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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Tasos und
Josif kommen nicht weiter
14.Februar 2006 -
„The Molyvos Way“
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Sobald die Touristen am Ende der Saison
Molyvos den Rücken kehren, werden die Straßen aufgerissen. Neue Leitungen müssen
gelegt, Abflussrohre erneuert werden und weiß Gott was noch sonst noch alles,
vielleicht wird sogar die Straße begradigt.
Es müsste eine versteckte Kamera
installiert sein, um sich an diesem Schauspiel zu erfreuen. Diesen Winter war
die Straße zum Hafen an der Reihe. Morgens wurde diese von einem rostigen
Bagger an mehreren Stellen aufgerissen, Sand und Steine wurden vorsichtig auf
der Straße platziert. Kabel und Leitungen hatten somit freien Blick in den
blauen Himmel. Als erstes kamen die Telefonleitungen dran. Die Technik schreitet
in Riesenschritten voran, und auch Molyvos muss ADSL bekommen. Jedoch am Ende
des Tages wurden die geschaffenen Kanäle wieder zugeschüttet, weil nun mal die
Straße frei sein musste, um den Fischtransportern freie Fahrt nach und von
Mytilini zu geben. Am folgenden Morgen wurde die Straße wieder aufgerissen, um
sie abends wieder zuzumachen, und so weiter, und so weiter.
Wenn die Pflastersteine wieder schön
ordentlich nebeneinander liegen, denkt man, dass das Werk vollbracht sei, aber
nein: Nach den Telefonleitungen, müssen nun
die Abflussrohre überprüft werden. Also, reißt man die Schächte wieder auf.
Tiefe Löcher werden morgens gebuddelt, um sie – wie gehabt – am Abend
wieder zu schließen: Ein nicht enden wollendes Ritual. Fast schon ist der
Winter vorbei, als die Arbeiten an der Kanalisation abgeschlossen sind, und man
hat die Hoffnung, dass es nun endlich geschafft sei... Denkste! Da gibt es ja
noch die Elektrizitätsgesellschaft, die ja auch noch einige Leitungen zu
verlegen hat. Und so bleibt die Straße während des gesamten Winters eine
Strecke für den Hindernislauf und die Ursache für mürrisch dreinblickende
Menschen.
Sie kennen doch die Griechen. Sie legen
jegliche Strecke mit ihrem Auto oder Motorrad zurück. Nun, diesen Winter war
dies in Molyvos absolut nicht möglich. Vor allen Dingen der „Flaschenhals“,
das enge Stück der Straße, wo das Internetcafé und die „Brasserie“ liegen
und sie steil nach unten zum Hafen führt, war tagsüber nicht befahrbar.
Meistens klaffte dort ein riesiges Loch, aus dem Kabel, Leitungen und Rohre
neugierige Spaziergänger angrinsten. Es ist schon ein Wunder, das niemand von
der hohen Stufe vorm Internetcafé in dieses Bauloch gestürzt ist.
Auch für einen Fußgänger ist es eine
olympische Disziplin, den Hafen zu erreichen. Um ein Flugticket bei „Com.Travel“
zu erwerben, ist es erforderlich, durch die Kanalisation zu kriechen. Und das
ist nicht das einzige Problem dieses Reisebüros. Die Arbeiter achten jeweils
nur auf die Leitungen ihres Unternehmens, bei anderen Kabeln denken sie nur,
ach, die sind nicht von uns und dann ups, oh je, ein Versehen, sorry, aber die
Leitung ist gekappt. Also, sind die Computer tagelang von der Außenwelt
abgeschnitten, und dem Inhaber bleibt nichts, außer sich vor Wut darüber die
Haare vom Kopf zu raufen. Es muss nicht erwähnt werden, dass eine Woche später
die Telefongesellschaft anrückte, um abermals die Schächte für die nun
notwendigen Reparaturarbeiten freizulegen.
Ich weiß nicht, wer gerade was aufreißt,
um was zu tun, aber es sieht wiederum und immer noch so aus, als wenn unzählige
Rohre und Kabel repariert oder erneuert werden. Der kalte Winter – dieser
Januar war der kälteste seit 100 Jahren – hat sein übriges dazu getan. Bloß
jetzt, wo der Saisonbeginn endlich in Sicht ist und jeder in den Startlöchern
steht, stellt sich die Frage: Werden die Löcher in der Straße nun endlich für
immer geschlossen sein, bis das Flugzeug mit den ersten Touristen landet? Die
Pessimisten wetten, dass dies vor August, dem Monat, in dem die Griechen in
Molyvos Urlaub machen, nicht der Fall sein wird.
Für die sehr präzise geplante
Seite-an-Seite-Ausführung von Arbeiten ist Molyvos berühmt berüchtigt. Aber
es glimmt ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Ich hörte von einem planvollen
Vorgehen, was hoffentlich auch so bald als möglich in die Praxis umgesetzt
werden kann. Es ist immer noch besser, unter einem Bagger her zu kriechen und über
Abflussrohre zu klettern, um zum Hafen zu kommen,
als dies zu umgehen und den ganzen Weg hoch nach Molyvos und wieder
runter zu diesem Endziel auf sich zu nehmen. Man geht ja auch nicht über
Argenos, Sykaminia, Clio, Kapi, Pelopi, Ypsilometopo und Stipsi nach Petra.
Im letzten Sommer haben sich viele Wanderer
über die Arbeiten an der idyllischen Landstraße geärgert, die auf halbem Weg
von Molyvos nach Vafios begannen und in Petra endeten. Man hatte angefangen, die
Straße breiter zu machen und für die Asphaltierung vorzubereiten. Viele
Menschen zeigten kein Verständnis für diese Asphaltwut. Nun es sieht so aus, dass die Straße Molyvos – Petra den Eindruck macht, als
käme sie langsam zusammen mit dem Berg herunter, gerade in Höhe des Hafens von
Petra, wo letztes Jahr durch starken Regenfall riesige Felsblöcke in die Tiefe
krachten und die Straße blockierten. Wenn ein Berg herunterkommt, ist man dem
hilflos ausgeliefert, nichts kann man tun. Dieser Straße gibt man nun nur noch
10 weitere Jahre, und dann muss eine Alternative geschaffen sein, wo die Busse
und LKWs rüber donnern können. Dies wird dann der zauberhafte Wanderweg von
Molyvos nach Petra sein.
So, bevor Sie jetzt die unschuldigen
Bauarbeiter oder gar den Bürgermeister beschimpfen, sollten Sie wissen, dass
man hier auf der Insel wirklich sein bestes tut. Aber entweder liegt es am
System oder an den Gesetzen, dass all das nicht so einfach umzusetzen ist. Es
ist dasselbe System, dass es der Regierung der Insel nicht gestattet, von einer
Gemeinde zu fordern, ein neues Elektrizitätswerk
zu bauen oder eine zentrale Abfallverwertung zu errichten. Die Diskussionen
zwischen Regierung und Gemeinde dauern nunmehr seit Jahren an und werden
wahrscheinlich noch weitere Jahre anhalten, ohne Rücksicht darauf, dass wir
fast täglich Stromausfälle haben, wir irgendwann ausgeräuchert werden oder
vergiftet sind vom Rauch und Gestank der hiesigen Müllberge. Tja, auch im
Paradies ist nicht alles perfekt...
Copyright ©Julie Smit 2006
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