Es ist kalt. Die Temperaturen sind
rapide von 28 auf 18 Grad gefallen, Stürme peitschen das Meer auf und verwandeln
es in eine weiße tosende Wassermasse. Ein faszinierend schöner Anblick, der
jedoch erstmalig den Winter spüren und wissen lässt, dass das Ende des Sommers
bald naht.
In ein paar Tagen jedoch, soll das
gute griechische Wetter wieder zurückkommen und die Normalität wieder Einzug
halten: Die Wahlen sind vorüber, die Kinder gehen zur Schule und der Herbst kann
kommen.
Früher war das anders. Da dauerte die
Sommerzeit bis zum 15. Oktober und ganze Dörfer siedelten alljährlich, am 15.
Juni, über, an die Küste, wo sie bis Mitte Oktober den ganzen Sommer
verbrachten. So beschreibt die australische Schriftstellerin Betty Roland in
ihrem Buch "Lesbos, the pagan island", wie in den 60er Jahren nicht nur alle
Bewohner mit Sack und Pack Eressos verließen, sondern gleichzeitig auch jedwede
Geschäfte auf Eselskarren und Autos nach Skala Eressos verfrachtet wurden.
Ich habe mich eh schon immer gefragt,
warum es so wenig Dörfer gibt, die direkt am Meer liegen. Nun, die Antwort ist
leicht gefunden: Die Berge boten Schutz vor Plünderungen durch Piraten. Lesvos
war im 15. Jahrhundert sogar ein Piratennest, angeführt durch die berühmt
berüchtigten Seeräuber-Brüder Barbarossa, die von Papados aus an den Golf von
Gera kamen und das gesamte Mittelmeer unsicher machten.
Skala bedeutet "Treppe", und so war
Skala die Stufe zum Meer. Eressos und Skala Eressos, Kaloni und Skala Kaloni,
Sykaminia und Skala Sykaminia, Kydonis und Skala Kydonis, Loutra und Skala
Loutra, Polichnitos und Skala Polichnitos. Skoutaros kann kein Skala bieten, die
Sommerresidenz dieses Dorfes ist Anaxos, so wie dies für Antissa Gavathas oder
Alt-Antissa und Clio die Ortschaft Tsonia ist.
Die meisten Sommerdörfer haben sich
inzwischen in wahre Touristenzentren verwandelt. Besonders Anaxos: Einst ein
idyllischer Strand mit vereinzelten Sommerhäuschen, ist es nun zupflastert mit
Appartementanlagen und Hotels. Die Dörfer, die damals im Sommer verlassen
wurden, sind nun nicht mehr menschenleer, und ich wette, dass so mancher
Grieche, der nun unter der glühenden Sommerhitze leidet, sich zu der guten alten
Zeit zurücksehnt, in der er die warmen Monate mit seinem Dorf am Meer
verbrachte.
Die wenigen Dörfer auf Lesvos, die an
der Küste liegen, wie z.B. die Hauptstadt Mytilini, verfügen über eine Festung,
die ihnen damals Schutz bot. Das bekannteste dieser Dörfer ist Molyvos mit
seinem Kastell. Das Nachbardorf Petra, liegt zwar auch am Meer, jedoch ist es
ohne Burg. Vermutlich ist es die Marienkirche, hoch oben auf dem Felsen in der
Mitte des Ortes, die die Bewohner schützt.
Ein Küstendorf, in dem ebenfalls eine
Burg steht, ist Sigri. Sigri ist bislang verschont vom Massentourismus und liegt
entlegen, fast einsam, am westlichsten Punkt der Insel. Viele Touristen werfen
wahrscheinlich nur einen kurzen Blick in diesen Ort, wenn sie mit großen
Reisebussen zum Versteinerten Wald und danach zu dem dazugehörigen Museum in
Sigri gebracht werden. Sehr bedauerlich, denn Sigri hat über diese Attraktion
hinaus noch so viel mehr zu bieten.
Sigri ist das einzige weiße Dorf auf
Lesvos. Die weißgekalkten Häuser schauen fröhlich Richtung Hafen, in dem auch ab
und an ein Fährschiff anlegt. Im Sommer sind einige urige Tavernen geöffnet, von
denen die meisten als Spezialität den berühmten hiesigen Hummer auf der
Speisekarte führen. Im Winter ist allein die Taverne am Hafen geöffnet.
