange. Sogar auf dem sonst so ruhigem Lesvos passiert
es, dass man derzeit in einen Verkehrsstau geraten kann. Ein Auto zu mieten, ist
inzwischen unmöglich, auch ein Motorrad ist nicht mehr zu bekommen, und tausende
von Autos der griechischen Besucher vom Festland verstopfen die Straßen.
Lebensgefährlich werden die Verkehrswege durch die verrückten Burschen, die
glauben, den jungen hübschen Frauen imponieren zu können, wenn sie mit Vollgas
und quietschenden Reifen durch die Gegend brausen.
Auf die
neueste Verkehrsbehinderung stößt man an der Küstenstraße von Petra, wo 2
Strandcafés dermaßen viel Publikum anziehen, dass die rechts und links parkenden
Autos und die ankommenden und weggehenden Badegäste die Straße nahezu
unpassierbar machen.
Letztes
Jahr eröffnete die erste Beach-Bar. Aufgrund der dröhnenden überlauten
Bum-Bum-Musik, war es mehr eine Attraktion für junge Leute. Dieses Jahr drehte
man die Lautstärke etwas herunter, aber eine 2. Strand-Lokation eröffnete und
lockte mehr und mehr Besucher an. Mensch, was war Petrá einst ein ruhiges
beschauliches Städtchen, und jetzt entwickelt es sich nach und nach immer mehr
zu einer Touristen-Hochburg. Ich bezweifele, ob ein jeder so glücklich darüber
ist. Es gibt doch eigentlich genügend Disko-Inseln in griechischen Gewässern, wo
sich die jungen Leute austoben können. Ich jedenfalls hoffe inständig, dass
Petra nicht Vorbote dafür ist, dass sich auch Lesvos in eine solche Szene-Insel
verwandeln wird.
Mit
Ausnahme der Beschwerden von treuen Liebhabern des Dorfes Petra, die sich in
Ruhe und Beschaulichkeit gestört fühlen und die Sorgen über die rasenden
Papagallos, geht es weiterhin recht friedlich zu auf der Insel. Im krassen
Gegensatz dazu steht derzeit der Strand von Hellenikon, nahe bei Athen. Letzten
Samstag gerieten Strandbesucher und Gemeindemitarbeiter in heftigen Streit mit
Rausschmeißern von Nachtclubs, die ihnen den freien Zugang zum Strand verwehren
wollten.
Am Anfang
der Saison trat der Bürgermeister von Agios Kismas, der Gemeinde, zu der auch
der Hellenikon-Strand zählt, in einen Hungerstreik, um für einen kostenlosen
ungehinderten Zugang zum Meer zu protestieren. Die örtlichen Nachtclubs, mal
abgesehen davon, ob illegal oder legal, hatten sich auch tagsüber des Standes
bemächtigt und forderten gepfefferte Eintrittspreise. Ungeheuerlich ist, dass in
der letzten Woche, die Nachtclubbesitzer, trotz aller Proteste der Stadtbezirke,
Recht bekamen. Es ist aber eigentlich ein ungeschriebenes Gesetz, dass eine jede
Person freien Zugang zu allen Stränden des Landes haben soll. Bedroht wird
dieses Gesetz von Menschen, die Kapital schlagen möchten und von Politikern, die
sich nur allzu gern finanziell schmieren lassen.
Nein, das
griechische Recht ist noch weit davon entfernt, europäisch geleitet zu werden.
Nehmen wir zum Beispiel den Streit in Eftalou: Sie erinnern sich? Voriges Jahr
leiteten 2 Schwestern, die sich 2- 3 Monate in ihrem „Sommerhaus“ in Eftalou
aufhalten, rechtliche Schritte gegen ihren direkten Nachbarn, die Taverne
„Anatoli“ ein. Sie brachten zur Anzeige, dass der nunmehr seit Jahren bestehende
neue Anbau ohne Baugenehmigung errichtet wurde und der Betreiber Angelos keine
Lizenz für das Restaurant, sondern nur für eine Cafeteria habe.
Monate
dauerte der Rechtsstreit an. Bis tief in den Winter hinein rechnete man täglich
damit, dass die Türen der Taverne versiegelt werden. Mit Beginn des neues Jahres
sah es dann endlich so aus, als könne das Geschäft weiter betrieben werden. Aber
mit der Saison kehrten auch die Schwestern wieder zurück und nahmen den Kampf
wieder auf. Nun sind dem Bürgermeister die Hände gebunden, und Tatsache ist,
dass das „Anatoli“ zum Ende des Monats die Pforten schließen muss.
Illegale
Gebäude gibt es zuhauf auf Lesvos, und es gilt das Motto, solange kein Kläger,
solange kein Richter, und es passiert nichts weiter. In diesem konkreten Fall
zählt auch der Paragraph nicht, der besagt, dass, wenn ein illegales Gebäude
seit Jahren steht, es eine nachträgliche Genehmigung erlangen kann.
Ohne Frage,
hat Angelos mit dem ungenehmigten Bau einen großen Fehler gemacht. Aber sollte
man nicht auch daran denken, welche Bedeutung das Restaurant seit vielen Jahren
für Molyvos hat? Das „Anatoli“ ist die einzige am herrlichen Stand von Eftalou
gelegene Taverne, die ganzjährig geöffnet hat. (Die Eftalou-Taverne schließt für
einige Zeit im Winter), und es ist ein beliebter Platz für Tagesausflügler, die
es an schönen Wochenenden nach Molyvos zieht. Das „Anatoli“, ein einzigartiger
Punkt, direkt am Meer, mal abgesehen von der hervorragenden Küche.
Nun, wer
sollte sich vom „Anatoli“ gestört fühlen, bis auf die beiden Schwestern, die 2-3
Monate im Jahr auftauchen, sich in ihrem Haus verrammeln und nur morgendlich
herauskommen, um ein kurzes Bad im Meer zu nehmen? Ich fühle mich vielmehr durch
sie gestört: Durch ihren wüstenhaften Garten, in dem nicht eine Blume blüht und
wo Strauch und Baum alle 2 Jahre gekappt werden. Ich fühle mich auch gestört
dadurch, dass die Fensterläden immer geschlossen sind, bis auf die kurze Zeit
ihrer Anwesenheit.
Apropos
Baumschnitt: In der Agora von Molyvos ist ein Teil der prachtvollen Wysteria
(Blauregen) vom Rückschnitt bedroht. Diese, wahrscheinlich schon 200 Jahre alte
Schling- und Kletterpflanze, die zu Beginn eines jeden Sommers die gesamte Agora
mir ihren herrlich duftenden und farbenprächtigen Blüten umrahmt, scheint ein
Haus zu beschädigen, und der Besitzer sieht keinen anderen Ausweg, als diese
antike Pflanze zu kappen. Für Jahre haben die verschiedenen Bürgermeister dies
zu verhindern gewusst, aber nun hat der Eigentümer wohl einen Weg gefunden, dass
der 1. brutale Schnitt durchgeführt werden soll. Sind auch Sie gegen diese
Zerstörung? Dann senden Sie mir bitte eine E-Mail, ich werde sie an den
zuständigen Ausschuss weiterleiten.
Es ist doch
ein Jammer, dass niemand auf die Eftalou-Schwestern Einfluss nehmen konnte, und
es ist so bitter, dass es hinsichtlich des faszinierenden Blauregens keine
andere Lösung zu geben scheint. Gewiss ist aber, dass man in Griechenland
entweder Geld oder Freunde in einflussreichen Positionen haben muss, und dann
läuft es schon so, wie man es sich wünscht.
Copyright ©Julie Smit 2007 |