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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Die Brenn-Nessel

13.März 2006 - Grünfutter

Aus dem Englischen von Gabriele Podzierski

In Griechenland werden im Sommer Tomaten gegessen, während grüner Salat  schwer zu bekommen ist. Im Winter jedoch, ist er in Mengen verfügbar: der grüne Marouli-Salat, der dem Endivien-Salat ähnelt. Die Blätter müssen in schmale Streifen geschnitten werden, obwohl, kürzlich las ich irgendwo, dass es gesünder sei, sie nicht zu zerschneiden, sondern zu zerrupfen. Gerupft oder geschnitten:  Marouli genießt man nur mit etwas Zitronensaft und Olivenöl oder im Anámikti (gemischter Salat) zusammen mit Weißkohl und Karotten, beides in feine Streifen geschnitten. Je nach Jahreszeit wird auch noch ein anderer grüner Wildsalat, Chorta, beigemengt. 

In einem guten Gemüseladen, aber auch manchmal von dem Mann, der seine eigenen Ernteerträge von seinem Esel aus verkauft, bekommt man einen Bund Marouli und als Beigabe eine Frühlingszwiebel, etwas Chorta oder einige Gartenkräuter. Überwiegend handelt es sich dabei um Fenchelgrün, aber letzte Woche bekam ich meinen Marouli mit einem Strauß Blumen überreicht. Auf dem Heimweg grübelte ich schon, wie ich diese Blumen verwerten sollte. Aus meinen Nachschlagewerken erfuhr ich dann, dass es sich bei diesem Bukett um Rucola handeln muss, was nach meinem Wissen doch eigentlich ein grüner Blattsalat ist. Als Freilandgewächs ist es jedoch eine weiß-gelbliche Blume, deren Blätter in der Tat wie der kultivierte Rucola aussehen, nur viel kleiner. Wie auch immer, der Geschmack ist pikant und nussig, und mit Marouli-Salat einfach herrlich. Die Blumen, eines jeden grünen Blattes beraubt, stehen nun in einer Vase, und ich hoffe, dass kein Grieche vorbeikommt und in schallendes Gelächter ausbricht, wenn er sieht, dass ich meine Küche mit einer Vase Salatblumen dekoriere. 

Da das Chorta-Fieber nun zur Fastenzeit auf Lesvos kursiert, habe ich mich diese Woche auch an der einen und anderen Art von Chorta versucht. Nicht, dass ich gerade selbst faste, aber die vielen Chorta-Pflücker wirken ansteckend und haben meine Neugier erweckt. Unser Feld füllt sich mit gelben Blumen: dem weißen Senf. Wenn er in Knospe steht, pflückt man den oberen Teil des Stamms, einschließlich der Knospen, blanchiert dies in kochend heißem Wasser und...hoppa – Senf-Chorta! Der Geschmack erinnert jedoch überhaupt nicht an pikanten Senf, sondern mehr an eine Kreuzung von Wildem Spargel und Kohl. Senf-Chorta ist sehr gesund und ebenfalls wieder sehr gut mit Marouli und Rucola zu kombinieren. 

Ein anderes Kraut, dass ich mein ganzes Leben lang kenne, jedoch schon immer mit einem gewissen Abstand betrachte, ist die Brenn-Nessel. Die gesunde Wirkung der Nessel ist allgemein bekannt: sie kann eingesetzt werden zur Blutreinigung, stoppt Blutungen, wirkt entzündungshemmend, hat einen hohen Gehalt der  Vitamine A und C sowie der Mineralstoffe Eisen, Kalium und Magnesium. Sie glauben nicht, welch vielfältige Rezepte es zur Verarbeitung in der Küche gibt. Am bekanntesten ist die Brenn-Nessel-Suppe, aber man kann auch einen Salat aus der Nessel bereiten, Käse damit verfeinern, Omeletts backen, dem Pastagericht zufügen oder Kroketten rollen. Schauen Sie im Internet nach, Sie werden staunen.  

Die alten Griechen aßen die Brenn-Nessel bündelweise. Plinius der Ältere gab ihr ihren stacheligen Namen „Urtica dioica“ (lat. urere = brennen). Die alten Römer benutzten die Heilpflanze  zur Behandlung altersbedingter Potenzbeschwerden. 

Zwischen den Regenschauern – and davon gab es gestern viele, traf ich endlich die Entscheidung „mich in die Nesseln zu setzen“ und zog dafür dicke Arbeitshandschuhe an. Ich traute mich nicht daran, sie zu essen, da ich vor Brenn-Nesseln ziemlich bange bin. Wahrscheinlich weil ich immer noch die Schmerzen in Erinnerung hatte, die sie mir in der Kindheit zufügten. Mit klopfendem Herzen pflückte ich ganz vorsichtig einige junge Exemplare, und, da die Handschuhe meine Handgelenke nicht ganz bedeckten, streiften die Pflanzen mich und rote Pusteln bildeten sich. Ich befolgte einen Tipp aus dem Internet und legte  Rosmarin auf die Blasen (diese helfende Wirkung sollen auch Geißblatt, Spitzwegerich, Salbei und Minze haben), aber der Juckreiz blieb.  

So warf ich die Nesseln aus der Plastiktüte in einen Topf mit kochendem Wasser, während ich unablässig meine Handgelenke kratzte, ließ sie ca. 10 Minuten kochen, und sodann hatte ich gekochte Brenn-Nesseln. Obwohl ich Todesängste ausstand, musste ich eine Nessel probieren, bevor ich sie, vermischt mit Ei und Feta-Käse als Omelett verarbeitete. Zaghaft steckte ich mir diese eine Nessel in den Mund und ... Heureka ! – es schmeckt wie Spinat – sehr geschmackvoll und ist zudem super gesund! 

Wilden Spinat zu pflücken, habe ich schon gelernt, so wie Portulak, der im Sommer so hervorragend im Tomatensalat schmeckt. Ein Gemüse, dass nicht das ganze Jahr über wächst, dessen Zeit jetzt aber bald kommt, ist der Wilde Spargel (dünne grüne Schösslinge). Letzte Woche haben wir den ersten Spargel gefunden, und der Regen, der die vergangenen Tage vom Himmel strömt, lässt ihn vermehrt aus der Erde schießen. Ein Exemplar war so dick, dass man es für einen grünen Spargel aus dem Anbau halten konnte. Es scheint, dass er sogar seinen eigenen Namen hat, „Thirnies“, und gut für die Manneskraft ist. Das Wetter zeigte sich letzte Woche nicht von seiner besten Seite. Ein Tag voll bitterer Kälte, und die Türkei und der Berg „Lepetimnos“ waren bedeckt mit Schnee. Die Schnee-Vorhersage traf also ein. Mit dem Wochenende stiegen die Temperaturen, aber dann kamen diese endlosen schweren Regenfälle. Aber es ist in Ordnung, denn wir müssen ja nicht zum Gemüseladen: Alle Vitamine wachsen derzeit in unserem Garten!

Copyright ©Julie Smit 2006