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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
20.Mai 2007 -
Brotneid
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Es sollte Ihnen ja
doch schon aufgefallen sein, dass ich in den meisten meiner bisher erschienenen
Kolumnen die Insel Lesvos preise und die Liebe zu ihren Bewohnern zum Ausdruck
bringe. In dieser Woche jedoch, muss ich einfach einmal einen schlechten
Charakterzug der Griechen zur Sprache bringen, und zwar den Neid auf
geschäftlichen Erfolg.
Eigentlich sind die Griechen sehr unkompliziert, und für sie ist alles gut und
in Ordnung, solange es nicht so aussieht, dass da jemand ist, der zuviel Erfolg
zu haben scheint. Dann beginnt das große Murren und Klagen, und im schlimmsten
Fall, schalten sie die Instanzen ein, um zu prüfen, ob denn dies auch mit
rechten Dingen zugeht.
Nicht nur die Ausländer müssen sich in geschäftlichen Angelegenheiten
verzweifelt durch einen Berg von Papieren und Dokumenten wühlen, auch die
Griechen selbst wissen häufig nicht, welche Unterlagen wann erforderlich sind.
So überlässt man es meist einem Freund das Ausfüllen der Formulare, und, wenn
irgendwie möglich, versucht man Steuerzahlungen zu vermeiden und hintergeht die
gesetzlichen Auflagen. Gut geht das jedoch nur, bis jemand befürchtet, dass
einem anderen der finanzielle Durchbruch geglückt ist.
Dieser Jemand geht dann nämlich hin und schickt dem "Besserverdienenden" die
Polizei auf dem Hals, die dann überprüft, ob alle erforderlichen Papiere
vorliegen, er Steuern gezahlt hat und ob nicht vielleicht seine Angestellten
"schwarz" arbeiten.
Es gibt Supermärkte, die sich über diejenigen beschweren, die mit einem
Gemüse-Verkaufswagen unterwegs sind, erfolgreiche Geschäftsideen werden
boykottiert, weil der Inhaber nicht von der Insel kommt, gut gehende Bars werden
mit Beschwerden bombardiert, weil angeblich die Musik zu "hart" sei - kurzum:
Man gönnt seinem Nachbarn nicht "das Schwarze unterm Fingernagel".
Letzte Woche haben die unzufriedenen Fluglotsen gestreikt, so dass Reisende aus
Holland von Athen aus mit dem Boot auf die Insel kommen mussten, und Abreisenden
nichts anderes übrig blieb, durch die Türkei zu reisen, um in Izmir die Maschine
für den Heimflug zu besteigen. Auf Lesvos sind einige staatliche Reiseführer
auch sehr unglücklich. Sie rufen zwar nicht zum Streik auf, aber sie drohen
damit, zur Polizei zu gehen, denn ihr Einkommen wird schmäler und schmäler
aufgrund der Tatsache, dass sich ihnen immer weniger Touristen anschließen. Sie
werden grün und gelb vor Neid, wenn sie an der Straße stehen und die Jeeps einer
"Safari" vorbeifahren sehen, die von einem Ausländer geleitet wird oder
Wandergruppen erblicken, die von einem Nicht-Griechen durch die "Gärten" von
Molyvos geführt werden.
Seit die ersten Touristen Griechenland für sich entdeckt haben, gibt es die
staatlich anerkannten Reiseführer, die darauf geschult wurden, den Besuchern
über die glorreiche Vergangenheit des Landes der Götter Kenntnis zu geben.
Sollten Sie z.B. den "Versteinerten Wald" hier auf Lesvos besuchen, so werden
sie auf einen solchen Guide treffen und auch bei Besuchen von Klöstern oder
Dörfern von historischer Bedeutung, wie z.B. Molyvos, Skalá Sikaminéas und
Agiássos.
Inzwischen sind Busreisen jedoch ziemlich out. Die Touristen tendieren mehr
dahin, die Insel per Jeep oder zu Fuß zu erkunden, was bedeutet, dass es für die
staatlichen Reiseführer immer weniger Arbeit gibt, was sie ziemlich verärgert.
Anstatt sich aber einmal zu fragen, warum der Trend sich geändert hat, wohin er
führt und wie man ihm folgen kann, ziehen sie es vor, mit Behörden zu drohen und
zu behaupten, dass die Begleiter der gut gehenden Exkursionen illegal seien.
Glücklicher Weise ist dem aber nicht so, mit der einzigen Einschränkung, dass
für diese die griechische Geschichte ein Tabuthema sein muss.
