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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
10.April 2006 - „Flower Power“
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Sind Sie jemals im “Keukenhof”, dem berühmten Blumenpark in Holland, gewesen? Ich muss gestehen, dass ich nie dort war, obwohl ich gleich in der Nähe lebte. Tulpenfelder habe ich trotzdem täglich gesehen, wenn ich an ihnen vorbei geradelt bin, und als Kind sind wir jedes Jahr mit der ganzen Familien zum Blumenkorso nach Hillegom gefahren. Hier, auf Lesvos, gibt es keinen „Keukenhof“. Das macht aber nichts, denn
die ganze Insel sieht aus, wie ein riesiger „Keukenhof“, der von Woche zu Woche an einen anderen Platz verpflanzt wird. Hier gibt es Felder voll von leuchtengelben Blumen, die sich abwechseln, mit Flächen roter Blumen, und in der Gegend von Agiassos wird es ganz bunt. Es ist schon Wochen her, dass bei uns, rund um Molyvos, die purpurnen, violetten, blauen und rosa Anemonen Platz machten für die roten, die hier in Eftalou nun schon fast verblüht sind. Als wir uns jedoch letzte Woche auf nach Agiassos
machten, wurden wir empfangen von einer kunterbunten Landschaft, eng gespickt mit Anemonen, Margeriten und den gelbgrünen Euforbias (Wolfsmilchgewächs). Je höher man kommt, umso später ist die Anemonenblüte. Wir haben Felder voller rosa, lila und blauweißer Anemonen nah bei Plomari vor einigen Wochen gesehen. Lustig war, dass sich die Blumen farblich scheinbar in Gruppen gegliedert hatten. Bei uns, und auch in Agiassos herrscht ein farbliches Durcheinander, wobei es so aussieht, als habe die Natur
in Agiassos noch ein paar Farbtöpfe zusätzlich aufgemacht. Ich weiß, dass man in Frankreich Blumen färbt, und zwar in leuchtendrosa und leuchtendviolett. Nun, genau diese Farben hatten auch die Anemonen bei Agiassos. Niemals vorher hatte ich eine solche Leuchtkraft gesehen, so stark, dass es fast in den Augen schmerzte. Wir trauten unseren Augen nicht... In den vergangenen Wochen haben wir eine Menge farbenprächtiger Blumenmeere gesehen, aber die fantastischen Blütenlandschaften von Agiassos haben
alles übertrumpft. Diese wahnsinnigen Farben und der stilvolle Mix mit weißen Margeriten und den sanftfarbenen Euforbias...: Derzeit geht der 1. Platz nach Agiassos! Wenn so viele Blumen um Aufmerksamkeit buhlen, sollte man trotzdem nicht die kleineren übersehen. Ich hatte ja kürzlich bereits über die Mini-Mini-Blumen geschrieben. Nun ist die Zeit der Orchideen angebrochen, von denen es auf Lesvos um die 70 Arten gibt. Wenn ich an Orchideen denke, fallen mir immer diese wundervoll geformten Blumen
ein, die anlässlich einer Hochzeit oder eines romantischen Rendezvous gebunden zu einem herrlichen Bukett überreicht werden. Auf Lesvos sind die meisten einen Kopf kleiner, und man muss schon arg aufpassen, um sie überhaupt zu sehen. Nur, wenn man mit der Nasenspitze fast die Erde berührt, entdeckt man sie in ihrer Schönheit - oder besser - in ihrer Einzigartigkeit. Auch die Namen sind wunderbar. Letzte Woche fanden wir ein Exemplar, genannt: „Nackter-Mann-Orchidee“. Im Feld sieht sie aus, wie ein Blütenball, aber bei näherer Betrachtung sieht man, dass jede einzelne Blume auf ihrer „Lippe“ tatsächlich
einen nackten Mann trägt. Und, glauben Sie mir, es ist nicht einmal viel Phantasie erforderlich, um dies zu erkennen. Wir fanden eine „Spiegel-Orchidee“, aber, ehrlich gesagt, hier habe ich nicht so recht verstanden, warum sie so heißt. Sonntag liefen wir in eine „Hummel-Orchidee“. Aber, sollten Sie Orchideen-Experte sein, springen Sie jetzt nicht gleich vor Freude vom Stuhl, es handelt sich hierbei nicht um eine neu entdeckte Art (eine „Bienen-Orchidee“ gibt es übrigens schon). Nein, ich habe sie
auf diesen Namen getauft, denn bei diesem Exemplar, dessen eigentlicher Name „Spinnen-Orchidee“ ist, sieht es wirklich so aus, als würden Hummeln aneinander gereiht einen Stab bilden. Diese Maskerade verführt die Bienen, Blütenstaub vorbeizubringen. Und ich muss sagen, der Trick ist hier vorzüglich geglückt, denn wir stießen auf unendlich viele Kolonien davon. Sich auf die Suche nach all den Orchideen-Arten auf der Insel zu machen, sie in herrlichen Blumenfeldern zu finden, grenzt an eine Odyssee.
Sie sehen, einen „Keukenhof“ haben wir hier nicht nötig. Wir haben die „Blumenfelder von Lesvos“, dazu auch noch eigenhändig von der Natur und nicht künstlich angelegt, und ein Besuch dieser Pracht heißt nicht, in einem Verkehrs-Chaos zu landen oder gar ein hohes Einrittsgeld zu bezahlen. Es ist wahrscheinlich der schlechten PR zu verdanken, dass die Japaner die „Blumenfelder von Lesvos“ noch nicht entdeckt und die Insel mit hunderten von Flugzeugen überfallen haben. Nun, es ist schon wahr, dass wir
keine Tulpenfelder haben, jedoch müssen sich hier irgendwo einige Tulpen verstecken. Ich liebe diese Blume, und wir haben daher ein paar Tulpenzwiebeln in die Wiese unter den Olivenbäumen gepflanzt. Nun ragen ihre bunten Köpfe wie Ostereier aus dem hohen Gras, und das Feld sieht aus wie ein riesiges farbenfrohes Osternest. Es ist zwar noch ein wenig früh, denn wir feiern das Orthodoxe Osterfest ja eine Woche später. Die Tulpen werden dann wahrscheinlich ihre Blütenblätter abgeworfen haben, jedoch dank all der leuchtendbunten
Frühlingsblüher sind wir trotzdem in Osterstimmung und wünschen FROHE OSTERN !Copyright ©Julie Smit 2006
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