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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Rauchendes
Meer während der Kälte
31.Januar 2006 - Bei günstiger
Witterung!
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Nach einer kurzen Woche mit hartem Frost,
Eis und Schnee, steht die Sonne wieder am Himmel über der Insel, als sei nichts
gewesen. Aber die weißen Gipfel der Berge und die darunter liegenden Hänge,
die noch immer versuchen, Schnee und Eis vor der Sonne zu verbergen, sind stille
Zeugen von dem eiskalten Wetter der vergangenen Woche. Welchen Schaden der Frost
in der Natur angerichtet hat, ist bis jetzt nicht abzusehen. Bis auf dass unser
Auto eingefroren und uns ein wenig kalt war, haben wir alles gut überstanden.
Freunde von uns, aus Agia Paraskevi, die das „Wildlife Hospital auf Lesvos“
führen, haben größere Probleme mit dem Wetter gehabt. Joris Peeters, hat
mit seinem schwarzen Humor festgehalten, welche Dramen sich auf der Insel
abspielten. Etwas abgekürzt ist nachstehend zu lesen, was geschehen ist. Die
ungekürzte Fassung und Informationen über die Arbeit der Organisation sind im
Internet unter www.wildlifeonlesvos.org
zu finden.
Auf der Suche nach einem warmen Platz in der
Ägäis?
23. Januar: Die Dachpfannen über der
Krankenstation klappern wie verrückt im Wind, wie auch die Metallplatten auf
den Zwingern. Das Wellblech des Falkenkäfigs hat sich im wütenden Sturm gelöst
und muss wieder befestigt werden, um schlimmeres zu verhindern. Eine eiskalte
und nicht ungefährliche Arbeit. Dem Wetterbericht nach, wird es am Nachmittag
Schnee auf Lesvos geben... Wir sind vorbereitet, haben am Morgen einige
Vorratseinkäufe gemacht und uns und die Tiere somit für eine Woche eingedeckt.
Um 15.15 Uhr rieseln die ersten (kleinen) Schneeflocken hernieder. Der Wind ist
dermaßen kalt, dass wir es nur mit voll aufgedrehter Zentralheizung schaffen,
im Wohnzimmer auf ganze 16 Grad zu kommen. Es ist so stürmisch, dass die
Spatzen, während sie dabei sind, Samenkörner von der Straße zu picken, hoch
gewirbelt und gegen die Abgrenzungen geschleudert werden. Im Nachbarhaus müssen
wir nun auch den letzten Fensterladen, der noch ein wenig aufstand (bei der
Zwergohreule), schließen, denn der Wind tobt dermaßen, dass uns bald der ganze
Fensterrahmen entgegen kommt. Die Windstärke liegt übrigens bei 9 bis 10.
24. Januar: Die halbe Nacht haben wir wegen
des ununterbrochenen Schlagens eines
losgegangenen Fensterladens wach gelegen. Mehr als einmal sind wir aufgestanden,
um alles zu kontrollieren. Wir haben nichts gefunden. Um 5.15 Uhr finden wir
heraus, dass es der zuletzt geschlossene Fensterladen am Nachbarhaus war. Er ist
komplett aus der Verankerung gerissen. Wir werden die Reparatur bei Tageslicht
vornehmen. Nach dem Frühstück beginnen wir damit, die Temperatur im Wohnzimmer
etwas menschen- und tierfreundlicher zu bekommen. Das bedeutet, dass wir uns auf
die Suche nach den winzigsten Öffnungen machen müssen, um diese abzudichten.
