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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
14.Mai 2007 - Hundeleben
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Vor einiger Zeit las ich das Buch „Merle´s door“ des amerikanischen Schriftstellers Ted Kerasote, Untertitel: „Lektionen eines frei denkenden Hundes“. Der Autor fand den Hund als Welpen, bei einem Kanu-Trip in Amerika, und entschloss sich, ihn aufzunehmen. Zwischen den beiden entwickelte sich eine sehr enge Beziehung, die in einem Experiment endete: Ted Kerasote gestand dem Hund so viel Freiheit, wie möglich, zu, z.B. baute er eine Katzentür ein, so dass Merle kommen und gehen konnte, wann immer ihm danach war. Es ist ein
bewegendes Buch, voller Hunde-Weisheiten und die Betrachtung des Hunde-Verhaltens unter philosophischen und psychologischen Geschichtspunkten. Eine Hundekennerin bin ich nicht, und auch an Tierpsychologie habe ich mich noch nicht herangetraut, aber ich kann mitreden, wenn es darum geht, Hunden die nötige Freiheit zu lassen. Unsere Hunde, Albino, Whisky und Rocky, genießen jedenfalls genau so viel Ungebundenheit, wie Merle. Z.B. habe nicht ich die Hunde erwählt, sondern sie uns, denn eines Tages waren sie einfach
da und wollten etwas zu fressen. Tja, und dann haben sie wohl gedacht:“ Welch ein nettes Haus, hier bleiben wir.“ Ich möchte erwähnen, dass weder Hund noch Katz in unser Haus dürfen, aber wir lassen sie auch nicht frieren. Sobald der Winter naht, zimmern wir Häuschen für sie, stellen sie auf unsere überdachte Terrasse und somit sind sie vor Wind, Regen und Kälte geschützt. Im Winter ist in Eftalou nichts los. Eine Handvoll Wanderer, ab und an ein Jogger und hier und da ein Auto, das ist es dann aber auch schon.
Die Hunde hängen am Haus herum, tollen miteinander umher und warten darauf, dass wir einen Spaziergang machen, damit sie was erleben. Noch vor 3 Wochen, als ich morgens aus der Tür trat, wurde ich unmittelbar von 20 schreienden Katzen und 3 quengelnden Hunden belagert, die nach meiner Aufmerksamkeit verlangten. Jetzt hat die Saison begonnen, und es ist mucksmäuschenstill draußen. Die Touristen stellen für die Tiere eine unwiderstehliche Menschengruppe mit einer großen Anziehungskraft dar. Urlauber haben viel mehr
Zeit für sie und auch köstlicheres Fressen. So geraten wir schnell in Vergessenheit. Die Hunde sind jeden Tag unterwegs, und auch die Katzen verziehen sich wieder dahin, wo sie hergekommen sind, zum Hotel. Als Welpe verbrachte Albino seinen ersten Sommer im Hotel. Und die nächsten beiden Sommer erinnerte er sich stets daran und kehrte wieder dorthin zurück, um wieder mit den Touristen Kontakt zu haben, mit dem Hotel-Hund faul am Pool zu liegen oder – was noch viel interessanter für ihn ist – um die Cafeteria
herumzustreunen. Ab und zu kommt er auch noch einmal bei uns vorbei, um zu checken, ob wir ihm nicht doch vielleicht was Interessanteres bieten können. Trifft er uns jedoch bei der Gartenarbeit oder hinter dem Computer sitzend an, sprechen seine großen braunen Augen eine eindeutige Sprache: „Ich habe Besseres zu tun.“ Whisky, die Hündin, die den ganzen Weg von Plomari bis nach Eftalou allein zurücklegte, um wieder bei uns zu sein, bringt ihre Tage auf eine andere Weise um: Sie scheint davon überzeugt, eine
Reiseleiterin zu sein. Whisky schließt sich jedem Zweibeiner, der die Straße von Eftalou beschreitet an und begleitet sie z.B. zu den Heißen Quellen, kommt diesen Weg mit einer anderen Gruppe zurück, die sie dann nach Molyvos führt. Auch eine Visite der einzelnen Hotels gehört zu ihrem Tagwerk. Whisky ist nicht ein Hund, der den ganzen Tag am Pool liegt, sie liebt es vielmehr, auf den Beinen zu sein. Am Nachmittag kommt sie zu einer kleinen Siesta heim, und wenn sie aufwacht, erwartet sie ein Abendessen, von dem sie jedoch sehr häufig enttäuscht ist, da es keineswegs ihren Erwartungen entspricht. Dann
