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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
18.Juni 2007 -
Fruchtiges Durcheinander
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
In letzter
Zeit durchlebten wir ein ziemlich ungewöhnliches Sommerwetter - eine Menge
Wolken und einige heftige Regenschauer – aber die Früchte reiften unbeeinflusst
davon, als sei alles wie immer. Vor einigen Wochen waren die Erdbeeren reif für
die Ernte. In Holland nennen wir sie „die Könige des Sommers“, hier jedoch
musste ich die Majestäten doch an manch einem Tag aus dem Schlamm ziehen. Auf
einem kleinen Fleckchen Erde hatten wir im letzten Jahr ein paar Pflänzchen
eingesetzt. Der unglaubliche Drang sich auszubreiten, hat inzwischen aus dem
kleinen Stück ein riesiges Erdbeerfeld werden lassen. Natürlich bin ich sehr
dankbar dafür, aber alle 2 Tage, wenn ich sie pflücken ging, wusste ich schon
gar nicht mehr, wohin ich meinen Fuß setzen sollte, um die roten Köstlichkeiten
bloß nicht zu zertrampeln. Es kostete mich jedes Mal sehr viel Zeit, aber auf
der anderen Seite absolvierte ich auch gleichzeitig Gymnastikstunden, denn Sie
können sich nicht vorstellen, welcher Körperverrenkungen das Einholen der
Früchte bedarf. Ich kann von Glück reden, dass ich nicht einmal kopfüber ins
Feld gefallen bin. Nach dem Sport dann in die Küche, Marmelade kochen, denn
täglich Erdbeerjoghurt oder Erdbeercreme auf dem Speiseplan kann langweilig
werden.
Dieses Jahr
hofften wir, so wie unsere Marmeladen-Kunden auch, eine neue Fruchtsorte in
unsere Angebotspalette aufnehmen zu können: Muzmullas! Ich kann zwar nicht
verstehen warum, aber wir haben dieses Obst erst in diesem Jahr entdeckt.
Muzmullas ist hier in Griechenland der türkische Name für die Japanischen
Mispeln, auch Loquats genannt. Es handelt sich um gelbe eiförmige Früchte, die
an immergrünen Bäumen wachsen, deren Blätter dunkelgrün und lederartig sind.
Ihren Ursprung haben diese Gewächse in Japan und China, wo man sich schon vor
tausenden von Jahren an den Früchten erfreute, die erfrischend und gleichzeitig
süß sind und deren Geschmack an Aprikosen erinnert.
Aus
Muzmullas eine Marmelade zu bereiten, ist ein wahres Abenteuer. Wir entschlossen
uns zu einem Gelee: Die Früchte zunächst erhitzen, dann in ein Tuch füllen, um
den Saft aufzufangen. Nun nur noch mit Zucker zu einem Gelee einkochen. Na, wie
einfach hört sich das an? Ist es aber nicht wirklich. Wir haben auf Lesvos noch
keinen Gelierzucker finden können, und so stellen wir unsere Marmeladen mit
einfachem Zucker her, was ja geht, aber haben Sie eine Vorstellung davon, wie
lange das Obst kochen muss und welch eine Kunst es ist, genau den richtigen
Zeitpunkt abzupassen, an dem die Marmelade genau die richtige Konsistenz hat,
was ja in so einem riesigen Topf mal gar nicht so leicht zu erkennen ist? Nun
ja, das führte dazu, dass wir in unserem Schrank auch einige Gläser geräucherte
Aprikosenmarmelade haben, mit einem interessanten Geschmack, so wie leicht
angebrannt.
Auch aus
dem Muzmulla-Gelee wurde nichts: Unsere Kreation schmeckt einfach nur nach
Zucker, und keine Spur von dem leckeren fruchtigen Geschmack. Wir verwenden das
Erzeugnis nun als Wespenfang-Saft und füllen es in unsere
Plastik-Wasserflaschen-Wespenfallen, die wir vor kurzem, wie folgt, selbst
gebastelt haben: Eine Plastikflasche einfach in der Mitte durchschneiden, die
obere Hälfte kopfüber in die untere Hälfte stecken, Zuckersirup bzw.
