|
|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Kastanienwald
bei
Agiassos
9.September 2007 -
Klimaneutrales
Fliegen
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Das Wetter
kann so gnadenlos sein: Von angenehmen 36 Grad sind die Temperaturen in den
frühen Morgenstunden und in der Nacht plötzlich auf 15 Grad gefallen. Im Laufe
des Tages krabbelt das Thermometer 10 Striche nach oben. Da sind die Nächte, in
denen man sich wieder in die Decken kuscheln kann. Sogar einige Schauer sind auf
Lesvos heruntergekommen, haben aber nicht wirklich große Wassermengen
hinterlassen. Und so steuert die Insel langsam auf den Herbst zu, die Jahreszeit
der Waldbesuche.
Lesvos ist
eine zauberhaft bewaldete Insel. Die Mitte ist bedeckt mit auslaufenden
Kieferwäldern, an den höher gelegenen Berghängen trifft man auf Mischwald, mit
majestätischen Kastanien und jahrhundertealten skulpturähnlichen Platanen.
September
und Oktober sind die Monate, in denen man in den Wald geht, nicht nur, weil die
kühlen Temperaturen locken, sondern auch um Kastanien und Pilze zu sammeln und
sich an den pinkfarbenen Alpenveilchen zu erfreuen, die alsbald den Boden
bedecken werden.
Schon immer
war Lesvos reich an Wäldern. Der Beweis aus der Urzeit dafür: Der „Versteinerte
Wald“, mit den sensationellen Sequioas (Mammutbäumen), die durch das
Zusammenspiel von vulkanischen Eruptionen, Regen und Feuer entstanden und hier
bei Sigri zu besichtigen sind. Danach kamen die Eichen, die für den Schiffsbau
Verwendung fanden, und später erkannte man, dass die Eicheln für das Gerben von
Leder nutzbar waren. In der heutigen Zeit gibt es keine bedeutende Holzindustrie
mehr. Zwar trifft man in Agiassos auf einige Möbelschreiner, die für ihr
Handwerk bekannt sind, das Holz für die Produktion bezieht man jedoch aus dem
Ausland. Für die Touristen gibt es Werkstätten in denen Gebrauchs- und
Küchengegenstände aus Olivenholz geschnitzt werden, da der größte Teil der Insel
von Olivenbäumen bedeckt ist. Kiefern stehen hier unter Naturschutz, und man
muss schon einen triftigen Grund nachweisen, wenn man auf seinem Grundstück
einen solchen Baum fällen möchte.
Die
wunderschönsten Wälder sind bei Anemotia, Parakila, Chalika, Olympos und
Agiassos zu finden. In Uganda (Afrika) kann man durch klimatische Wälder
wandern, die angelegt wurden, um den Kohlenstoffdioxyd-Ausstoß kompensieren zu
können. Na, und was haben jetzt diese Klima-Wälder in Uganda mit dem Wald auf
Lesvos zu tun? Nun, wenn Sie umweltbewusst sind und gerne einen Wald auf Lesvos
besuchen möchten, können Sie dem Wald in Uganda helfen, indem Sie klimaneutral
fliegen: Sie können, durch Zahlung eines Aufpreises, einen „Grünen Sitz“ buchen.
Die
Stiftung „Face“, die 2006 in die Stiftung „ClimateNeutral Group“ aufgegangen
ist, arbeitet mit diesem sog. „Grünen-Sitz-Projekt“ zusammen. Sie hat seit 1990
im Auftrag von niederländischen Energiegesellschaften einige umweltschützende
Waldprojekte ins Leben gerufen, wie z.B. in Uganda das Bepflanzen von 9.000
Hektar Grund mit Bäumen. Warum gerade da? Nun, weil es da am billigsten war.
Typisch Niederlande! Auf den Cent gucken und die Folgen, die sich daraus ergeben
können, unbeachtet lassen. Was ist jetzt in Uganda passiert: Bauern wurden von
ihrem Land vertrieben, überhaupt nicht oder unzureichend abgefunden, und einige
Geschäftsleute haben ihre Bankkonten in der Schweiz aufgefüllt.
Die Manager
machten also fette Beute, und die Bauern versuchen nun mühsam, ihr Land im Wald
wieder zurück zu gewinnen. Sie fällen Bäume, um daraus Holzkohle zu gewinnen und
das Land wieder frei für den Gemüseanbau zu machen. Somit ist ein großer Teil
des Klimawaldes bereits wieder verschwunden. Schlagzeile der holländischen
Tageszeitung „Volkskrant“ vom 6.9.07: „Ugandische Bauern fällen einen großen
Teil der Bäume aus einem niederländischen CO2-Wald!“ Es ist anscheinend nicht
genug, dass wir unseren Giftmüll in Afrika entsorgen, jetzt soll dieser
Kontinent auch noch dafür herhalten, unsere CO2-Abfalldeponie zu werden.
Aber das
ist ja gar nicht der Punkt. Das, wo ich immer wieder drüber stolpere, ist der
Begriff „klimaneutrales Fliegen“. Das geht doch gar nicht! Ein Flugzeug stößt
eine enorme Menge CO2 aus, was den Treibhauseffekt verursacht. Also, wenn man
den Flieger nimmt, verschmutzt man die Umwelt und forciert den Flugverkehr. Wie
einfach, sein Gewissen durch eine finanzielle Umweltabgabe zu beruhigen. Mein
Vorschlag wäre: Weniger fliegen! Für genügend Holländer ist es heutzutage
normal, 2-3 mal im Jahr eine Flugreise zu unternehmen. Ist das umweltbewusst?
Der „Foundation
Face/ClimateNeutral Group“ möchte ich auch einen Tipp geben: Ich kenne einen
Platz, wo tausende Hektar Land mit Bäumen aufgeforstet werden könnten und sich
gleichzeitig damit Geld verdienen ließe. Der Vorteil ist, dass es sich dabei um
touristischen Gebiet handelt, wo es also enormen Flugverkehr und somit eine
Menge CO2 gibt, dass dann durch die Bäume sofort geschluckt werden könnte. Und
wenn man dann noch klimaneutral fliegen möchte, so soll doch der Pilot einen
kleinen Umweg direkt über den angelegten Wald nehmen, damit jeder Passagier
gleichzeitig auch seinen eigenen Baum in Augenschein nehmen kann. Was meinen
Sie, wie schnell sich diese umweltbewussten Flugreisen an all die Menschen
verkaufen ließen, die einen Klima-Wald besichtigen möchten, zumal diese Region
als Wiege der Kultur bekannt ist. Sie stellt selbst ein weltberühmtes Museum
dar, dass dann schön am Rande des Klimawaldes liegen könnte. Die einzigen
Gefahren auf die man treffen würde: Immobilenspekulanten und die Natur selbst.
Nun, die Immobilienhaie könnte man mit Hotelprojekten für die Klima-Touristen
ködern, und die Brandgefahr ließe sich mit einem gut durchdachten Waldanbau
dämmen.
Copyright ©Julie Smit 2007 |