Dafür müssen wir eine Fußleiste
komplett entfernen, wohinter eine
Bilderbuch reife Ansammlung von Mäuse-Nestern zum Vorschein kommt. Wie durch
eine Tür sehen wir durch die Mauer das Tageslicht. Ich habe ziemliche Schmerzen
im Rücken, aber die erste Arbeit wird mit einem Temperaturanstieg von 14 auf 16
Grad entlohnt. Um 11.15 Uhr beginnt es erneut zu schneien. Während der
Mittagspause erreicht uns ein Anruf aus Mytilini, wegen einer Taube, die sich
einen Flügel verletzt hat. Angesichts der Wetterbedingungen (die Spitze des
„Tafelberg“ ist aufgrund des Schneesturms nicht mehr zu sehen, und das weiße Zeug bleibt liegen!) verschieben wir die Abholung auf den nächsten
Tag.
25. Januar: Gestern Nacht waren wir 1 Stunde
ohne Strom (das bedeutet: ohne Heizung!) An diesem Morgen wachen wir in einer
weißen Winterwelt auf, und die ist nicht nur draußen! Der Schneesturm hat es
geschafft durch jede Ritze in unser Haus einzudringen. Die Zentralheizung lief
die ganze Nacht (auch als Vorsorge dafür, dass die Wasserleitungen nicht
zufrieren), aber trotzdem, wir haben nur 17 Grad. Als wir versuchen, ins
Nachbarhaus zu kommen, sehen wir uns mit Schneemassen konfrontiert, die sich
innerhalb (!) des Hauses angehäuft haben und nun gegen die Tür drücken. Wir müssen
uns etwas einfallen lassen, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Wie auch
immer, durch diese Tür kommen wir nicht mehr rein. Die Tauben-Besitzerin will
versuchen, mit dem Tier zu uns zu kommen... Sie schafft es jedoch nur bis zur
ersten Biegung kurz vor unserem Dorf, dann gerät sie ins Schleudern und gleitet
von der Straße ab. Nun müssen wir jemanden finden, der einen Wagen mit
4-Rad-Antrieb hat, um sie und die Taube aus dem Graben zu ziehen. Jedoch die
Straßen in unserem Dorf sind in einem dermaßen schlechten Zustand, dass selbst
eine solche Ausstattung nicht reicht, sie zu befahren. Also tragen wir die Taube
in unser Haus. Nachdem wir das Nachbarhaus von Schnee befreit haben, können wir
2 Stunden danach erneut damit beginnen. Wir nageln Bretter vor die Tür, in der
Hoffnung, dass es hilft. Jetzt ist auch noch die Wasserleitung im Nachbarhaus
eingefroren. Nachdem die Sonne eine zeitlang über unserer Straße steht,
erinnert uns diese an die „Thiealfbaan in Heerenveen“ (eine bekannte
Schlittschuhbahn), jedoch nur in eine Richtung befahrbar: bergabwärts!
Später entdecken wir, dass Ursache dafür
eine defekte Wasserleitung am Ende der oberen Straße ist. Wir versuchen, den
Eigentümer zu informieren, aber der gute Mann soll lebensgefährlich verletzt
im Krankenhaus liegen. Vor einigen Tagen muss es im Dorf Streit um ein Stück
Land gegeben haben, in dessen Verlauf er und sein Sohn angeschossen wurden. Sein
Sohn hat es nicht überlebt! Da wir auf dem Grundstück immer noch Schafe sehen
(und die sind seit Tagen nicht gefüttert worden), versuchen wir Hilfe zu
organisieren, was sich jedoch als sehr schwierig erweist, denn die Menschen hier
haben derzeit andere Sorgen.
26. Januar: Die Straße gleicht immer noch
einer Eisbahn. Nur sehr vorsichtig kann man den Abstieg wagen. Es ist nur zu
hoffen, dass weder wir, noch andere Menschen raus müssen. Unser Kampf um eine höhere
Temperatur im Wohnzimmer ist mit Erfolg gekrönt: sie stieg auf 19 Grad. Wir
finden die verletzte Taube tot auf, als wir sie um 7 Uhr füttern wollen. Zur
selben Zeit fängt es wieder an zu schneien, und somit wird die Straße gänzlich
lebensgefährlich! Im Nachbarhaus hat der Wassernapf für die Zwergohreule eine
so dicke Eisschicht, dass wir sie mit der Hand nicht durchbrechen können.
