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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
19.Februar 2007 - Whisky auf der Flucht
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Heute ist der „Saubere Montag“, oder, wie es auf griechisch heißt „Kathara Deftera“, das Ende des Karnevals und der Beginn der Fastenzeit und des Frühlings. Eine Faschingsparade wird heute durch Molyvos ziehen. Motto des diesjährigen Umzuges: „Bürgermeister“. Wahrscheinlich wird es nicht so farbenprächtig, wie in den vergangenen Jahren, aber ich bin sicher, die kreativen Geister werden wieder etwas Schönes daraus machen.
Die griechischen Familien kommen heute zusammen, um den Tag gemeinsam zu feiern, und auf die Tische kommen Schalentiere und Gemüse, denn heute verbietet es der Brauch, Fleisch von Tieren mit einem normalen Blutkreislauf zu essen. Heute zeigt sich der Nordostwind nicht mit seiner kalten Seite. Gut so, denn wir haben Temperaturen, wie im Frühling, und die Menschen auf den Motivwagen werden somit nicht vor Kälte blau anlaufen. Auf der anderen Seite, ist es
schlecht für die Kinder, denn sie werden es schwer haben, ihre Drachen steigen zu lassen, eine alte Tradition am heutigen Tag. Heute schiebt man die Sorge über den viel zu trockenen Winter gerne mal beiseite. Man wird sehen, wie sich der Sommer entwickelt, ohne den nötigen Regen. Meine Sorgen kann ich aber nicht so einfach an die Seite schieben, denn aus dem Garten dringt ein andauerndes Gebell in meine Ohren. Das in dieser Jahreszeit ausgestorbene Eftalou ist an diesem Wochenende voller Leben: Alle Griechen
sind zum Karneval in ihren Ferienhäusern und sogar die Hotels haben Gäste. Die Hunde müssen nun anstimmen gegen das Lachen und Schreien der Kinder, das laute Diskutieren der Erwachsenen und das Rufen der Chorta suchenden Frauen. Verstärkung findet unsere Hundegang bei dieser lautstarken Aktion durch ein altes Mitglied: Whisky. Ja, schon gut, Entschuldigung für den Namen. Aber als die Hündin im letzten Winter unser Haus aufsuchte und ich ihr schwarz-weißes Fell sah, musste ich unwillkürlich an die Whiskysorte
Black&White denken. Nicht, dass sie so ein weiß-schwarzer Scottish Terrier ist, sie ist mehr wie ein Englischer Schäferhund, ein Border-Collie, der wie ein reinrassiger trainierter Schäferhund griechische Esel aus dem Garten vertreiben kann. Also, Whisky bekam nicht ihren Namen, weil ich gerne Whisky trinke. Ich mag den Hund, aber nicht das Getränk. Im vergangenen Jahr hatten wir zu viele Hunde, und so waren wir sehr glücklich, als ein Freund im letzten Mai Whisky adoptieren wollte. Ich dachte, dass Whisky ein
richtiges Zuhause bräuchte, einen Schlafplatz für sie allein, ungeteilte Aufmerksamkeit und Liebe, all das, was ich angesichts der 15 Katzen und 4 Hunde hier, ihr nicht geben kann. Also ging Whisky nach Plomari und wurde eine richtige Hundedame. Ich dachte, sie sei glücklich dort. Ich habe mich geirrt. Letzte Woche rief unser Freund aus Plomari an und berichtete mir, dass Whisky verschwunden sei. Er hat die Eingangstür zum Haus nicht richtig geschlossen, und Whisky hat aus ihm unbekannten Gründen die Flucht
ergriffen. Nun, es ist ja nicht ungewöhnlich, dass hier auf der Insel andauernd Katzen und Hunde verschwinden. Im Gegenteil, es ist kaum nach zu halten, wer gerade sein Tier vermisst. Erst letzte Woche erzählte mir ein Freund, das sein Hund im Zentrum von Kaloni vergiftet wurde. Und über all die unzähligen Katzen zu berichten, die allein an einem Tag hier den Vergiftungstod sterben, würde zu weit führen. Tagelang hat
unser Freund in Plomari vergeblich Ausschau nach Whisky gehalten, und so mussten wir davon ausgehen, dass auch sie dem Gift zum Opfer gefallen ist, vom Auto überfahren oder gar von einem Jäger erschossen wurde, der sie mit einem Fuchs verwechselt hat. Ich vermutete Whisky bereits im Hundehimmel. Sechs Tage später kamen wir spät in der Nacht heim, und ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen: Mitten in dem Rudel der Hunde, das unserem Auto begrüßend entgegenlief, entdeckte ich Whisky, so, als sei sie nie fort
gewesen. Wie, um Himmels Willen, ist dieses Tier von Plomari nach Eftalou gekommen? Als ich mir ihre Pfoten ansah, wurde mir schon klar, dass sie gelaufen sein musste. Ich weiß nicht, wie viele Kilometer es von Plomari bis Eftalou sind, aber ich weiß, dass es eine Autofahrt von 1,5 – 2 Stunden ist! Wie auch immer, irgendwie hat Whisky ihren Weg nach Hause gefunden. Ob sie dabei zunächst die Berge nach Kaloni und dann noch einmal die nach Petra, Molyvos und Eftalou überwinden musste? Woher kannte sie den Weg? Ich
nehme ja wohl kaum an, dass sie per Anhalter gefahren ist... Wir denken mal, dass Whisky großes Heimweh nach ihrem alten Zuhause hatte, dem Plätzchen Erde, wo sie den lieben langen Tag frei herumtollen und mit ihren Gefährten spielen kann. Sie hat sich entschieden: Gegen all die Aufmerksamkeit, die ihr in Plomari zuteil wurde und für die Freiheit! Ich bin sehr glücklich darüber, dass Whisky lebt und wohlauf ist. Jedoch,
andererseits, haben wir wirklich zu viele Hunde. So bringt mich dies Erlebte, gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen: Ich will nicht mehr all diese ganzen Tiere!!! Was sollen wir machen, mit dieser Hundedame, die so klar und bewegend zeigt, was sie will? Natürlich können wir sie nicht nach Plomari zurückschicken. Aber was sollen wir machen? Copyright ©Julie Smit 2007 |