BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
9.Juli 2007 -
Die 7 Wunder von Lesvos
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Na, was
fehlt bei der folgenden Auflistung?
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Die
Chinesische Mauer
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Die
Felsenstadt Petra in Jordanien
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Die
Maya-Ruinenstadt Chichen Itza auf der Halbinsel Yucatan
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Die
Christusstatue in Rio de Janeiro
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Das
Kolosseum in Rom
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Die
Inkastadt Machu Picchu
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Das
Mausoleum Taj Mahal in Indien
Richtig,
die Akropolis von Athen, ebenfalls nominiert zur Wahl der 7 Weltwunder der
Neuzeit. Das Ergebnis wurde letzte Woche veröffentlicht, und das wichtigste
griechische Bauwerk der Antike darf sich nicht dazu zählen.
Nicht nur,
dass es nicht wieder ausschließlich Griechen waren, die diese „neuen“ Weltwunder
erwählt haben, kein einziges befindet sich in Griechenland, Während sich die 7
Weltwunder der Antike allesamt innerhalb der Grenzen des Reiches von Alexander
d. Großen befanden:
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Die
Pyramiden von Gizeh
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Der Koloss
von Rhodos
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Die
Hängenden Gärten der Semiramis von Babylon
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Der
Artemis-Tempel von Ephesus
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Die
Zeusstatue in Olympia
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Das
Mausolos-Grabmal von Halikarnassos
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Der
Leuchtturm von Alexandria
War es etwa
Zufall, dass vor mehr als 2.000 Jahren die bisher geltenden Weltwunder von
griechischen Gelehrten erkoren wurden? Nun hat die Internetseite
www.new7wonders.com eine Neuwahl auf die Beine gestellt, auch wenn sich
Institutionen, wie die UNESCO, davon distanziert haben. Warum wird es mich nicht
überraschen, wenn die Griechen diese Abstimmung niemals akzeptieren werden?
Für mich
ist ein Weltwunder etwas, dessen Entstehung nicht wirklich erklärt und
verstanden werden kann oder bei dem man nicht mit Bestimmtheit sagen kann, ob es
wirklich existiert hat. Nehmen wir mal als Beispiel die mystischen Hängenden
Gärten der Semiramis: Es gibt lediglich nur Zeichnungen und Erzählungen davon.
Dann der Koloss von Rhodos, die 30 Meter hohe Apollo-Statue, die breitbeinig
über die Hafeneinfahrt von Rhodos-Stadt postiert war und durch ein Erdbeben
völlig zerstört wurde: Niemals konnten alle Einzelteile gefunden werden. Von all
den Bauwerken sind es nur noch die Pyramiden von Gizeh, die bewundert werden
können, und noch immer gibt das riesige Totenhaus den Wissenschaftlern
hinsichtlich der genauen Bauweise Rätsel auf.
Das Taj
Mahal und auch die Chinesische Mauer sind „einfach“ durch Arbeiter und Sklaven
errichtet worden – nichts, was daran wundersam ist. Die neuen Weltwunder sind –
ohne Frage – imposante Bauwerke, zeichnen sich durch ihre Größe und ihre
Schönheit aus, aber es umweht sie nicht der geringste Hauch von Mystik. Wunder
dieser Art gibt es unzählige auf der Welt, wie z.B. die 7 Wunder von Lesvos:
Das 1.
Wunder, dass ich nennen möchte und das es wert ist, zu den Weltwundern zu
zählen, obwohl es nicht von Menschenhand sondern von der Natur geschaffen wurde,
ist der „Versteinerte Wald“. Diese farbenprächtigen Bäume, von denen manche
Stücke wie Edelsteine funkeln, sind weltweite Raritäten. Die Griechen sollten
stolzer sein auf diesen Park voller jahrhundertealter Bäume.
Wunder
Nummer 2 wurde nicht von den Griechen, sondern den Römern errichtet:
Das
Aquädukt bei Moria. Nicht nur, weil das das riesige Gebilde, inmitten von
Olivenbäumen, wunderlich ist, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass es einen Teil des
ersten vernünftigen Wasserversorgungssystems der Insel darstellt. Es wird sogar
erzählt, dass damit das heiße Wasser aus den Heilquellen über die Insel
transportiert wurde. Stellen Sie sich das mal vor: Zu Zeiten der Römer,
verfügten die Bürger von Molyvos bereits über Warmwasser! Da kann doch selbst
die Neuzeit nicht mithalten, zumal, wenn – wie so häufig – mal wieder der Strom
ausfällt. Nah bei Lámbou Mili befindet sich ein zweites Aquädukt. Zwar ist es
wesentlich kleiner und auch nicht mehr so gut erhalten, wie das bei Moria, aber
umso idyllischer ist die Lage, zwischen zwei Hügelrücken, wo es niemanden schert,
dass die Vegetation langsam daran empor kriecht, um die andere Seite zu
erreichen.