Muzmullasirup einfüllen – obwohl, ein andere süße Flüssigkeit tut es auch – und
dann in einen Baum hängen. Die Wespen strömen in Partystimmung hinein, finden
aber durch den schmalen Flaschenhals den Weg nicht mehr zurück.
Muzmullas
vorzubereiten, ist eine Höllenarbeit. Nicht nur einen Stein, sondern mehrere,
muss man herauspulen, so dass nicht sehr viel von dem Fruchtfleisch übrig
bleibt. Mit Pflaumen oder Aprikosen ist es da schon leichter, einfach mittig
durchschneiden, Stein rausnehmen, fertig. Übrigens ist es aber auch sehr
geschmackvoll, wenn man Aprikosensteine der Marmelade beifügt: ca. 10 Stück auf
1 kg machen sie würziger. Dafür müssen Sie die Steine knacken, 1 Minute in
kochendes Wasser schmeißen, um die braune Haut ablösen zu können, dann
zerquetschen und 5 Minuten vor Ende der Kochzeit zufügen.
Nach Wolken
und Schauern kam die Hitze. Für Tage stieg das Thermometer über die
30-Grad-Marke, was aber für die Jahreszeit normal ist. Bedrohliche
Gewitterwolken hingen über der Türkei, schafften es aber nicht, Lesvos zu
erreichen. Letzte Woche wurde der Süden der Insel von einem Seebeben ereilt,
aber, bis auf das einige Leute in ihrer Siesta gestört wurden, gab es keine
weiteren Vorkommnisse.
Die Sonne
gab ihr Bestes, so dass unsere Kirschen – es sind die saueren Schattenmorellen –
in kürzester Zeit dick und dunkelrot in den Bäumen leuchteten. Nun pflücken wir
also jeden Tag Kirschen. Manchmal mache ich das doch sehr zögerlich, denn ich
liebe den zauberhaften Anblick der Früchte tragenden Bäume. Aber auch die Vögel
sind begeistert davon. Die großen Eichelhäher flattern laut lachend mit einer
jeden Kirsche die sie stehlen können schadensfroh über unsere Köpfe davon.
Die kleinen
Vögel, die Finken gleichen, stellen es geschickter an: Sie hängen sich in
unseren Maulbeerbaum und fressen ihn ratzeputz leer, ohne auch nur einen Ton von
sich zu geben, und so hab ich nicht wirklich mitbekommen, wann die Früchte reif
waren. Da frage ich mich doch, was unsere vielen Katzen den ganzen Tag so
treiben. Sie bewegen sich nicht wirklich, und ich denke, sie sind schlau genug
zu wissen, dass sie gegen die flinken Finken keine Chance haben. Wahrscheinlich
konnte eine Schildkröte unsere kleine Katze Wittgenstein deshalb so
beeindrucken, als sie ihren Weg kreuzte und keinen Fluchtversuch startete. Die
Schildkröte zog ihren Kopf in den Panzer und bei Wittgensteins vorsichtigen
Annäherungsversuchen mit den Tatzen, hörte sie nur ein leises Tock-Tock – wie
langweilig!
Es ist auch
arg langweilig, die Massen von Kirschen zu entkernen, um Marmelade zu bekommen.
Aber wenn es geschafft ist, ist die meiste Arbeit getan, außer, wenn man
unachtsam ist und die dunkelrote Masse über den Topfrand quillt. Dann kann es
schon mal passieren, dass man sich von einem zum anderen Moment mit den Füßen im
roten klebrigen Brei wieder findet. Doch nicht nur auf dem Boden klebt er,
sondern am Ofen, an der Wand und am Topf. Er ist dermaßen zäh, dass man in für
so tauglich befindet, um ihn in sterilisierte Gläser abzufüllen. Welch eine
Verwunderung, wenn man Stunden später feststellt, dass das Endprodukt
Kirschsaft, statt Marmelade ist.
Hitzewelle
hin oder her: Morgen ist es an der Zeit, den Pfirsichbaum abzuernten, einen Sack
Pflaumen in Mus, Likör und Chutney zu verwandeln und die letzten Kirschen vor
den räuberischen Vögeln in Sicherheit zu bringen...
Copyright ©Julie Smit 2007 |