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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
2.Juli 2007 -
Bitte
nicht!
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Es ist
schon einige Zeit her, dass ich Sie davor gewarnt habe, mit bloßen Füßen ins
Meer zu gehen. Dies gilt nicht für Sandstrände hier auf Lesvos, wie man sie in
Petra und Anaxos vorfindet, aber für all die Kiesstrände und Felsbuchten. Es hat
schon einen Sinn, dass es kaum einen Shop gibt, in dem keine Badeschuhe verkauft
werden: Im Meer sitzen See-Igel!
Der Name
sagt doch schon alles: Es sind die reinsten Nadelkissen, die hier in großer Zahl
auf dem Meeresboden leben und auch ganz nah am Ufer. See-Igel bevorzugen
steinige und felsige Plätze. In ihrem Inneren, verstecken sie eine köstliche
Sorte Rogen, den man am besten mit „See-Kaviar“ beschreiben kann. Er zergeht auf
der Zunge, und es ist ein herrliches Geschmackserlebnis, wenn er weich und
salzig die Kehle herunter rinnt.
Ein
Erlebnis der ganz anderen Art ist es, wenn Sie auf das Tier treten. Die feinen
Nadeln stecken dann zu Bündeln in Ihrer Fußsohle, und es kostet eine Menge
Geduld, Schmerzen und wahrscheinlich auch Tränen, sie wieder herauszuziehen.
Mein Tipp: Suchen Sie besser gleich einen Arzt auf, damit sichergestellt ist,
dass auch wirklich jeder Stachel entfernt ist, und um zu vermeiden, dass sich
die Wunden entzünden.
Eine
Gefahr, vor der ich Sie noch nicht gewarnt habe, ist das Mäuerchen, das an der
Seeseite der Straße zum Hafen von Molyvos entlangführt. Es ist ein komfortabler
Sitzplatz, mit einem phantastischen Blick auf die zauberhafte Bucht von Molyvos,
aber...: Schaut man an manchen Stellen in die Tiefe, blickt man in bedrohlich
steile Abgründe. Seit Jahren stellt diese Mauer eine Gefahr für Nachtschwärmer
dar. Wie schnell lassen sie sich von einem freundlich lächelnden Mond verführen,
der seinen märchenhaften Schein über das Wasser leitet, und balancieren
übermütig – zudem noch vielleicht ein wenig beschwipst – auf dem niedrigen
Steingebilde. Harmlos sieht es in der Nacht aus, denn der felsige metertiefe
Abhang ist in Dunkelheit gehüllt.
Es passiert
immer wieder, dass Touristen von dieser Mauer stürzen. In der letzten Woche ist
dies für einen Mann tödlich ausgegangen. Das Unglück geschah früh morgens, gegen
5 Uhr, und niemand hat es gesehen, womit die Fragen nach dem Warum und Wie
unbeantwortet bleiben. Erst 2 Stunden nach dem Sturz, wurde der arme Mensch tot
aufgefunden. Einige Jahre zuvor, hatten zwei junge Holländer mehr Glück, als sie
einige Zeit nach dem Unglück geborgen werden konnten. Wenn ich heute also nun
auf die Gefahren der Insel aufmerksam mache, möchte ich nicht versäumen, auch
die Brandgefahr zu thematisieren. Lesvos hat die abgelaufene Hitzewelle
unbeschadet überstanden. Während auf verschiedenen Inseln, wie auch auf Chios
und Samos, kleinere Waldbrände ausgebrochen sind, blieb Lesvos flammenfrei. Eine
große Katastrophe ereignete sich jedoch auf den Hängen des Parnitha, einem Berg,
nahe Athen. Das Feuer zerstörte mindestens 3.000 Hektar von dem Waldgebiet, der
„grünen Lunge“ der Metropole. Am Wochenende nach der Hitzewelle, regnete es
Asche auf die Hauptstadt Griechenlands. Die andere Feuertragödie ereignete sich
in dem uralten Troodos-Wald auf Zypern.
Ich kann
mich noch gut daran erinnern, wie wir dort vor ca. 15 Jahren einen sehr schmalen
Pfad befuhren. Der Weg war dermaßen eng, dass es uns unmöglich war, zu wenden,
und wir tiefer und tiefer in den Wald gelangten, ohne auch nur einem Menschen zu
begegnen. Die eindrucksvollen Bäume wurden höher und höher, und die Umgebung
flößte uns immer mehr Furcht ein. Nach unendlich langen 2 Stunden, erreichten
wir eine Lichtung, und auf dieser freien Fläche standen wir, in aller Stille und
Einsamkeit, einer riesigen Uhr gegenüber. Sie zeigte nicht die Zeit an, sondern
wie groß die Gefahr für einen Waldbrand war. Damals standen die Zeiger der
gigantischen Uhr zwar auf grün, aber dieses Bild werde ich niemals vergessen.
