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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
27.August 2007 -
I cry for you, Greece
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Während
immer noch viele Brände unvermindert durch Griechenland wüten, ist für das
gesamte Land der Notstand ausgerufen und eine 3-tägige Staatstrauer anberaumt
worden. Jene drei Tage sind nun fast vorüber, die Zahl der Opfer steigt weiter
an, und immer noch brechen täglich neue Flammenherde auf. Diese Katastrophe kann
man nicht mit drei Tagen Staatstrauer abtun. Es ist eine solch große, jedoch
langsam fortschreitende Tragödie, wie Griechenland sie vorher noch nicht erlebt
hat.
Von Samstag
an zeigten sämtliche Fernsehsender unaufhörlich die schrecklichen Bilder der
gewaltigen Feuer aber auch endlos debattierende angesehene Bürger des Landes und
Moderatorinnen, die - augenscheinlich unbeeindruckt - Telefonate mit den
Bürgermeistern der betroffenen Dörfer führten, die herzzerreißend um Hilfe
flehten und bildhaft schilderten, wie bedrohlich nah die Flammen und in welcher
Gefahr ihre Bürger waren, und mit verzweifelten Menschen, die nicht begreifen
konnten, warum ihnen jedwede Hilfe versagt blieb und sich im Stich gelassen
fühlten.
Bilder und
Worte reichen nicht aus, um diese schreckliche Tragödie zu beschreiben. Sogar
die Anzahl der immer wieder ausbrechenden Brände, kann das immense Leid nicht
nahe bringen. „Griechenland brennt!“ schreien die Schlagzeilen auf. Griechenland
weint.
Man kann
doch nichts anderes, als weinen, wenn man sieht, wie die Menschen verzweifelt um
ihre Häuser kämpfen: Mit Zweigen, Wassereimern und Gartenschläuchen stehen sie
haushohen Flammen gegenüber, die ihr Hab und Gut bedrohen... und ihre
Anstrengungen sind in den meisten Fällen vergeblich.
Die
Regierung gibt keinen Kommentar mehr. Sie steht unter Beschuss, aufgrund
fehlender Hilfeleistung. Premierminister Karamanlis schiebt die Schuld auf
Brandstifter, aber ich, für meinen Teil, kann nicht glauben, dass all die, ca.
50 neu entstehenden Brände täglich, das Werk von skrupellosen Feuerteufeln sein
sollen.
Die
griechische Regierung sollte sich was schämen! Nicht nur die derzeitige
politische Führungspartei, NEA DEMOKRATIA, sondern genauso die PASOK, die
jahrelang in Griechenland das Ruder in der Hand hatte. Beide sind schuld daran,
dass keinerlei Vorkehrungen und Maßnahmen getroffen wurden, die jetzt schnell
und wirksam greifen könnten, um Menschen, Häuser, Tiere und kostbares
fruchtbares Land zu retten und die erforderlichen Hilfsmaßnahmen gewähren zu
können.
In dem
holländischen Buch „Oriste, een reiswijzer Griekenland“, erschienen 1999 bei
Teleac-Not, ist auf der Seite 154 über die Feuerwehr zu lesen: „ Eine der
besorgniserregendsten Entwicklungen, ist die stetig zunehmende Zahl von
Waldbränden, und die Tatsache, dass man den Kampf dagegen nicht aufnimmt.
Bislang war
die Forstverwaltung dafür verantwortlich, aber nun wurde die Verantwortlichkeit
auf die Feuerwehr übertragen. Streitigkeiten zwischen den beiden Behörden, keine
gute Ausrüstung, dazu die häufig hohen Temperaturen, all dies keine gute Basis,
Wälder zu retten. Es ist gut zu wissen, dass in einem solch trockenen Land, wie
Griechenland, ein weggeworfener Zigarettenstummel eine riesige Katastrophe
auslösen kann.“
Die
griechische Regierung hat ihr Augenmerk nur auf den Staatsfeind Nummer 1, die
Türkei, gerichtet. So investiert sie eine Menge Geld in die Aufrüstung des
Landes und übersieht dabei den anderen großen Feind, das Feuer. Als ca. 180
Brände an einem einzigen Tag aufloderten, stand man diesen Feuerherden mit ca.