Nehmen wir z.B. Dolf, der Interessierte auf einem Spaziergang durch Molyvos
begleitet. Er gibt die Richtung an, führt durch das mittelalterliche
Gassengewirr, erklärt den Weg zur Burg und gibt Anleitung, um zum Hafen zu
finden.
(Anbieter: Panatella, Molyvos).
Sigrid nimmt Sie mit auf eine 2-tägige Jeepsafari, fährt voran im 1. Jeep und
zeigt, wie man die Kurven gut nehmen kann, wo man langsam fahren muss und an
welcher Stelle man beschleunigen kann, weist auf Flüsse und Wälder hin, fährt
mit Ihnen den Berg Olympos rauf und wieder runter, kennt die schönsten Buchten
für eine Badepause, die Tavernen mit den leckersten Köstlichkeiten und kümmert
sich um Ihre Übernachtungsmöglichkeit bei den heißen Quellen von Lisvori, ein
Plätzchen, was Ihnen eine traumhaft schöne unvergessene Urlaubserinnerung
schenken wird. (Anbieter: "Number One - Petra of Natura", Kaloni)
Ja, und dann ist da noch Jan, der Sie auf der Exkursion "Lesvos-Spezialitäten -
Eine Wanderung mit Jan" durch die "Gärten" von Molyvos begleitet. Er zeigt Ihnen
alles, was hier so grünt und blüht, informiert über die Nutzbarkeit der
Pflanzen, gibt Tipps, wo man regionale Produkte einkaufen kann und führt zum
Abschluss in die Taverne "Perikles", wo Ihnen die Möglichkeit geboten wird, der
Frau des Hauses bei der Zubereitung des Ihnen servierten Males in der Küche über
die Schulter zu schauen oder - wenn Sie mögen - gar dabei selbst Hand anzulegen.
(Anbieter:
OAD/TUI, Molyvos).
Das aktuellste Ausflugsangebot läuft unter "Schnappschuss". Ein Spaziergang für
Hobby-Fotografen mit dem Fotografen Jan van Lent (der auch die vorgenannte
Spezialitäten-Tour leitet). Er geht mit Ihnen den "Alexander-Rundweg" von Petra
nach Lafiónas, gibt fachliche Tipps, damit Ihnen die Fotos von der
atemberaubenden Landschaft gelingen, und Sie die prachtvollen Blumen in
großartigen Nahaufnahmen festhalten können.
Es ist doch klar, dass die Landes-Reiseführer nicht darauf geschult wurden, mit
Ihnen die schmalen Gassen auf und ab zu klettern, den Staub der Straße zu
schlucken, um bei einer Jeep-Safari Berge zu erklimmen, über die Insel-Botanik
mit Ihnen zu plaudern oder Ihnen gar einen Lehrgang in Sachen Fotografie zu
geben. Wenn sie jedoch schlau sind, sollten diese endlich dafür sorgen, dass sie
einen Überblick darüber bekommen, was der Tourist von Heute will und daran
arbeiten, ein entsprechendes Angebot auf die Beine stellen zu können, anstatt
sich zu beschweren.
Es bedeutet auch, dass Sie bei der neuen Ausflugs-Palette nicht einen Führer
sondern einen Begleiter an Ihrer Seite haben. Sollte es dazu kommen, dass diesem
bei einer Exkursion irgendetwas über die griechische Geschichte über die Lippen
kommt, so schweigen Sie bitte darüber, denn ansonsten gehören diese Ausflüge
demnächst wieder der Vergangenheit an und Ihnen bleiben dann wieder nur noch die
Busausflüge.
Jedoch muss ich zugeben, dass der "Versteinerte Wald" eine Bustour wert ist.
Nicht nur, dass das Ziel einzigartig ist, es erwartet Sie zudem eine Fahrt durch
den beeindruckendsten Inselteil, so dass man die Fahrt durchaus als eine
lohnenswerte Inselfahrt sehen kann. Die Holländer dürfen sich glücklich
schätzen, da neben dem staatlichen Reiseführer auch Dolf dabei ist, der beste
Bustour-Unterhalter der Insel.
Pech haben Sie, wenn Sie der holländischen Sprache nicht mächtig sind, denn Dolf,
Sigrid und Jan sind einfach nur in ihrer Muttersprache unschlagbar.
Aber hier mein Tipp: Machen Sie es, wie die Griechen, und drohen Sie Ihrem
Reiseveranstalter mit massiven Klagen, sollte er nicht in der Lage sein, Ihnen
einen Begleiter auf Ihren Wander- und Jeeptouren an die Seite zu stellen, der
Ihnen wertvolle Informationen in Ihrer Sprache geben kann. Copyright ©Julie Smit 2007 |