|
|
BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
9.Januar 2006 - Das Essen
ist fertig!
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Letzte Woche schrieb ich über meinen Wunsch
nach mehr Abwechslung in der griechischen Küche, insbesondere während der
Festtage. Aber andererseits gibt es hier auch Gerichte, auf die ich mich schon jetzt
freue: So wird in ein paar Monaten zweifellos das gefüllte Osterlamm auf der
Tafel erscheinen, und mit etwas Glück kann man in den Restaurants rund um die
Bucht von Kaloni und in einigen Geschäften in Mytilini Muscheln finden,
Miesmuscheln, Jakobsmuscheln oder Venusmuscheln.
Es gibt ein Meerestier, dass ich noch nicht
gegessen habe, und das ist die riesige Muschel aus dem Meer bei Kaloni. Ich
konnte den richtigen Namen dieser Muschel noch nicht in Erfahrung bringen, aber
ich sah ein unglaubliches Exemplar von nahezu einem halben Meter Durchmesser im
Restaurant „ELLIS“ in Anaxos. Wenn man am Strand von Skala Kaloni spazieren
geht, kann man an der Hochwasser-Marke eine Vielzahl von abgebrochenen Stücken
dieser Muschel finden. Da gibt es auch noch eine kleinere Sorte: die „große
Federmuschel“, die eine fast durchsichtige aber schrumplige Schale hat. Das
Tier, das darin lebt, ist schon sehr groß, aber das in der Riesenmuschel wird
wahrscheinlich für ein Hauptgericht ausreichend sein.
Es gibt in der Umgebung von Eftalou kein
Fischgeschäft. So ist das Planen einer Fischmahlzeit immer problematisch.
Offiziell gibt es ein mobiles Fischgeschäft (Fischverkauf per Auto), das
eigentlich täglich, 8.30 Uhr, an der Schule sein soll. Aber jedes Mal, wenn wir
völlig schlaftrunken uns dort einfanden, war kein Fischhändler weit und breit
zu sehen.
Unsere neueste Strategie sieht so aus, dass
wir abends zur „Brasserie“ in Molyvos gehen, von wo man eine ausgezeichnete
Sicht über den Hafen hat und die Fisch-Versteigerungshalle sieht, die nur geöffnet
hat, wenn große Fischerboote einlaufen. Man hat jedoch nie Gewissheit, ob sie
öffnet. Bei Sturm oder an Feiertagen bleibt sie z.B. geschlossen, und
Griechenland hat eine Menge solcher Festtage. Am 2. Weihnachtstag, kein
offizieller Feiertag in Griechenland, liefen große Schiffe im Hafen ein, und
die Tür dort blieb trotzdem geschlossen. Am 6. Januar war das Dreikönigsfest.
An diesem Tag wirft der Priester ein Kreuz ins Hafenbecken und Jugendliche
tauchen danach. An diesem Tag brauchte ich nicht zu schauen, ob geöffnet war,
denn es ist ein National-Feiertag, insbesondere für die Fischer.
Eine Fleischmahlzeit zu bereiten, stellt
dagegen kein Problem dar, bis auf Lamm, das nicht immer verfügbar ist. So
werden die Lämmer in der nächsten Zeit alle fürs Osterfest aufgespart. Je näher
Ostern rückt, um so kleiner wird die Chance auf ein Lammgericht. Eine
Alternative dazu ist Schweinefleisch. Im Dezember, als wir keine Lammkeule
kaufen konnten, weil die Lämmchen noch zu klein waren, haben wir uns für
Schweinshaxe entschieden.
Die Frage, wie ich so ein Ding zubereiten
soll, hat mir schlaflose Nächte bereitet, denn wir haben nur einen winzig
kleinen Ofen. Dann fiel mir ein, dass wir ja noch draußen einen Backofen stehen
haben. Na, so einen aus Stein gebaut, wie er üblicherweise in den Gärten
steht, mit einem Grill oder Ofen innen. Noch nie habe ich auf so einfache Art
ein so köstliches Fleisch bereitet.
Am Nachmittag wird der Ofen für ein paar
Stunden mit einem Bündel Zweige aufgeheizt. Dann werden Holz und Asche
rausgefegt. In der Zwischenzeit bereitet man das Fleisch vor. Es kommt in eine
große Form, auf der Oberseite schneidet man es einige Male ein, spickt es mit
Knoblauchzehen und umgibt es mit großen Kartoffelstücken. Dann bestreicht man
das Fleisch mit einer Marinade aus Zitronensaft, Senf und Olivenöl, die angereichert ist mit Kräutern,
wie Thymian, Oregano und Rosmarin, füge etwas Wasser hinzu, bedecke all das mit
einer Alufolie, und schon ist das Fleisch fertig für den Ofen. Das Ofentor wird
sicherheitshalber geschlossen und das große Warten beginnt. Einen ganzen Tag
lang. Am nächsten Tag überprüft man, ob alles gut gegangen ist, und zur
Essenszeit holt man das fertige dampfende Fleisch aus dem Ofen, und das ist
lecker...!
In Griechenland stellt sich oft das Problem,
dass Fleisch- oder Fischstücke zu groß für die Pfanne sind.
Manchmal bekomme ich ein Huhn in der Größe eines dicken fetten
Truthahns, oder jemand bringt einen Fisch, der einen halben Meter lang ist. Das
ist die Gelegenheit, den Ofen draußen zu nutzen, der ideal ist, denn es bedarf
nur einiger weniger Vorbereitungen, die Innentemperatur ist Garantie für ein
perfekt durchgegartes Fleisch.
Ich hatte letztes Mal geschrieben, dass die
Griechen keine kulinarischen Abenteurer sind, aber auf neugierige Genießer
warten eine Menge kulinarischer Abenteuer in Griechenland. Letzten Samstag waren
wir in einem ausgestorbenen Anaxos
essen. Den ganzen Winter lang habe ich noch nicht so viele Menschen beieinander
sitzen sehen. Obwohl draußen eine schneidende Kälte war, war das Restaurant
rappelvoll: das Spiel des lokalen Fußballvereins lockte die ganze Familie an.
Eine griechische Band spielte, und auch die Atmosphäre war echt griechisch:
chaotisch. Unter dem gleissenden Neonlicht, inmitten von tobenden Kindern,
Eltern die zur Toilette hasteten, tanzenden Männern, Freunden, die
herumspazierten, der Sekretärin des Fußballclubs, die die Gastgeberin spielte
und Spenden sammelte, rennender Bedienungen und
rauchender Köche, bekamen wir vortreffliche Lammkoteletts und eine
exzellente gebackene Leber serviert.
Es
ist der erste Winter, in dem „Ellis“ geöffnet hat, nur an den Wochenenden
aber immer mit Lifemusik. Wenn es dort weiterhin so ein fabelhaft gegrilltes
Fleisch von so einem kleinen Grill gibt, bin ich sicher, dass an den
Samstagabenden im Winter dieses Dorf das meistbevölkertste auf der ganzen Insel
sein wird. Wir haben auf jeden Fall ein neues Lieblingsplätzchen für den
Winter gefunden!
Copyright ©Julie Smit 2006
|