Auf Nisiopi, dem lang gestreckten
Inselchen vor Sigri, das das Dorf vor der Wucht des Meeres schützt, sind auch
einige versteinerte Bäume zu bewundern. Der Hafen selbst wurde früher beschirmt
durch das türkische Kastell, das 1746 durch den Sultan Mehmet erbaut wurde.
Besonders eindrucksvoll, die riesigen Eingangsportale. Auch die große Kirche
Agia Triada stammt aus der Zeit der türkischen Besatzung und war tatsächlich
einst eine Moschee. Links vom Kastro liegt eine malerische Bucht, feinsandig und
versteckt vor dem Wind, der Sigri allzeit im Griff zu haben scheint.
Dieser Wind
dreht jedoch voll auf am Strand von Faneromeni, im Norden von Sigri. Meterhohe
Wellen, ein bislang unentdecktes Surferparadies. Am Anfang des Strandes liegen
Felsen, die sich in allerlei Formen winden und krümmen. Betrachtet man sie aus der Nähe, so
ist deutlich zu erkennen, wie sich vor langer langer Zeit Lava und Marmor einst
umarmten. Die bunten Linien bilden ein schönes und farbenfrohes Design auf dem
Gestein. An der anderen Seite des Strandes ist die kleine Kirche von Zoedochos
zu finden, die um eine Grotte gebaut ist. Hinter dem Strand, rund um den Fluss
Tapsas wird man überrascht von grünen Feldern und einem Gebiet, das mit
Rebstöcken, Feigen- und Mandelbäumen aufwartet. Die kleinen Wege sind eingefasst
von meterhohem Schilf, das sich vorbeugt und somit schattige kühle Tunnel
bildet.
Auch für die schönste Aussicht der
Insel, muss man sich auf den Weg nach Sigri machen. Nehmen Sie die Straße von
Sigri nach Eressos, die durch eine raue und kahle Bergwelt führt. Wenn Sie die
Höhe des letzten Berges überwunden haben, entfaltet sich vor Ihren Füßen das
Tal, in dem Eressos liegt: Bizarr gezackte Berggipfel, leicht abfallende
Berghänge in gelbbraunen Farbtönen, die Häuschen, strahlendweiß leuchtende
Punkte, die die Landschaft sprenkeln, ein grünes Band aus Bäumen, das sich durch
die Natur schlängelt, überall dort, wo es Wasser gibt. Ein Panorama, das einem
den Atem nimmt.
Ich kann einfach nicht verstehen,
warum Sigri noch nicht von Touristen überlaufen ist. Es ist ein so entzückendes
Dorf mit traumhaften Stränden und guten Tavernen. Aber wahrscheinlich ist es
auch gut so: Ein unverdorbenes ursprüngliches Dorf, unverbaut und ohne
Souvenirshops. Ein idyllisches Plätzchen, in dem der salzige Wind anscheinend
nicht nur die Häuser, sondern auch die Köpfe der Menschen kühl hält und sie
nicht geldgierig werden lässt.
Im krassen Gegensatz dazu, der
Stadtbezirk Zacharoa, wo bei den August-Bränden auf dem Peleponnes die meisten
Menschen Opfer der Flammen wurden. Letzte Woche wurde doch wahrhaftig bekannt,
dass die Gemeinde zusammen mit dem Finanzministerium einen Vertrag mit
Projektentwicklern darüber geschlossen hat, dass das verbrannte Gebiet an der
Küste nun doch wieder aufgebaut werden soll. Für hunderte illegal errichtete
Gebäude sollen nachträglich Genehmigungen erteilt werden und die Planung
weiterer Objekte wurde aufgenommen. Begründet wurde dies mit dem großen Nutzen
für die lokale Wirtschaft. Sollten die Brandstifter nun doch erreicht haben, was
sie mit ihrer schrecklichen Tat bezweckten? Die Region ist jedoch ein Bereich,
der unter den europäischen Naturschutz fällt. Zum Glück sah die griechische
Regierung nach den Wahlen noch rechtzeitig, welch ein Fehltritt da begangen
worden ist, und ein anderer Minister erklärte die Verträge einige Tage später
für ungültig.
Ohne Wissen von den fiesen
Machenschaften, die sich in seiner Gemeinde abspielten, ist am letzten
Wochenende der Bürgermeister von Zacharo an seinen schweren Verbrennungen
gestorben, die er sich zuzog, als er sich dem Kampf gegen die Flammen stellte...