|
|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
28.Mai 2007 - O
Keiros (Das Wetter)
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Für uns Holländer muss Griechenland eigentlich ein
langweiliges Land sein.
Wir lieben es doch so sehr, über das Wetter zu reden, und im Sommer gibt es hier
nun mal nicht viel Abwechslung: Der Himmel ist blau, die Sonne brennt vom
Firmament und das Thermometer bewegt sich in hohen Bereichen. Das Einzige, was
variiert, sind die Gradzahlen und der Wind.
Der Mai dieses Jahres war eine große Ausnahme: Das schöne Wetter, das uns den
gesamten Winter, bis in die erste Maiwoche hinein, verwöhnte, endete in einer
riesigen Hitzewelle, die bei jedermann das Gefühl hinterließ, der Hochsommer
habe zu Saisonbeginn bereits Einzug gehalten. Sie bescherte uns die höchsten im
Mai gemessenen Temperaturen seit 47 Jahren in Griechenland.
Ein weiterer Rekord folgte: Regen, Sturm und Wolken, und das nicht nur ein oder
zwei Tage lang, nein... inzwischen bereits seit 10 Tagen, 10 Tage, an denen der
Wetterbericht und die Bewölkung uns Nässe versprechen. Während des gesamten
Winters haben wir nicht so viel Regen und bedeckten Himmel gesehen, und -
glauben Sie mir - wir freuen uns darüber, denn die Insel hat dies mehr als
nötig. Jetzt brauchen wir nicht mehr täglich die Pflanzen zu gießen, die
verdorrte Landschaft wechselt langsam ihren gelben Anstrich in ein zartes Grün,
und sogar die Flussbetten tragen wieder Wasser.
Aber das schlechte Wetter bringt auch allerlei Probleme mit sich: Auf dem
Festland setzte es viele Häuser unter Wasser, von Athen aus mussten Flüge auf
einige Inseln umgeleitet werden, Straßen wurden regelrecht weggewaschen, und
natürlich fiel vielerorts der Strom aus. Während wir auf unserem Feld köstliche
Erdbeeren pflücken durften, fiel der ganze Ertrag an Weizen und Baumwolle
heftigen Hagelstürmen zum Opfer, Schnee bedrohte die Pfirsich- und
Zitronenernte, und die Rüben ertranken in überfluteten Äckern.
Das traurigste Unglück jedoch ereignete sich gestern, am 1. Pfingsttag, in der
Region von Arcadia, wo eine Wandergruppe beim Überqueren des Flusses Lousios von
einer Flutwelle überrascht und mitgerissen wurde. 6 von ihnen überlebten es
nicht, und 2 Personen werden noch vermisst.
Auch in diesem Jahr konnte man wieder feststellen, dass Häuser überflutet
wurden, was jedoch nicht an dem schlechten Wetter, sondern vielmehr an dem
miserablen Wassermanagement liegt. Flussbetten, die auf natürliche Weise das
strömende Wasser auffangen, sind verstopft, da sie zu illegalen Mülldeponien
geworden sind. Der Bürgermeister von Zephyri erklärte dazu, dass er nunmehr
bereits 2 Jahre auf Geld wartet, um diesen Miss-Stand in seinem Bezirk zu
beseitigen.
Nun, in Griechenland auf irgendetwas zu warten, bringt überhaupt nichts! Dem
Bürgermeister von Elliniko, der "Riviera" von Athen, ist das klar. Christos
Kortzidis ist seit nunmehr über 1 Woche im Hungerstreik, um gegen illegale
Nachtclubs und andere Lokalitäten zu protestieren, die die Strände in seiner
Gemeinde in Beschlag genommen haben und bis zu 7 Euro Eintritt für den Besuch
des Meeres verlangen. Es ist ein (ungeschriebenes) Gesetz in Griechenland, dass
die Strände für einen jeden Menschen frei zugänglich sein müssen, und trotzdem
tut die Regierung nichts. Somit verweigert Christos Kortzidis weiterhin jegliche
Nahrung. Auch auf der Kykladen-Insel Mykonos greift die Unsitte
gebührenpflichtiger Strandbesuche um sich.
Es scheint ein heißer Sommer zu werden, auch wenn das Wetter weiterhin mürrisch
dreinschaut, und das weiterhin Schauer und Wolken auf der Tagesordnung stehen,
ist, laut Vorhersage, Fakt.
Die Natur ist zwar erfreut über den Regen, war aber auch reichlich verwirrt über
den Sommer im Winter, und weiß im Moment gar nicht so recht, wie sie damit
umgehen soll. So recken Frühjahrsblumen neugierig erneut ihre Köpfe aus der
Erde, die Mücken schwirren umher, als sei es Sommer, und verdörrte Landstriche
färben sich wieder herbstlich grün.
Ach, und dann sind da ja noch die Touristen, von denen nicht wenige in der
letzten Woche im strömenden Regen ihren Fuß auf die Insel setzten.
Willkommen auf Lesvos! Es kann ja niemand etwas dafür, dass das Wetter derzeit
so verrückt spielt. Glücklicherweise haben manche Tage ja doch noch einige
Stunden mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen in petto.
Schönes Wetter hin oder her, Tatsache ist, dass Griechenland eine magische
Anziehungskraft auf viele Menschen hat. Bewiesen hat dies in der letzten Woche,
die 90-jährige Engländerin Kathleen Sears. Ihr ganzes Leben lang träumte sie
davon, Isvoria (bei Naoussa, Mazedonien)zu besuchen. Letzte Woche nun ließ sie
diesen Lebenstraum wahr werden: Mit ihrer Pflegerin und einem Taxi legte sie
3.000 Kilometer zurück, um den Platz zu besuchen, an dem Alexander der Große
sich von Aristoteles unterrichten ließ. Nach einer h a l b s t ü n d i g e n
Besichtigung stieg sie wieder in das Taxi und verschwand Richtung England! Copyright ©Julie Smit 2007 |