Das
altertümliche Molyvos, im Norden der Insel, ist für mich die Nummer 3 der
Inselwunder. Im Gegensatz zu anderen alten Städten der Insel, hat Molyvos es
geschafft, einige Kriege unversehrt zu überstehen. Die rechteckigen
Natursteinhäuser mit ihren Erkern und den bunt bemalten Holzbalkonen sowie die
mittelalterlichen kopfsteingepflasterten engen Gassen, die sich zur Burg hinauf
schlängeln, sind für die Touristen Fotomotiv Nummer 1. Ist es nicht auch ein
Wunder, dass die Bewohner so viele Jahrhunderte diesen Anblick so sorgsam
bewahrt haben?
Als Nummer 4
auf der Wunderliste kann das Ipsiloú-Kloster genannt werden. Nicht wegen seiner
Größe oder Bedeutsamkeit, da wären eher die Klöster Limónos und bei Mandamados
zu nennen, aber wegen seines Standortes und der damit verbundenen Atmosphäre. Es
wurde erbaut auf einem ziemlich hohen Berg, von wo aus man eine weite Sicht über
die raue Landschaft im Süd-Westen von Lesvos hat. Steht man zwischen den hohen
Zinnen, kann man das Gefühl für die Zeit verlieren. Hier ist es leicht, sich
vorzustellen, dass die Insel voll von Sequoias war, diesen Mammutbäumen, die nun
den „Versteinerten Wald“ bilden. Hier ist es, wo es wenig Phantasie bedarf, um
vor Augen zu haben, wie der Kopf des Orpheus an den Strand von Alt-Antissa
gespült wurde. Ununterbrochen hat man hier oben den Wind in seinen Ohren,
Melodien formen sich und alsbald hört man die Klänge des Orpheus.
Nummer 5
bei den Wundern von Lesvos nimmt das romantische Bergdorf Agiássos und seine
Umgebung ein. Überragt vom Gipfel des mächtigen Olympos, ist es umgeben von den
schönsten Wäldern der Insel, wie z.B. den Kastanienwäldern. Hier trifft man sie
noch an, die alten Handwerkskünste, wie das Schnitzen und Töpfern. Die Geschäfte
sind voll von allerhand wunderlichen Souvenirs. Neben Ton- und Holzwaren gibt es
auch religiöse Gegenstände zu entdecken, allem voran Ikonen in allen Maßen und
Farben, ist es doch die Marienkirche in der Mitte des Dorfes, die Agiássos zu
einem bedeutenden Wallfahrtsort gemacht hat. Besonders am 15. August strömen
unzählige Pilger zum Kirchenfest in das Dorf. Nein, sie sind nicht so
gefährlich, wie die freigelassenen Stiere, die in Pamplona (Spanien) durch die
Gassen rasen, aber ich garantiere Ihnen, dass es Ihnen an diesem Tag fast
unmöglich sein wird, den Ortskern zu erreichen.
Wunder Nummer 6
ist der „Hohle Baum“ von Karini und das nicht, weil er so groß oder so
schön hohl ist, oder weil Karini ein so bezauberndes wasserreiches Plätzchen
ist. Theóphilos, der populäre Maler der Insel, lebte einst dort. Seine naiven
Malereien haben es bis in den Pariser Louvre geschafft, obwohl es dort genügend
griechische Schätze gibt, die aber alle der Antike zuzuordnen sind. Die
fröhlichen Bilder des Theóphilos stellen Szenen aus dem Alltagsleben auf Lesvos
dar und wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemalt. Seine Werke können auch
hier auf der Insel besichtigt werden. Da gibt es das „Theóphilos-Chatzimichail-Museum
in Variá, einem Vorort von Mytilini.
Jetzt zum
7. Wunder: Hier steht für mich der Ouzo von Lesvos. Zig verschiedene Sorten des
griechischen Nationalgetränks werden hier auf der Insel gebraut. Zwar kein
Bauwerk, aber ein Getränk, bei dem man auf eine jahrhundertealte Tradition
zurückblicken kann. Warum sollten kulinarische Wunder von der Liste
ausgeschlossen sein? Ein guter Lesvos-Ouzo verstärkt optimal den Geschmack von
frischem Fisch und gegrilltem Fleisch. Keine französische Entenleber, kein
Sauerkraut aus deutschen Landen, und keine spanische Paella kann da mithalten,
wenn gerösteter Tintenfisch, fangfrische Sardinen oder gegrillte Lammkoteletts
mit einem Glas gutem Ouzo serviert werden.
Natürlich
waren das nicht alle Wunder, die Lesvos zu bieten hat. Da ist noch die
Kremasti-Brücke, das Bilderbuch-Dörflein Vatoussa, das italienisch anmutende
Städtchen Plomari und die Burg von Mytilini, ach ja, und auf gar keinen Fall zu
vergessen: Die atemberaubende Natur von Lesvos!
So, Sie
sehen, die Wunder sind der Welt nicht ausgegangen, und Sie müssen dafür gar
nicht die weiten Wege nach Brasilien, Indien, China, Peru, Jordanien oder Mexiko
auf sich nehmen: Griechenland liegt doch so nah...
Copyright ©Julie Smit 2007 |