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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
6.März 2007 - Silberner Toadfish
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Das gute Wetter ist nicht mehr zu stoppen. Die Temperaturen steigen weiter und weiter, und die Sonne ist gar nicht mehr von dem strahlendblauen Firmament wegzudenken. Somit hatten wir auch freie Sicht auf die Mondfinsternis in der letzten Woche. In jener Nacht war es sogar so warm, dass wir problemlos unter dem Sternenhimmel mit dem rot gefärbten und silberumrandeten Mond hätten schlafen können. Mein
Vater lehrte mich, dass man in den Monaten, die ein „r“ in ihrem Namen tragen, frische Muscheln genießen könne. Nun, dies gilt jedoch nicht für Lesvos. Im Herbst und auch im Dezember gibt es diese Delikatesse hier nicht. Erst zu Beginn des Jahres wird die Muschelzeit eingeläutet. An Karneval sind sie traditionell auf der Speisekarte zu finden und damit ist die Saison der Muschelsucher eröffnet. Besonders beliebt sind bei ihnen die Buchten von Kalloní und Gerá. Ich liebe Schalentiere, aber: nur gekocht! In
diesem Jahr ist mir häufiger zu Ohren gekommen, dass viele Menschen nach dem Genuss von Schalentieren erkrankten. Sie aßen die Tiere – genau wie Austern – roh. Serviert man mir diese Speise in einer Taverne roh, so bitte ich freundlich darum, sie mir doch bitte zu kochen. Allergisch bin ich gegen Austern, und darum bin ich so froh, dass ich Muscheln und andere Schalentiere essen kann, aber, wie gesagt, gekocht. Wenn ich das Glück habe, Schalentiere in einem Geschäft zu finden, bereite ich sie nach dem alten
holländischen Muschelrezept zu: mit einer kleinen Karotte, Petersilie, einer Zwiebel, frischem Knoblauch, Thymian und Rosmarin, abgerundet mit einem Schuss Weißwein: köstlich! Auch wenn die Griechen sie kochen, schmecken sie wunderbar. Wenn ich die Muscheln auf dem Teller vor mir habe, achte ich jedoch darauf, dass die Schalen sich geöffnet haben. Sollte dies bei der einen und anderen nicht der Fall sein, so ist Vorsicht geboten, denn es ist ein Zeichen dafür, dass sie schlecht sein könnten. Dies gilt auch für
die Exemplare, bei denen sich die Schale bereits beim Saubermachen öffnet. Ich kann ihnen versichern, ich bin noch nie nach dem Essen von Muschel und Co. erkrankt. Mein Favorit auf der Insel: Chtenia´s, die kleinen Jakobsmuscheln, Platz 2: Kidonia´s, die den Namen der Quitte tragen, aber kleine Venusmuscheln sind, und Platz 3 vergebe ich an die Media, die Miesmuschel. Zu sich nehmen sollte man sie draußen in der Sonne, zusammen mit einem Glas Ouzo (oder 2, oder 3..), ein wenig Fava und etwas Salat. Denn ohne die
milde Wärme der Sonne und die begleitende Frische des Ouzo, kommt er nur zur Hälfte zur Geltung, der typisch salzige Geschmack der Schalentiere. Die Muschel-Esswochen sind angebrochen, und Sie können darauf wetten, dass wir diese Zeit auskosten. Andere Fische gibt’s derzeit nur wenig. Der Fang der Fischer sieht in diesen Tagen mager aus, und in den Tavernen ist die Auswahl minimal: allein kleine Fische, wie Gopa, Sardinen, Koutsomoures und ab und zu mal ein großer Thunfisch.
Wie die Weltbevölkerung, sind auch die Fische vollauf in Bewegung. Kürzlich warnte die englisch/griechische Zeitung „Kathimerini“ vor einem tödlich-giftigen Fisch, der vom Indischen Ozean, durch den Suezkanal nunmehr die Ägäis erreicht hat: Der Lagocephalus sceleratus, oder Silberner Toadfish (silver striped blaasop/Silberstreifen-Blaasop). Schon vor Jahren wurden einige Exemplare an den Küsten vor Israel, dem Libanon, der Türkei und auch vor Griechenland gesichtet, aber nun macht es den Anschein, als habe er sich dort fest niedergelassen. An
einigen Landstrichen entlang des Indischen Ozeans, gilt dieser Fisch als Delikatesse, aber nur dann, wenn er von einem Fachmann zubereitet wird, der genau weiß, wie Haut, Leber und andere giftigen Organe entfernt werden müssen. In Israel und im Libanon sind schon einige Todesfälle nach dem Toadfish-Mahl zu verzeichnen. Das erinnert mich doch alles sehr an die Geschichten, die sich um den Japanischen Kugelfisch ranken, der trotz alledem die japanische Gastronomie-Fischliste anführt. Wird er nicht richtig
zubereitet, kann es passieren, dass man tot am Tisch zusammenbricht. Wie auch immer, dieser Meeresbewohner scheint ein solcher Hochgenuss zu sein, dass Menschen ihr Leben dafür riskieren. Der Silvertoadfish trägt dasselbe Gift in sich, wie der Kugelfisch: Tetrodotoxin. Wahrscheinlich nicht in solchen Mengen, denn man stirbt nicht unmittelbar nachdem man ihn berührt, so wie es bei dem japanischen Gesellen passieren kann. Der Kugelfisch hat dank der japanischen Kochkunst Weltruhm erlangt und ihn einmal zu essen,
steht bei vielen Touristen ganz oben auf der kulinarischen Wunschliste. Jetzt schwimmt auch in unseren Gewässern ein Fisch, mit dem man Russisch Roulett spielen kann. Es liegt nun an den Spitzenköchen und den kulinarisch Wagemutigen, dies in eine touristische Attraktion umzusetzen. Ich für meinen Teil jedoch bleibe bei Chtenia´s, aber gekocht! Copyright ©Julie Smit 2007 |