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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

"Das Schloß"

24.April 2007 - Bankgeschäfte

Aus dem Englischen von Gabriele Podzierski

Die heutigen finanziellen Transaktionen in der Welt sind für mich böhmische Dörfer. In dieser Woche sieht es so aus, als wolle das englische Bankhaus Barclays die niederländische ABN/AMRO-Bank übernehmen. Der Ertrag sei nicht ausreichend, obwohl diese jährlich Millionen-Gewinne macht. Wohin gehen die Milliarden, die für den Kauf bezahlt werden? Müssen all die englischen Bankkunden diese Summe von ihren mageren Ersparnissen abzwacken? Warum muss die Bank saniert werden, wenn sie doch Riesengewinne abgeworfen hat? Für mich ist das alles ein undurchschaubarer finanzieller Hokuspokus der modernen internationalen Geschäftswelt, denn ich habe gar nichts an meiner holländischen ABN/AMRO-Bank auszusetzen. 

In Sachen Bank ticken die Uhren in Griechenland ganz anders. Für das Büro der Nationalbank von Griechenland (Etniki) in Molyvos wäre eine Übernahme sehr von Nöten. Das Interieur ist aus den fünfziger Jahren: Wuchtige schwarze pompöse Möbel, die gerade mal soviel Raum lassen, dass einige Kunden an der, vor den beiden nebeneinander liegenden Schaltern gezogenen Linie eine Warteschlange bilden können. 

In Griechenland herrscht immer noch die Zettel- und Stempelwirtschaft, was einiger Zeit an den Schaltern bedarf, um eine Angelegenheit erledigt zu bekommen. Möchte man hinsichtlich eines Geldgeschäfts beraten werden, so darf man an einem Schreibtisch Platz nehmen, unmittelbar neben den wartenden Menschen. Da sitzt dann nun eine nette Dame, die freundlich Antworten auf jede Frage gibt. Ob Sommer oder Winter, die Bürger von Molyvos haben jeden Tag irgendetwas in der Bank zu erledigen, so dass es dort auch immer eine Warteschlange gibt. Während man nun also der netten Dame ausführlich seine finanzielle Situation darlegt, können alle Leute, von denen man mindestens zwei sehr gut kennt, mithören und einen Einblick in die privaten Geldgeschäfte nehmen.  

Vor ca. 10 Jahren, war ich in Sri Lanka, wo der Geldumtausch damals noch einen Ausflug ins Entertainment bedeutete: Als Ausländer wurde man in einen Raum gebeten, in dem 20 Schreibtische standen, die drohten, unter den Bergen von Papier zusammenzubrechen, und an denen eifrige Angestellte tief gebeugt über ihren Akten saßen. Sie schienen so beschäftigt, aber wenn man genau hinsah, so bemerkte man, dass sie einen heimlich aus dem Augenwinkel anstarrten, als käme man vom Mars. Es wurde einem ein Stuhl und ein Glas Wasser angeboten und um den Pass und das zu wechselnde Geld gebeten. Wenn man im Ausland ist, so ist der Pass eines der kostbarsten Dinge, die man hat, und deshalb ließ ich dieses Dokument auch nicht eine Minute aus den Augen. Eine schwierige Angelegenheit, denn er wanderte von einem Tisch zum anderen. Die Papiere, die beigefügt wurden, waren kaum noch zu zählen, und dann kam hier ein Stempel und dort ein Stempel hin, und da noch einer... Stunden später wurde der gesamte Papierberg –inklusive Pass- in ein verglastes Büro getragen, in dem wahrscheinlich der Chef residierte. Eine spannende halbe Stunde später war meine Transaktion geglückt, ich bekam meinen Pass zurück und ein Bündel frisch gedruckter Geldscheine in der Währung von Sri Lanka.  

