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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Aussicht auf Molyvos von Kalo Limani
28.August 2006 -
Sternschnuppen
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Griechenland ist das Land der Sonne, des Meeres und der vielen Inseln, die ein Spielfeld des Windes sind. Darum ist es mehr als verwunderlich, dass in Deutschland, das, weiß Gott, nicht berühmt für seine Sonnenstunden en masse ist, mehr Sonnenenergie gewonnen wird, als in Griechenland. Auch in Dänemark, das von der Fläche her, gegenüber der riesigen Inselwelt plus dem Festland Griechenlands, klein ist, schöpft man mehr Energie aus der Kraft des Windes.
Das Elektrizitätsnetz Griechenlands ist ziemlich veraltet, und jedes Mal, wenn die Hochsaison ansteht oder ein Großereignis, wie z.B. vor zwei Jahren die Olympischen Spiele, wird vielen Griechen bang ums Herz: Wird es gut gehen, oder wird alles zusammenbrechen, wenn tausende von Touristen zu Gast in ihrem Land sind Dieses Jahr ist mal wieder alles gut gegangen. Die Hauptreisezeit ist ohne größere Probleme abgelaufen, obwohl ab und an der Strom ausfiel
und auch die Wasserversorgung dadurch einen Knacks bekam. Zwar stehen auf Lesvos einige Windkraftmühlen zwischen Antissa und Eressós, aber sie können nicht die erforderliche Elektrizität für die gesamte Insel erzeugen. Inzwischen bin ich darauf eingestellt: Kerzen liegen allzeit griffbereit, genauso, wie die Taschenlampe ihren festen Platz neben der Eingangstür hat. Die Hochsaison ist vorüber, ebenso die hohen Temperaturen während der Hitzewelle. Heute liegen die Gradzahlen unter der 30°C-Marke, und trotzdem
läuft immer noch etwas schief bei der Stromversorgung. Gestern, am späten Abend, lag Lesvos mal wieder völlig im Dunkeln. Wahrscheinlich amüsieren sich die Türken am gegenüberliegenden Ufer köstlich über unsere Insel. Dort sieht man immer unzählige Lichter blitzen, und all die Jahre, die ich jetzt hier auf Lesvos lebe, habe ich sie nicht einmal bei einem „Blackout“ ertappen können. Ein englisches Wort übrigens, das die Griechen sehr schnell in ihren Wortschatz aufgenommen haben.
Gestern habe ich das flackernde Kaminfeuer vermisst, das uns im Winter bei stromlosen Zeiten mit seinem warmen gemütlichen Licht versorgt. Der Stromausfall ließ mich jedoch endlich einmal die Zeit nehmen, den prächtigen Sternenhimmel zu bewundern. Der August ist als Monat der Sternschnuppen bekannt, und ich starrte 2 Stunden in das nächtliche Firmament mit all seinen funkelnden Lichtern, mit Erfolg: 7 Sterne konnte ich fallen sehen, und 7 mal hatte ich ein und denselben Wunsch, was mich nun ziemlich sicher macht, dass er sich erfüllen wird.
Mir ist bekannt, dass es sich bei einer Sternschnuppe um einen Meteoriten handelt, der durch unsere Atmosphäre fällt, bevor er sich auflöst. Früher umrankten dieses Naturschauspiel eine Menge Mythen. Asteria, was auf griechisch Stern bedeutet, war zugleich die Göttin der Sternschnuppen, des Orakels und der Träume, die die Zukunft zeigen. Seinerzeit bedrängt von Zeus, gelang es ihr ihm zu entkommen, indem sie direkt vom Himmel ins Weltenmeer sprang, wo sie sich alsgleich in eine Insel verwandelte, und zwar in das
sagenumwobene Delos. Hier gebar später Leto, ihre Schwester, Apollo, den Sohn des Zeus. Eine andere Legende sagt, dass es die Götter sind, die die Sterne purzeln lassen, wenn sie wissen möchten, was auf der Erde so los ist. Dafür machen sie sich einfach ein Guckloch ins Himmelszelt, und dabei kann es schon mal passieren, dass der eine oder andere Stern entwischt und herunterfällt. Genau in diesem Augenblick sollte man sich etwas wünschen, denn dann sind die Götter dem Menschen nah und können ihn sehen.
Die alten Griechen glaubten, dass diese Meteoriten menschliche Seelen seien, auf der Reise von einem zum anderen Stern, während Juden und Christen sie als gefallene Engel und Dämonen deklarierten. Ich denke manchmal, wenn das stimmen würde, dass sich Wünsche erfüllen, wie viele Wünsche hat man denn frei? Gestern sah ich 7 Sternschnuppen in 2 Stunden. Man kann sich also ausrechnen, wie viele Sterne in einem Monat fallen. Ich bin
sicher, wenn all das Ersehnte wahr werden würde, wäre unsere Welt eine glücklichere. Es ist nicht so, dass ich mich über Lesvos beklagen möchte. Nun ja, es könnte zwar etwas in Sachen Umweltschutz passieren, und man könnte hier etwas respektvoller mit den Tieren umgehen... Aber solche „Blackouts“ bringen zumindest mit sich, dass noch etwas auf der Insel geschieht. Wie Sie lesen, habe ich in dieser Woche nichts Besonderes zu berichten.
Auch bezüglich der „Taverna Anatoli“ gibt es nichts neues zu berichten, außer dass uns herzerwärmende aufbauende E-Mails aus vielen Ländern der Erde erreichten, die in dieser Woche, zusammen mit einer Unterschriftenliste, dem Bürgermeister übergeben wurden. Hoffen wir mal, dass Angelos (der Besitzer des „Anatoli“) sich regelmäßig die Zeit nimmt, den nächtlichen Himmel zu betrachten und dass er an die Macht der Götter glaubt, so dass er niemals vergisst, sich etwas zu wünschen, wenn ein Stern vom Himmel fällt. Copyright ©Julie Smit 2006
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