kehrt sie mit eingeschnappt ihre Rückseite zu, springt in ihren Korb und träumt weiter von ihrem Lieblingszeitvertreib, was neben der Betreuung von Touristen, die Jagd nach Vögeln, Eichhörnchen und Füchsen ist. Ja, und dann haben wir da noch Rocky, vielmehr versuchen wir es, denn Rockys Spielgefährtin Vrini ist kürzlich innerhalb von Eftalou mit ihren Herrchen umgezogen. Die erste Zeit kam Vrini noch zum Schlafen hierher, aber nun, da sie sich gar nicht mehr blicken lässt, nehmen wir an, dass Rocky ihr gefolgt
ist. Sie sehen, nicht alle alleinlaufenden Hunde, die sie auf der Straße sehen, sind bedauernswerte Geschöpfe. Manchmal jedoch werde ich sehr unruhig, wenn ich sie so auf der Mitte der Straße stehen sehe, unbedarft und mit dem Schwanz wedelnd, denn mit Ankunft der Touristen, nimmt nicht nur der Verkehr sondern auch die Geschwindigkeit der Autos zu. Im Sommer sieht man sie wieder, diese verrückten Raser, die meinen, sie seien die Helden des Tages, wenn sie Vollgas geben.
Wenn ich diese Geschwindigkeitsidioten sehe, würde ich sie am liebsten sofort an die Leine nehmen (ich meine die Hunde, obwohl ich lieber die rasenden Monster anketten würde). Doch mit Albino klappt das sowieso nicht, denn er reagiert völlig panisch auf alles, was wie ein Seil oder eine Kette aussieht. Nur der Versuch ihn anzuleinen endet damit, dass er kilometerweit wegläuft. Solch eine Angst hat er davor, seine Freiheit zu verlieren. Vielleicht ist er ein entflohener Kettenhund?
Tja, und Whisky, die in Plomari brav an der Leine lief, hat durch den Alleingang von dort nach Eftalou ja schon deutlich gezeigt, was ihr Freiheit bedeutet. So einen Hund kann man doch nicht an die Kette legen... Und dann ist da noch Rocky. Er ist der Eigensinnigste von den Dreien. Ich kann noch so sehr auf ihn einreden, und ihm erklären, dass er einen Tag am Haus bleiben soll, weil sein zotteliges Fell mal wieder geschert werden muss, weg ist er, und
das, bevor ich ihm sein Frühstück serviert habe. Früher lebte Pudel Stratos hier. Er pflegte – ob Sie es glauben oder nicht – in der Frühe, um 6 Uhr, zu einer Yogastunde unsere Nachbarin aufzusuchen. Sie brauchte nur ihre Matte auszurollen, schon saß Stratos kerzengerade darauf, bewegte sich nicht mehr und stierte geradeaus, als sei er in tiefe Trance gefallen. Letztes Jahr stand es auf der Tagesordnung, junge Hunde an
der Schule in Molyvos auszusetzen, mit dem Wissen, dass manch Elternpaar ihrem Kind den Wunsch nach so einem niedlichen Hündchen nicht abschlagen kann. Das ein oder andere Hundebaby wurde somit vor einem grausamen Tod bewahrt und fand ein Zuhause. Ich frage mich aber doch, wie viele der nunmehr gewachsenen Welpen noch in den Familien oder doch wieder auf der Straße leben. Jährlich schrumpft die Anzahl Katzen und Hunde beträchtlich, da es hier einen Idioten gibt, der Gift auslegt. Letzte Woche starben wieder
einige Hunde dadurch qualvoll, davon sogar einer, der friedlich – und sogar angeleint - im Garten lag. Mallaka´s !! Streunende Hunde, die ein Herrchen, das es gut mit ihnen meint, und somit ein Dach über den Kopf, gefunden haben, haben wirklich Glück gehabt. Ein Glück, das sie zu schätzen wissen, denn – mal ehrlich gesagt – wer möchte nicht ein Leben, in dem man täglich sein Essen und Trinken serviert bekommt und jedes Jahr den ganzen Sommer lang Urlaub am Pool machen kann: So muss ein Hundeleben sein! Copyright ©Julie Smit 2007 |