Sollte
diese Uhr nicht den Flammen zum Opfer gefallen sein, werden die Zeiger jetzt
sicherlich im roten Bereich stehen. Zwar eine Warnung für die Menschen, aber
dies kann kein ökologisches Desaster aufhalten. Gemeinsam mit Feuerwehrleuten,
die aus dem Libanon, Italien und Israel zu Hilfe eilten, konnte das Feuer
gelöscht werden.
Ich nehme
ja mal nicht an, dass es Touristen gibt, die ein Feuer legen, um das
Traumgrundstück für ihr Haus baumfrei zu bekommen. Aber, rund um Athen kommt es
schon mal dazu, dass Projektleiter zu Brandstiftern werden, um mehr Baugrund zu
erhalten. Ja, und dann sind da noch die Touristen, die ein feuchteres Klima
gewohnt sind, und unbedarft ihre Zigarettenkippe aus dem Autofenster schmeißen.
Bitte, liebe Raucher, seien Sie vorsichtig! Versuchen Sie, bei
heruntergelassenen Autoscheiben nicht zu rauchen, damit keine Glut in die Natur
fliegen kann, schnipsen Sie nicht die Asche der Zigarette über ihre Schulter ab,
und füllen Sie etwas Wasser in den Auto-Aschenbecher, wenn es windig ist. Ein
kleiner Funken genügt, um ein riesiges Feuer zu entfachen, und wir wollen doch
kein schwarz-verkohltes Lesvos, oder?
Offiziell
in Griechenland verboten: Hunde im Meer! Glücklicherweise wird dies nicht allzu
streng kontrolliert, aber es kann schon mal passieren, dass eine ältere Dame,
die Hunde im Meer widerlich findet, Sie laut und böse beschimpft, wenn sie
herausfindet, dass es Ihr Tier ist, das da vergnügt in den Wellen tobt.
Unsere
Hunde sind nicht solch Wasserratten, aber zu Zeiten der Hitze, die nun wieder
einen normalen Stand von 31 – 32 Grad erreicht hat, fand es selbst Rocky toll,
abzutauchen. Um trocken zu werden, wälzte er sich im angespülten Seegras und sah
danach aus, wie ein See-Igel. Albino wagt sich nur ein kleines Stückchen ins
Wasser, setzt sich dann auf sein Hinterteil, schaut interessiert nach links und
rechts, ob auch ja jeder seine Heldentat mitbekommt und passt dann auf, dass er
nicht allzu nass wird. Er hat noch nicht so ganz verstanden, wie man sich im
Meer abkühlt.
Ich gehe
davon aus, dass Sie wissen, dass das Schwimmen nach einer Mahlzeit tabu ist.
Zwar denken manche Leute, dass wäre Nonsens und eine falsche Lehre aus
Großmutters Zeiten, aber Tatsache ist, dass jährlich Menschen sterben, weil sie
mit vollem Magen schwimmen gehen.
Tja, und
dann gibt es da noch Menschen, die nicht wissen, wie man sich in Zeiten der
großen Hitze vernünftig verhält: Sie sind im Urlaub, also gehen sie zum Strand.
Hohe Temperaturen oder nicht, sie nehmen ein Sonnenbad in der Mittagszeit.
Kürzlich erst erlag auf Kreta eine 17-jährige einem Hitzschlag.
Diese
Kolumne wird nicht ins Griechische übersetzt. Wäre es so, müsste ich noch
einige Punkte für die Griechen hinzufügen, wie: Werfen Sie bitte nicht Ihren
Müll überall hin, unterlassen Sie die lebensgefährlichen Überholmanöver in
Kurven, bleiben Sie nicht mitten auf der Straße mit Ihrem Auto stehen, nur um
sich minutenlang mit einem Freund, den sie dort getroffen haben, zu unterhalten,
stören Sie nicht andere Strandbesucher, indem sie sich unterbrochen schreiend
mit Ihren Kindern unterhalten, die dann in der gleichen Lautstärke antworten,
legen Sie an einem fast menschenleeren Strand Ihr Handtuch etwas weiter
entfernt, als nur einen halben Meter, von den einzigen Besuchern, äußern Sie
nicht die unmöglichsten Wünsche in einer überfüllten Cafeteria, um sie dann in
letzter Minute doch wieder zu ändern, und zu guter Letzt noch eine „bitte-nicht-Bitte“
an die Taxifahrer: Rasen Sie nicht so!
Nun, wie
auch immer, immerhin wissen die Griechen, wie köstlich ein See-Igel schmeckt,
wie schmerzvoll es ist, auf ihn zu treten, und Sie sind sich durchaus bewusst,
welch katastrophale Folgen ein Waldbrand hat. Sie werden niemals einen Griechen
sehen, der auf einem Mäuerchen an einem Abhang entlang balanciert, in der
Mittagszeit sein Feld bearbeitet oder ein Bad in der Sonne nimmt. Sie beherzigen
schon eine Menge gesunder Regeln, die sich andere erst noch aneignen müssen.
Copyright ©Julie Smit 2007 |