|
|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
30.Juli 2007 -
„Eine Bratwurst, bitte!“
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Letzte Woche gingen
die Bewohner des kretischen Dorfes Malia, auf die Straße, um ihrem Unmut
Ausdruck zu verleihen und zu protestieren. Sie haben die Nase voll von den
Touristen, insbesondere von den unter 30-jährigen Engländern, die seit einiger
Zeit das Dorf terrorisieren. Ob sturzbesoffen, oder auch nicht, sie machen die
Straßen, Bars und Restaurants unsicher, pöbeln friedliebende Passanten an,
lassen bei jeder x-beliebigen Gelegenheit ihre Hosen runter, haben ein dreckiges
Mundwerk und auch nicht die geringsten Hemmungen, auf offener Straße „ein
Nümmerchen zu schieben“.
Inzwischen ist es
soweit, dass sich abends niemand mehr auf die Straße traut, und die Bewohner
darauf verzichten, zum Essen auszugehen. Welch eine Einschränkung ihrer
Lebensqualität, ist es doch das, was die Griechen so sehr lieben: Der abendliche
Bummel durch das Dorf, das Sitzen an der Straße und über Gott und die Welt
plaudern sowie – und das besonders jetzt im Hochsommer – das Essengehen, nur
wenige Stunden vor Mitternacht.
Auf Lesvos ist man
glücklicherweise verschont von derartigen Übergriffen durchgeknallter Touristen.
Hier trifft man weder auf Gruppen betrunkener junger Leute, die laut grölend
durch die Gassen wanken, noch auf Menschen, die denken, sie könnten ungezügelt
tun und lassen, was sie wollen. Hier auf der Insel wird man höchstens mit
Besucherinnen konfrontiert, die barbusig all überall da in der Sonne liegen, wo
es ihnen gerade passt und Urlaubern, die rücksichtslos beim Umkleiden am Strand
minutenlang nackig bleiben, obwohl sie umgeben von griechischen Familie sind.
Kommt man das erste
Mal nach Lesvos, ist man überrascht und schier begeistert darüber, dass die
Insel so gar nicht touristisch überlaufen ist. Keine riesigen Hotelbunker, keine
km-langen Straßen, in denen sich ein Souvenirshop an den anderen reiht, keine
Bars, aus denen die Musik so laut dröhnt, dass man selbst 20 Meter weiter sein
eigenes Wort nicht versteht, und keine Bratwurststände.
Lesvos ist noch eine
Insel, die der Vorstellung von einem griechischen Inselurlaub voll entspricht:
Einige wenige Touristenzentren, wie Molyvos, Petra, Anaxos im Norden, Skala
Kaloni in der Mitte und Eressos und Plomari im Süden. Dazwischen: Unverdorbene,
ausgedehnte, vielfältige und überwältigende Landschaftsbilder, die einen in den
Bann ziehen. Für diejenigen, die es geselliger mögen, gibt es einige Strände, an
denen es etwas lebhafter zugeht, aber es gibt auch unzählige ruhige Buchten und
Küstenstreifen, die ungestörte Lesestunden garantieren. Die Hotels und Pensionen
sind beschaulich, und in den Tavernen kommt die Griechische Küche auf den Tisch.
Im spanischen Lloret
de Mar, muss man lange suchen, wenn man den Wunsch verspürt, landestypisch zu
essen. Da verlangen die Holländer, aus lauter Misstrauen, nach dem, was sie von
Muttern daheim bekommen. Kann ich persönlich nicht nachvollziehen, denn mir
läuft beim bloßen Gedanken an die spanische Kost, insbesondere an die köstlichen
Tapas, das Wasser im Munde zusammen. Sollten demnächst die Spanier Lesvos für
sich entdecken, ich werde sie mit offenen Armen empfangen, zumal, wenn sie ihre
eigene Tapas-Bar mitbringen.
Bitte, nicht falsch
verstehen, es ist keine Beschwerde, denn ich liebe die Griechische Küche. Aber
zugeben muss ich auch, dass die nicht allzu reichhaltigen Speisekarten, sich
hier überall gleichen, als einiziges fremdländisches Gericht die Pizza Akzeptanz
findet und es nur ein einziges China-Restaurant auf der Insel gibt, und zwar in
der Hauptstadt Mytilini.
Viele Touristen
besuchen Lesvos nicht nur einmal, kehren jedes Jahr auf die Insel zurück und
verweilen einen Monat oder sogar länger hier. Wenn ich sehe, dass sie in dieser
Zeit Tag für Tag zum Essen gehen, frage ich mich schon, wann sie denn wohl die
Abwechslung vermissen. Für mich ist es eine Herausforderung geworden,
fremdländische Spezialitäten mit griechischen Ingredienzien zuzubereiten:
Paella, Couscous, Bami, „Huhn indisch“ mit Joghurt, etc., und mit etwas Hilfe
aus Holland, kann ich sogar ein Sushi auf den Tisch bringen.
Molyvos kann da
glücklicherweise mit einigen Restaurants aufwarten, die während der Saison
gelungene Abänderungen in die Speisekarte einfließen lassen: Zunächst die „Brasserie“
(auf der rechten Seite, kurz vor dem Hafen), wo man wöchentlich ein anderes
Highlight anbietet, wie z.B. das Hähnchencurry. Dann ist da das „Sansibal“ (auch
auf dem Weg zum Hafen), das mit kulinarischen Leckerbissen, wie einem richtigen
Beefsteak, aufwartet und last but not least, „Captain´s Table (direkt im Hafen),
wo man mit Spezialitäten, wie einem Taboulé Salat überrascht wird.
Obwohl, gehe ich zum
Essen aus, so ziehe ich die inseltypische Kost vor. Nach einigen Tagen der
Selbstversorgung, sehne ich mich schier nach gegrilltem Oktapus, Kalamari,
frischen Bohnen, Feta aus eigener Herstellung, Lammkoteletts, gefüllten
Zucchiniblüten, etc. Mir tun die Menschen leid, die sich nicht an die
einheimische Küche herantrauen, sie wissen nicht, was ihnen entgeht. Die
Gerichte sind einfach, aber es wird das verarbeitet, was die Jahreszeit hergibt,
und das bedeutet, dass alles jederzeit herrlich frisch und gesund ist.
Die Hitzewelle ist
überstanden, und die Temperaturen haben sich auf die jahresüblichen Gradzahlen
eingependelt. In den letzten heißen Wochen, sehnte man sich ja einfach nur nach
einem kühlenden Eis oder einer erfrischenden Wassermelone. Jetzt, wo mir der
Schweiß nicht mehr in Strömen vom Körper rinnt, ereilen mich schreckliche
Heißhungerattacken, und zwar auf all die Dinge, die ich hier nicht bekomme. Mein
Bedürfnis nach einem schmackhaften holländischen salzigen Matjes ist zwar
gestillt, seit ich das griechische Sardelles pastes entdeckt habe, vielmehr
richtet sich meine derzeitige Sehnsucht auf diese leckeren holländischen Snacks,
wie Kroket, Bitterbal, Frikandel oder einer Rookworst von „Hema“ (ähnlich der
Bratwurst in Deutschland).
Auf der anderen
Seite weiß ich aber auch , dass ich für keine hunderttausend Bratwürste in Mali
oder Lloret de Mar wohnen möchte, da leb ich doch lieber hier ohne die Wurst.
Copyright ©Julie Smit 2007 |