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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Altes türkisches Segelschiff
16.Juli 2007 -
Ägäisches
Grummeln
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Jeden
Morgen lese ich die Zeitung. Oder, was man so lesen nennen mag... Meistens surfe
ich im Internet, überfliege die holländischen Schlagzeilen und gehe dann zu den
ins Englische übersetzten griechischen News. Natürlich gibt es auch eine Zeitung
hier von der Insel im Netz, aber die lese ich nicht, denn meine
Griechisch-Kenntnisse reichen dazu nicht wirklich aus. Vielleicht ist es aber
auch besser so, denn sonst würden meine Lesvos-News wahrscheinlich zum Inhalt
haben, welche Straßen gesperrt sind, welche lokalpolitischen News es gibt und
welcher Mitbürger gestorben ist.
Vor einigen
Tagen, sprang mir, zwischen Artikeln über Politik, kleineren Erdbeben, Hitze und
Waldbrände folgende Überschrift ins Auge: „Konflikt zwischen Persern und
Griechen!“ Na, ich muss sagen, dass es mich schon überraschte über wachsende
Spannungen zu den Persern zu lesen, die von deren neuem König Xerxes geschürt
werden, der sich allem Anschein nach wahrhaftig vorbereitet, die Griechen zu
attackieren und dabei sogar einen Krieg nicht ausschließt. Der Artikel schloss
mit den Worten, dass es gar keinen Zweifel gäbe, dass die Auseinandersetzung
alsbald stattfinden würde.
Beim Lesen
fiel mir ein, dass es doch schon einmal ein Zerwürfnis zwischen den beiden
Völkern gegeben hat: Es war die „Schlacht von Salamis“, (nah bei Athen) in der
im Jahre 480 v. Chr. die Griechen die mächtigen Perser besiegten, was das Ende
der persischen Vorherrschaft in Griechenland bedeutete. Bei diesem Hintergrund,
ist der Zeitungsartikel für das Jahr 2007 doch arg kurios...
So, wie
viele andere Teile Griechenlands, war Lesvos zu dieser Zeit von den Persern
besetzt. Die Bevölkerung war dermaßen unterdrückt, dass Ihnen gar keine andere
Möglichkeit blieb, als gemeinsam mit den Persern, unter Führung von Xerxes, mit
60 Schiffen gegen die Athener zu kämpfen. Wie auch immer, 1 Jahr später bei der
Schlacht von Mycale, zwischen den Persern und den griechischen Stadtstaaten, hat
sich Lesvos auf die Seite der Athener geschlagen.
Mit der
Besetzung der Athener ist die Bevölkerung von Lesvos vom Regen in die Traufe
gekommen, und so kam es zu einem Aufstand der gesamten Insel – ausgenommen
Molyvos – gegen die neue Herrschaft. Später wurde Lesvos dann von den Spartanern
eingenommen, dann kamen die Athener zurück, nachfolgend ging es wieder gegen die
Perser, usw., usw. So richtig zur Ruhe kamen die Inselbewohner bei all diesen
Kriegen und wechselnden Besetzer nie.
Heutzutage
ist es sehr viel ruhiger auf der Insel, aber wenn man dann solch einen Artikel
über Feinde Griechenlands liest, die bewusst oder unbewusst diese Stabilität ins
Schwanken bringen, macht man sich schon Sorgen darüber, wie lang der Frieden
noch anhält. Ich denke dann insbesondere an die türkischen Düsenjäger, die
unaufhörlich durch den griechischen Luftraum donnern. Laut der türkischen
Tageszeitung, gibt es monatlich 58 solcher Einsätze mit dem Fliegertyp F-16.
Manchmal führen sie so genannte „Dogfights“ (Luftkämpfe zwischen
Kampfflugzeugen) aus, ein anderes Mal scheinen sie nur so hintereinander
herzujagen. Schenkt man der Presse Glauben, so stellt der Luftraum über der
Ägäis, nahe der Türkei, einen großen Kinderspielplatz für die Piloten dar. Und
die Politiker? Nun, sie üben sich, soweit wie möglich, in Diplomatie und
Höflichkeit, während die militärische Führung und die Piloten anscheinend Krieg
spielen.
Wenn ich
über das tiefblaue Meer schaue, an dessen Horizont die Berge der Türkei in den
Himmel ragen, so kann ich nur einsame Surfer sehen, die über das Wasser gleiten,
etwas weiter entfernt einen Frachter oder eine Fähre und ab und zu kommt ein
majestätisches altes Schiff mit vielen Segeln vorbei. Die Düsenjäger, deren
Grummeln ich regelmäßig höre, sehe ich nicht, so schnell sind sie, und schon gar
nicht kann ich erkennen, ob sie türkisch oder griechisch sind.
Zur Zeit
der Perser bauten sie riesige Kriegsschiffe, die Trieren („Dreiruderer), die mit
3 übereinander liegende Ruderbänke und einem großen Segel ausgestattet waren.
Unbestritten muss dies ein prachtvoller Anblick gewesen sein, wenn man sie
vorbeiziehen sah. An der Schlacht von Salamis war die griechische Flotte mit 371
und die persische mit 1207 Schiffen beteiligt. Wäre ich Augenzeugin einer
solchen Streitmacht gewesen, glauben Sie mir, ich hätte sofort die Zeitungen
angerufen, um sie darüber zu informieren, dass etwas in der Luft liegt.
Aber an das
Grummeln der Düsenjäger über Lesvos habe ich mich mittlerweile gewöhnt, genau
so, wie ich mich an die Artikel über die Einsätze von Kampfflugzeugen oder
anderen Jets gewöhnt habe. Eine Ausnahme stellte der Bericht über den
Zusammenstoß eines griechischen und türkischen Jets im letzten Jahr, unweit von
Kreta, dar, den der griechische Pilot nicht überlebte. Sogar da kehrten die
Politiker den Vorfall unter den Teppich und ließen den doch so zerbrechlichen
Frieden zwischen Griechenland und der Türkei in gutem Licht erscheinen.
Am letzten
Wochenende kam es zu einem griechisch-türkischen Zwischenfall der ganz anderen
Art: Ein Konzert des berühmten griechischen Sängers Giorgos Dalares, das in der
Festung Rumeli, auf der europäischen Seite des Bosporus bei Istanbul,
stattfinden sollte, wurde von der türkischen Regierung im letzten Moment
abgesagt. Ein Grund dafür wurde nicht genannt, aber es wird vermutet, dass man
nicht wollte, dass Dalares singt, da er öffentlich sein Missfallen über die
Besetzung Nordzyperns durch die Türkei zum Ausdruck gebracht hat. Niemand weiß,
wohin die Querelen noch führen werden, aber sicher ist, dass es bei den
Beziehungen zwischen den Staaten immer grummeln wird.
Wenn ich
das Grummeln der Düsenjäger in der Ferne höre, stelle ich mir einfach vor, dass
es kräftiges Gewitter mit heftigem Regen ist. Auch die letzte Hitzewelle ist
vorbei, aber die Tage bleiben warm, dank eines kräftigen Windes aus Nordwest,
dessen Nachteil jedoch ist, dass er die Waldbrandgefahr verstärkt. Trotzdem
konnten die Brände bei Polychnitos und Agia Paraskevi gelöscht werden. Die
Perser sind nicht im Land. Mehr Neuigkeiten gibt es in dieser Woche nicht zu
berichten...
Copyright ©Julie Smit 2007 |