Der Besuch einer Bank in Sri Lanka war, wie ein Sprung in das Buch „Das Schloß“ von Franz Kafka. Ungefähr dasselbe Gefühl kriege ich auch, wenn ich in Molyvos die Bank betrete. Es stehen dort Computer, die nichts anderes zu machen scheinen, als Papierberge auszuspucken. Bei der Kontoeröffnung bekommt man ja noch ein Büchlein, in das jede Kontobewegung bei einem Bankbesuch verzeichnet wird. Unterlagen, direkt von der Bank, haben wir noch nie gesehen, und wir haben uns auch noch nicht getraut, Geld aus einem Automaten zu ziehen, obwohl es diese im Dorf gibt. 

Privatsphäre kennt man hier im Dorf nicht, und auch das Wort Effizienz ist in der griechischen Bürokratie unbekannt. Man kann die Griechen total verwirren, wenn man ihnen sagt, dass man denselben Vornamen, wie der eigene Vater hat. Hier ist in ein jedes offizielle Papier der Vorname des Vaters einzutragen. In Holland ist es häufig so, dass man heißt, wie der Vater, z.B., Peter Pan, Vater: Peter Pan. In Griechenland werden  die Kinder nach den Großeltern benannt. Der Vater von Peter Pan müsste dann also Paul Pan heißen. Wenn man nun zweimal denselben Namen angibt, wird man dreimal gefragt, ob dies ein Scherz sei. Die Erklärung, dass die Weitergabe des väterlichen Namens üblich sei, wird mit Unglauben quittiert.  

Nun, unser griechisch ist weit davon entfernt, perfekt zu sein, so dass wir des Öfteren deswegen in große Sprachverwirrung geraten. Völlig unverständlich ist es für den Griechen auch, dass ein Holländer durchaus 3 oder 4 Vornamen haben kann. Überlässt man es einem Sachbearbeiter, die Namen zu übertragen, kann man sicher sein, danach sowohl einen neuen Vornamen, als auch einen anderen Nachnamen zu haben.   

Seit Griechenland Mitglied der EU ist, ist die Bürokratie noch abenteuerlicher geworden. Wir können glücklich sein, dass wir kein Gesundheitsbuch brauchen, so wie die Leute, die in der Gastronomie arbeiten. Dafür benötigt man, neben Röntgenbildern, auch unzählige Stempel, die man jedoch nur in Mytilini bekommt. Dort aber nicht alle Stempel in einem Büro oder verschiedene Stempel in verschiedenen Zimmern eines Gebäudes, nein, die zuständigen Dienststellen sind in der gesamten Hauptstadt verteilt. Hat man denn dann endlich alle Ämter gefunden, kann man noch von Glück reden, wenn man auf einen Sachbearbeiter trifft, der arbeitswillig ist, d.h. der bereit ist, einen Stempel aufs Papier zu drücken, von dem er sich vorher überzeugt hat, dass es korrekt ausgefüllt ist. Es ist kaum zu glauben, aber man sollte vorher auch sein Röntgenbild checken, denn einer Freundin ist es kürzlich passiert, dass sie in dem Behörden-Dschungel mit dem Röntgenbild einer anderen Frau unterwegs war.

Ich weiß nicht, ob in Athen die Bürokratie bereits fortschrittlicher geworden ist, aber ich weiß mit Bestimmtheit, dass das hier in Molyvos nicht der Fall ist. Lustig genug, denn genau wie in Kafkas Roman „Das Schloß“, der von einer unmöglichen Bürokratie handelt, thront ja auch über unserem Dorf die Burg. So, wie ich das zu beurteilen vermag, funktioniert meine holländische ABN/AMRO-Bank doch. Ich schlage vor, dass all die großen Geld-Bosse einmal nach Griechenland kommen. Es muss ein Schlaraffenland für all die sein, die Reorganisation auf ihre Fahnen geschrieben haben. Mit den Milliarden, die sie nun für die ABN/Amro-Bank ausgeben wollen, könnte man alle griechischen Geldinstitute sanieren, ganz Lesvos modernisieren und noch Millionen an die Einwohner verteilen, und die können dann im Gegenzug wieder große Geschäfte mit ihrer Bank tätigen...

Copyright ©Julie Smit 2007