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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
12.Juni 2007 -
Kulturbanausen
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Wenn man in
die Vergangenheit zurückblickt, kann man die Griechen kaum barbarisch im
Hinblick auf die Kultur nennen, denn die griechische Geschichte steht für
monumentale Gebäude und große Philosophen. Die Demokratie ist griechischen
Ursprungs, die weisen griechischen Männer werden noch heute fast täglich
zitiert, an vielen Plätzen in der Welt sind griechische Tempel zu bestaunen, und
in fast allen archäologischen Museen in der Welt sind griechische Kunstwerke,
wie Statuen, Vasen, Urnen, etc., aus der Antike ausgestellt.
Lesvos
Anteil an diesem Erbe ist gering. Keine Spur von großen Tempeln oder Palästen,
allein die ein oder andere Burg findet sich hier. Einige Jahrhunderte vor
Christus fand das „Goldene Zeitalter“ auf der Insel statt. Lesvos war damals ein
mächtiger Staat zu Lande und zu See. Entlang des Meeres, wo nun die Türkei
liegt, wurden Städte errichtet, und die Region wurde „die Küste von Mytilini“
genannt. Es war die Zeit, in der die große Dichterin Sappho Lesvos ihr Zuhause
nannte, die Lyriker Alkaios und Arion, der auch ein berühmter Sänger war, hier
das Licht der Welt erblickten. Die folgenden Jahrhunderte war Lesvos ein
Spielball, der immer in den Händen anderer Mächte lag: bei den Römern,
Italienern (Venezier und Katalonier), Katalonischen Piraten, Byzantinern und
letztendlich wurde Lesvos im Jahr 1462 von den Ottomanen erobert.
Allein die
Römer hinterließen ein beeindruckendes Bauwerk: das turmhohe Aquädukt von Mória.
Die Türken sorgten für öffentliche Trinkwasserbecken, sie konstruierten die
jetzt berühmten Wanderwege (monopati´s) und die Olivengärten. Auf große Gebäude
verzichtete man. Immerhin war Lesvos besetztes Gebiet.
Auch in der
heutigen Zeit kann Lesvos sich nicht mit imposanten Gebäuden rühmen. Obwohl in
einigen Regionen, wie z.B. in Molyvos, penibel darauf geachtet wird, dass
Neubauten in ihrem Baustil an das bereits bestehende Umfeld angepasst werden.
Ist man ein Liebhaber moderner Architektur, so muss man südwerts ziehen. Bei
Plomari sind Häuser in modernem Baustil zu finden, wenn auch an den
unmöglichsten Stellen, wie auf dem Gipfel eines Berges. Agias Varvaras, in der
Nähe von Plomari, macht den Eindruck eines Villen-Vorstädtchens inmitten von
Olivenhainen. Die Häuser sehen mit ihren riesigen Panoramafenstern, Erkern und
Winkeln luftig-hell und so gar nicht griechisch aus.
Überall auf
der Insel stößt man auf kleine Museen, wie z.B. die in Vatoússa oder Napi.
Mytilini wartet mit dem historischen Museum und dem Museum der Moderne auf, wo
Werke von berühmten Künstlern, wie Picasso, Chagall, Courbusier und Miro
ausgestellt sind. Im Laufe des Jahres finden verschiedene Ausstellungen statt,
und auch Molyvos lädt einmal jährlich im Sommer zu der Präsentation von
Kunstwerken.
Liebhabern
der wirklichen modernen Kunst, empfehle ich jedoch, die Hauptstadt Athen zu
besuchen. Letzte Woche fand dort die 13. Kunstmesse „Athina“ statt, organisiert
vom Minister für Kultur, an der so um die 70 Künstler teilgenommen haben. Diese
kulturelle Darbietung war jedoch nur von kurzer Dauer, denn einige Tage nach der
Eröffnung, rollte die Polizei an und beschlagnahmte eine Videoinstallation des
griechischen Kunstschaffenden Stefani. Der Eigentümer der Galerie wurde
verhaftet und das Gebäude verschlossen. Nun, bei dem, was Stefani zur Schau
stellte, handelte es sich um schwarz-weiß Bildchen aus alten Pornofilmen der
60er und 70er Jahre, untermalt wurde dieser Beitrag mit Musik, darunter auch der
griechischen Nationalhymne, und das ging einem Besucher wohl doch etwas zu weit,
der dann zur Polizei stapfte, sich beschwerte und somit für einen weiteren Eklat
in der griechischen Kunstszene sorgte.
Ebenfalls
in Athen, Ende Mai, kam es zu einem anderen kulturellen Zwischenfall: Während
einer Ausstellung, die anlässlich des 30. Todestages der großen Maria Callas
stattfand, wurde ein Kleid der Diva gestohlen. Ein paar Tage später wurde das
seidene Outfit auf dem Postweg zurückgegeben...
Auch wenn
Molyvos für seine ortsansässigen Künstler bekannt ist, kann man sich hier lange
auf die Suche nach der Modern Art machen. In den Shops werden überall der
gleiche Nippes angeboten, die Auswahl an Postkarten oder gar Literatur ist
mager. Eine Ausnahme macht Pétra: Hier hat der kanadische Künstler Paul sein
Lädchen, wo er neben seinen Malereien auch Fischplastiken und anderes
künstlerisches Drum und Dran feil bietet, jedoch nichts, was Anlass bietet, eine
Zensurkommission auf Trab zu bringen.
Unbestritten ist Athen die Kulturhauptstadt Griechenlands, die jedoch einer
strengen Zensur unterliegt. Die Geburtstätte so vieler namhafter Philosophen,
diese Stadt, in der die westliche Zivilisation ihren Ursprung hat, sollte sich
schämen, ihre Künstler einer solchen Kontrolle zu unterziehen. Es ist ja nicht
das erste Mal, dass ein Kunstwerk beschlagnahmt wurde. Bei einer Exposition
anlässlich der Eröffnung der Olympischen Spiele wurde ein Kunstwerk
beschlagnahmt, weil sich die Orthodoxe Kirche beleidigt fühlte, und einige Zeit
später war es ein Komikstreifen über das Leben Jesus der aus diesem Grund
verboten wurde. Es werden ja nicht nur die Werke eines Künstlers aus dem Verkehr
gezogen, sondern er selbst wird verfolgt und – wie der neuste Fall zeigt – auch
der Galerist wird bestraft. War Lesvos einmal eine Insel von Seebanausen
(Piraten), so ist das heutige Athen eine Stadt, die Kulturbanausen beheimatet!
Copyright ©Julie Smit 2007 |