Molyvos (Mithimna)

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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Die Aussicht vom Ypsilou-Kloster

19.September 2006 - So reich wie Krösus

Aus dem Englischen von Gabriele Podzierski

Ungefähr 16 Millionen Euro bezahlte Anousheh Ansari für einen 9-Tage-Trip in den Weltraum. Diese Amerikanerin, die im Iran geboren wurde, ist die 1. Frau des Weltraum-Tourismus. Ob das, mit durchschnittlich 2 Millionen Euro pro Tag, der teuerste Urlaub aller Zeiten ist? Nur zum Vergleich: Die Griechen sammelten 15 Millionen Euro an Spenden für die Tsunami-Opfer, obwohl es nunmehr so scheint, als habe nur ein Drittel des Geldes die Bedürftigen wirklich erreicht. Der Außenminister brachte inzwischen seine Befürchtungen zum Ausdruck, dass die falschen Menschen Nutznießer geworden seien. Welch noble Gedanken von einem Politiker des Landes, das derzeit Europas Spitzenreiter in Sachen Korruption ist. In Griechenland soll es noch korrupter zugehen, als in Ländern, wie Chile oder Ägypten. 

Wenn man so reich wie Krösus ist, und Anousheh Ansari muss so reich sein, wenn sie sich ein solches Ferienziel erlauben kann, dürfte es ihr leicht fallen, der griechischen Regierung die Kosten dafür zu zahlen, der 1. weibliche Passagier auf der legendären „Argo“ zu sein, dem Schiff, das die Argonauten auf deren Suche nach dem Goldenen Vlies durch halb Europa trug.  

Zwar kann kein Geld der Welt die Helden der damaligen Zeit, wie Jason, Orpheus, Herakles, Castor und Pollux, zurückholen, damit sie Anousheh Ansari auf dem Weg in die geschichtliche Vergangenheit begleiten, aber für ein hübsches Sümmchen lassen sich bestimmt genügend stattliche und gut aussehende Schauspieler engagieren, die Mythen wieder aufleben lassen können. Die „Argo“ ist wieder da! Nach alten Schiffsbau-Regeln und mit den damals genutzten Materialien wurde sie originalgetreu nachgebaut. In Karnagia, im Nordosten des Landes, wurde die „Argo“ letzten Sonntag zu Wasser gelassen, und es ist geplant, dass sie im nächsten Jahr den Wegen der Argonauten folgt.  

Nun wird diese Reise wesentlich länger als 9 Tage dauern. Die Argonauten schipperten seinerzeit bis zum Schwarzen Meer, erreichten Kolchis (heute Georgien), und mit List und der Hilfe von Medea, der Tochter des Königs von Kolchis, konnten sie das Goldene Vlies rauben. Dann, auf dem Rückweg, gingen die griechischen Helden verloren. Wissenschaftler behaupten, auf ihren Irrwegen hätten sie Donau und  Rhone befahren, Italien umrundet, den Süden Frankreichs und danach Lypien und Kreta erreicht, um dann zum guten Schluss endlich wieder in der Heimat anzukommen. 

Diese Unternehmung scheint mir in der Durchführung, selbst für einen Millionär, sehr kompliziert zu sein, wenn man nur allein  an die Sicherheitsvorschriften im heutigen Reiseverkehr denkt. Meiner Ansicht nach wäre es besser, die „Argo“ liefe einige der unzähligen griechischen Inseln an. Obwohl sie zu Zeiten Jasons nicht ganz bis Lesvos kam (aber immerhin nach Limnos, der Nachbarinsel im Norden), sollte sie dies beim zweiten Mal nicht versäumen, denn schließlich wurde hier, an der Küste des alten Ántissa, seinerzeit das Haupt des Orpheus, einem Besatzungsmitglied, angespült. Somit einfach ein idealer Landeplatz für die „Argo“. Dann noch der unberührte Strand, die Ruinen des alten Ántissa... in dieser Atmosphäre würde man doch augenblicklich in die alte Zeit zurückversetzt. Ein Erzähler müsste die Mythen vortragen, Musiker die Werke von Orpheus zu Gehör bringen, und somit würde sich Anousheh Ansari dann zwar nicht gerade als Zeitreisende fühlen, aber bestimmt als eine der Argonauten. 

Man sollte hier auf Lesvos alte Wagenkarren wieder nachbauen, und mit diesen, natürlich gezogen von prachtvoll geschmückten Pferden, sollte Anousheh und ihre „Möchte-gern-Argonauten“ dem Ypsilou-Kloster einen Besuch abstatten. Der Sitz dieses Klosters ist hoch auf einem Bergkegel, und von dort hat man einen atemberaubenden Ausblick auf die wüstenartige Landschaft des Westens von Lesvos. So hoch ist der Gipfel des Berges, dass man sich dort wie im Weltall und ganz nah bei den Göttern fühlt. Na, und dann muss Anousheh Ansari unbedingt noch zum „Versteinerten Wald“, dort, wo sie mit ihren eigenen Händen die alten Mammutbäume berühren könnte, die einst das mythische Lesvos zierten. 

Vielleicht würde man es ja auch schaffen, einen vorzeitlichen Vulkan erneut zum Brodeln zu bringen, damit „Die Argonauten“ heldenhaft die Drachen des Vulkans besiegen können und somit Lesvos vor dem Untergang in den glühendheißen Lavaströme bewahren. 

So eine Reise, zusammen mit Erzählern, Schauspielern und Musikern, zurück in die Vergangenheit, würde gar nicht so viel kosten, schon mal gar nicht 16 Millionen Euro. Anousheh Ansari könnte sogar noch eine Woche Workshop mit Sappho in Eressós dranhängen. Sappho würde sie in ihre Dichtkunst einweihen und ihr das Leben äolischer Zeiten nahe bringen.  

Feierlicher Abschluss des Besuchs von Anousheh Ansari wäre dann ein gigantisches Open-Air-Konzert auf der Burg von Molyvos. Vielleicht gar nicht mal mit der Musik aus alter Zeit, sondern vielmehr eine Darbietung der besten griechischen  zeitgenössischen Musiker, denn als Raumfahrerin sollte Anousheh Ansari immer offen für die Zukunft sein. Und dann, wenn die griechischen Klänge ihren Körper durchströmen, ihr Herz und ihre Seele erfüllen, soll sie ruhig mit Wehmut in den Raum dort oben starren, und ich bin sicher, sie würde dann darin nicht nur ihr einstiges Reiseziel sehen, sondern gleichzeitig auch das Zuhause der Götter, die Griechenland einst so reich gemacht haben. Und dann, vielleicht, kann ja sein, wird sie es bereuen, ins All geflogen zu sein, anstatt nicht schon viel viel früher diese göttliche Insel besucht zu haben.   

Copyright ©Julie Smit 2006