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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
13.März 2007 - Leere Flüsse
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Heute haben wir einen sehr klaren Eindruck davon bekommen, wie trocken die Insel derzeit ist. Wir fuhren über die betonierte Straße bei Vatoússa und Ántissa nach Lápsarna und vergaßen völlig, dass man für den Rückweg wiederum diese Strecke nehmen muss, denn wenn man über die Schmutzstraße bei Liota um diese Jahreszeit zurück möchte, muss man einen Fluss überqueren, der normalerweise derzeit einen hohen Wasserstand hat. Bevor wir nach
Lápsarna abbogen, wählten wir eine uns unbekannte Straße in der Hoffnung, dass diese uns nach Sígri führen würde. Dieser unbefestigte Weg lenkte uns über die Kämme einiger ausgetrocknete Berge, direkt gegenüber des Gipfels, auf dem einsam das Ypsilou-Kloster, wie der Aussichtsplatz Gottes, über der rauen Ebene von West-Lesvos thront. Ich werde immer ganz still in dieser Einöde. Es ist eine gnadenlose Landschaft, mit scharf gezeichneten Silhouetten von Berghängen, an denen endlos lange Mauern entlang laufen, die
um 1920 herum errichtet wurden, um die Verteilung des Landes zu markieren. Auf einer Insel, auf der es so viele Schmutzstraße gibt, geht man davon aus, dass ein ziemlich ebener und gut erhaltener Sandweg schon irgendwo hinführen wird. Aber nach einigen Kilometern, vorbei an einer Schafsfarm, endete er abrupt an der zweiten Schafsfarm. Nichts ging mehr, und uns blieb linker Hand der Blick in die Tiefe, wo sich fröhlich einige schmale Sträßlein schlängelten, die wahrscheinlich sämtlich nach Sígri führten.
In Lápsarna bog sich das Schilf anmutig im stürmischen Wind. Der Strand war übersät mit Plastik und anderem Abfall. Aufgrund von Wind und wilder See, ein gewohnter Anblick im Winter, erst im April/Mai, mit dem Ende der starken Stürme, sind die Küstenstreifen aufgeräumt. Erst als wir das Flussbett bei Lápsarna überquerten, realisierten wir, dass dies nicht der Weg ist, der er sein sollte: Hier müsste man doch aussteigen und zunächst
einmal prüfen, ob es möglich ist, durch das Wasser zu kommen. Nachdem wir Lápsarna hinter uns gelassen hatten, kamen wir zum Strand von Agia Triada, ein kleiner wunderschöner Strand, eingerahmt von Klippen, und man muss sofort an die Küste im Norden Frankreichs denken. Sorry, aber bei den berühmten Englischen Kreidefelsen bin ich noch nicht gewesen. Zu unserer Überraschung und unserer Freude über die Möglichkeit einer Kaffeepause, hatte die kleine Taverne in Liota geöffnet. Sie ist so winzig, dass gerade mal 2
Tische darin Platz finden, direkt unter dem riesigen TV. Zum ersten Mal fanden wir diese Taverne im Winter geöffnet vor. Großartig, denn in der Umgebung sind nur 2 andere Restaurants zu finden, die ganzjährig geöffnet sind: Das eine in Gavathás und das andere in Kámpos. „O Costas“ heißt das Restaurant, das über dem Weg liegt, der durch das Flussbett führt, das sich durch die Gärten von Kampos schlängelt. Der mit Steinen umfasste Weg ist im Winter normalerweise mit Wasser gefüllt... er war pulvertrocken! Costas
überraschte uns mit Lammkoteletts und etwas Huhn, geröstet am offenen Herd (die leckerste Zubereitungsart). Dann konnten wir noch feststellen, dass es bei Costas bessere Keftedes (Hackbällchen) als in der Taverne Perikles, Molyvos, gibt, obwohl – glauben Sie mir – die dort schon großartig sind. Über die gesamte Insel wehte eine strenger Wind, und die Dünen von Kampos erschienen uns wie Wanderdünen. Sie waren all überall auf der Straße, und es kam uns so vor, als würde das für Griechenland seltene Dünengebiet
fortgeweht. Aber ich denke, sie waren nicht niederiger als sonst, denn wir mussten den 4-Rad-Antrieb nutzen. Keine Probleme hatten wir, als wir aus dem Gebiet nahe Kampos in das des antiken Antissa kamen. War es ansonsten ein riesiger Spaß, die Mitfahrer zu erschrecken, indem wir geradewegs in den Fluss fuhren, wurden jetzt gerade mal die Reifen unseres Autos nass. Die Trockenheit ist so groß, dass bereits einige Felder
um Alt-Antissa bewässert werden. Im kleinen Hafen, direkt hinter den Ruinen, stießen wir auf einen angespülten Delfin, der vor sich hin moderte. Die Siedlung war, so wie im Sommer, ausgestorben. Lebendiger war es in dem malerischen Dorf Kalo Limani, das jedoch, aufgrund des ganzen angewehten Plastikzeugs, nicht ganz so strahlend da lag. Hier leben einige Fischer das ganze Jahr über, aber auf die Idee, ihr Dörflein sauber zu halten, sind sie wohl noch nicht gekommen.
Der kleine Teich hinter Skalochóri zeigte den für August üblichen Wasserpegel an. Wenn ich nur daran denke, dass dieser Weiher so in den Sommer gehen muss, wird mir Angst und Bang um seine Bewohner, die Schildkröten. Der strenge Nordwind, der den ganzen Tag die Temperaturen herunterdrückt, und somit all die Mühe der Sonne zunichte macht, wird stärker und stärker. Dunkle Wolken sammeln sich über den Berggipfeln. Der Wetterbericht sagt für morgen etwas
Regen voraus, aber wir wissen ja alle mittlerweile, dass diesen Winter alle Schauer an Lesvos vorübergehen. Ebenfalls werden für das Ende der Woche niedrige Temperaturen vorhergesagt. Sollten wir etwa jetzt, wo hier schon Frühling ist, doch noch den Winter zu spüren bekommen? Jetzt, wo der riesige Fenchel bald blüht, der gelbe Ginster die grünen Berghänge färbt, die roten Anemonen fast verblüht sind, der Knoblauch fröhlich mit seinen weißen Blüten winkt, einige Orchideen schon einen vorsichtigen Blick in die
Welt riskieren und wir bereits den ersten wilden Spargel geerntet haben? Copyright ©Julie Smit 2007 |