|
|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
5.Dezember 2007 -
Blumen des Windes
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Obwohl ich
regelmäßig Chorta gegessen, Unmengen von frischem vitaminreichem Gemüse
konsumiert und literweise den Saft der Orangen, die nun beginnen, von den Bäumen
zu fallen, getrunken habe, hat mich die Grippe wirklich schwer erwischt...
Und nicht
nur mein Körper ist vollkommen neben der Spur, auch draußen herrscht ein
völliges Durcheinander: Ist es an einem Tag ein kräftiger Südwind, der unsere
Gartenstühle Richtung Meer pustet, so trägt ein Sturm aus dem Norden sie am
nächsten Tag an ihren Platz zurück. Das Wetter schlägt Kapriolen und zeigt uns
all seine Gesichter: mal ist es kalt, dann wieder warm, heftige Regenmassen
prasseln nieder, begleitet von Donnergrollen und grellen Blitzen, und dann
wieder zeigt sich ein azurblauer Himmel mit weißen bizarren Wolkengebilden, die
hastig ins Nirgendwo huschen. Das, was bei diesem Komplettangebot noch fehlt,
sind die Gipfel der Berge Olympos und Lepetimnos, die sich schneebedeckt ins
blaue Firmament recken.
Die
Sprunghaftigkeit des Wetters zieht mich noch mehr runter, und ich verkrieche
mich verschnupft in mein warmes Bettchen. Wenn Sie aber meinen, dass die Natur
ebenso verwirrt innehält, so irren Sie: Stellen Sie sich vor, ich habe zu meinem
völligen Erstaunen entdeckt, dass der Wilde Spargel bereits seine Köpfe
vorwitzig aus dem Gebüsch steckt! Sollte es bereits Frühling sein? Nein, denn
der griechische Kalender besagt, dass im Januar, also erst in einem Monat,
zunächst einmal der Winter beginnt. Der dauert bis Anfang März, dem Monat, in
dem der Spargel anfangen sollte, zu wachsen.
Ach ja,
einige wilde Narzissen lugen auch schon leuchtendgelb unter den Olivennetzen
hervor. Vor zwei Jahren war ich ja schon überrascht, als ich diese
Frühlingsboten zum Weihnachtsfest antraf, und jetzt finde ich sie noch einen
Monat früher...
Wie auch
immer, die Blume die meines Erachtens total verrückt spielt, ist die Anemone:
Bereits seit November sprießt sie büschelweise aus dem Boden. Für uns war sie
immer die Frühlingsblume. In unserem ersten Winter auf der Insel, erblickten wir
sie Ende Januar, letztes Jahr erblühte sie bereits Ende Dezember und dieses
Jahr... Hallo, der Winter steht vor der Tür und nicht das Frühjahr!
Die
Anemonen werden auch Windblumen genannt. „Anemos“ ist das griechische Wort für
Wind. Die Mythologie besagt hingegen, dass sie aus den Tränen der Aphrodite
entstanden sind. Die griechische Göttin der Liebe verliebte sich oft, bis zu dem
Tag, an dem sie Adonis begegnete, diesem jungen, umwerfend gut aussehendem Gott.
Da war es um sie geschehen, und sie liebte ihn aus tiefstem Herzen. Das
entfachte in Ares, dem Kriegsgott, zügellose Eifersucht. Er nutzte die
Jagdleidenschaft des Adonis und hetzte einen Eber auf ihn. Adonis verlor in dem
Kampf sein Leben, und Aphrodite vergoss unzählige bittere Tränen, die sich mit
dem Blut des Geliebten vermischten. Der Wind trug die Tropfen fort, und seitdem
kann man sie all überall verstreut finden, die blutroten Anemonen.
Diese roten
Schönheiten erscheinen jedoch erst, nachdem ihre Artgenossen in den Farben von
weiß bis violett bereits in voller Blüte stehen. Eine Erklärung für dieses
Phänomen fand ich in der Mythologie nicht, aber ich denke, auch hier hat die
eifersüchtige Gottheit Ares ihre Finger im Spiel.
Vielleicht
zählen die Anemonen ja die Anzahl der Stürme, und wenn eine bestimmte Zahl
erreicht ist, entfalten sie ihre Blütenblätter. In diesem Herbst hatten wir ja
schon so viele Stürme, wie sie ansonsten erst der Januar mit sich bringt, und
somit hatte es für die Blümeleins tatsächlich den Anschein, als würde der Lenz
Einzug halten. Tatsache ist jedoch, dass es noch 3 Monate dauert, bis wir diese
beglückende Jahreszeit empfangen dürfen.
Auf Zypern,
der Geburtsstätte der Aphrodite und damit, nach den griechischen Göttersagen,
dem Herkunftsland der Anemone, läuft es auch nicht in normalen Bahnen, denn all
die vielen, mit Regen gefüllten Wolken sind die ganze Zeit an dieser Insel
vorbeigezogen, ohne nur einen Tropfen zu verlieren. Der Erzbischof von Zypern,
Chrysostomos II., schickte ein Rundschreiben an alle Priester, mit der
Aufforderung, in den Kirchen mit den Gläubigen dafür zu beten, dass die
Trockenheit ein Ende habe, denn die Wasservorräte der Insel sind fast erschöpft
und reichen wahrscheinlich nur noch bis Ende des Jahres.
Hier, auf
Lesvos, zeigt sich das Wetter weiterhin animierend (noch ein Wort, dass von dem
griech. Anemos hergeleitet werden kann). Im Moment hämmern Regentropfen
unaufhörlich gegen die Fenster. Nun denn, Spargel, Narzissen, Anemonen, macht
was ihr wollt! Draußen ist es heut wie Winter, in meinem Kopf tobt ein Gewitter
und meine Nase erinnert an eine sich entleerende Regenwolke:
Ich geh´ins
Bett... Auf Wiedersehen!!
Copyright ©Julie Smit 2007 |