1000 Feuerwehrleuten gegenüber. Unterstützt wurden diese Männer durch 20
Löschflugzeuge und 19 Hubschraubern. Wie sollte dieser Kampf erfolgreich sein?
Es ist so
verdammt einfach, die Schuld auf Grundbesitzer zu schieben, die mit der
Wertsteigerung ihres Landes rechnen, wenn dieses baumlos ist, oder auf
Grundstücksmakler, die in abgefackeltem Terrain den idealen Bauplatz sehen.
Es ist ja
nicht von der Hand zu weisen, dass diese Menschen wirklich für einige Brandherde
verantwortlich sind, aber ich habe Angst, dass mit dieser Schuldzuweisung andere
Ursachen, mit denen die Regierung eines modernen Landes sich hätte schon viel
früher befassen müssen, in den Hintergrund geraten.
Hat sich
die Regierung überhaupt jemals über die illegalen Mülldeponien in der
griechischen Landschaft gekümmert? Ein jeder Spaziergang, den man macht, führt
an einem solchen durch Abfall verunreinigten Stückchen Natur vorbei. Da muss
doch nur eine Flasche liegen, bei der die Sonnenstrahlen denselben Effekt haben,
wie bei einem Vergrößerungsglas, und zack, eine Flämmchen züngelt empor...
Unterstützte die Regierung je den Bau einer zentralen Müllverwertungsanlage,
womit all die anderen Müllhalden überflüssig würden? Erst im letzten Jahr ist
auf einer solchen Deponie, in der Nähe von Thessaloniki, ein Feuer ausgebrochen,
das toxische Rauchwolken freisetzte. In Molyvos ist so etwas noch nicht
passiert, aber glauben Sie mir, es ist schon ein jedes Mal arg angstbesetzt,
wenn im Herbst die Mülldeponie in Brand gesetzt wird, um so den Platz zu
säubern. Und da muss ich gar nicht erst die Dämpfe erwähnen, denen man dann Tag
für Tag ausgesetzt ist.
Auch
machten einige Nachrichtensender auf Funken sprühende Elektrizitätsmasten
aufmerksam. Die haben wir hier auf Lesvos auch, und einer davon steht sogar
direkt neben unserem Haus. Besonders in der Winterzeit, wenn es windet und
regnet, präsentiert ein solcher Pfahl ein wahres Feuerwerk, und selbst ich habe
schon einmal erlebt, wie daraus ein kleiner Brand entstand. Glücklicherweise
geschah dies in einer Jahreszeit, in der wir von der Hitze und Trockenheit des
Sommers nur träumen konnten.
Nun, so wie
die Chinesen derzeit die Ursache der steigenden Milchpreise in Europa sein
sollen, sind die Brandstifter für die verheerenden Feuer in Griechenland
verantwortlich. Die Regierung sollte vor Scham im Boden versinken! In einigen
Wochen, am 16. September, sind Wahlen. Am Wochenende der Katastrophe stoppten
die führenden Politiker der großen Parteien (NEA DEMOKRATIA, PASOK und die
kommunistische Partei KKE) ihre PR-Kampagnen und machten sich auf zu den am
ärgsten betroffenen Plätzen. Jetzt, wo kritische Stimmen richtig laut geworden
sind, halten sie sich, aus lauter Angst vor einem falschen Schritt, zurück. Ein
Teil des Geldes für die Wahlwerbung soll nun den Opfern zur Verfügung gestellt
werden, aber man weiß ja nie, wie eine Volksmenge in Verzweiflung, Wut und
Hilflosigkeit reagiert.
Die
Hitzewelle scheint vorbei, obwohl weiterhin hohe Temperaturen vorhergesagt
werden. Die Brandherde sind lange noch nicht gelöscht. Wenn der Tag da ist, an
dem die Griechen zur Wahlurne gehen, wird man ein klares Bild davon haben, wie
viel menschliches Elend, wie viel ökologische und ökonomische Zerstörung diese
Feuersbrunst hinterlassen hat. Die Wahltage versprechen heiß zu werden.
Copyright ©Julie Smit 2007 |