Inzwischen liegt der Schnee bis in ihrem Käfig.
Um 10.50 Uhr erreicht uns ein Anruf aus Skála
Kalloni, wegen einer verletzten Ente. Der Wagen des Finders ist mit Schneeketten
ausgerüstet, so dass er versuchen wird, so nah als möglich an unser Haus
heranzufahren. Um 11.40 Uhr wird die Krickente gebracht, zu Fuß, denn selbst
mit Schneeketten sind wir unerreichbar, obwohl es zu tauen scheint. Dank dieser
Tatsache und dem nochmaligen Ersetzen von 4 Meter Fußleisten, hat unser
Wohnraum inzwischen eine Temperatur von 2o Grad erreicht, also: Jacken aus! Nach
der Mittagspause finden wir die Wasserleitung im Nachbarhaus geplatzt vor. Zum
Glück ist kein großer Schaden entstanden.
27. Januar: Die Straße ist immer noch wie
eine Schlittschuhbahn. Selbst die Hunde können ihre Beine nicht mehr gerade
halten. Die Krickente war in einem miserablen Zustand und stirbt in unseren Händen.
Nachdem wir die Käfige gereinigt haben, versuchen wir, sie mit einer Spitzhacke
vom Eis zu befreien. Das Abflussrohr der Krankenstation hat sich in eine
wunderschöne Eissäule verwandelt. Um 9.00 Uhr ruft man uns aus Lársos wegen
eines kranken Uhu an, den man zu uns bringen will. Um 9.30 ist er unten an der
Straße. Zusammen klettern wir zu Fuß zu unserem Haus, wofür wir 8 Minuten benötigen.
Es stellt sich heraus, dass es eine weiße Schleiereule in sehr schlechtem
Zustand ist (sie hat mindestens die letzten 2 Tage nichts gefressen). Wiederum
sind wir 1 Stunde ohne Strom und somit ohne Heizung, und auch der Wasserdruck fällt
ab. Aber wir können eine weitere Fußleiste ersetzen. Um 12.50 Uhr gelingt es
uns zweien, unsere Straße eisfrei zu bekommen und sogar 3 Wasserleitungen
abgedichtet, was noch nicht einmal die Gemeinde geschafft hat, obwohl die
Anwohner der Straße eindringlich darum baten. Danach sehen wir nach der weißen
Schleiereule, aber sie ist gestorben. In der Mittagspause ein Anruf aus Petra:
Ein verletzter Raubvogel, sehr problematisch, ihn einzufangen. Angesichts
unserer Erschöpfung vom ganzen Rutschen, Stolpern, Fallen und Eishacken,
verabreden wir, dass wir uns am nächsten Tag wieder melden. Heute wollen wir
auf keinen Fall mehr raus. Gegen 16.30 Uhr, kommt erneut Nikos, der Fischer, der
uns gestern die Krickente gebracht hat, mit
einer großen Kiste. Jetzt ist es eine Brandgans („Shelduck“), die wir
vorher noch nie bei uns hatten. Nikos ist sehr enttäuscht, dass die Krickente
es nicht überlebt hat (wir übrigens auch).
28. Januar: Obwohl es die Nacht gefroren
hat, ist die Straße eisfrei! 13.10 Uhr ein Anruf aus Petra, dass der Raubvogel
„festgesetzt“ ist. Ohne was gegessen zu haben, mache ich mich sofort auf den
Weg. Um 13.30 war ich am vereinbarten Treffpunkt, und von dort geht es unter
Leitung weiter. Auf einem Feld sitzt ein Falke, und es ist deutlich zu erkennen,
dass er nicht gut fliegen kann, aber immer noch so gut, dass er es schafft, zu
einem Baum, inmitten von Brombeersträuchern, zu fliehen. Der Baum ist umgeben
von meterdicken Brombeersträuchern. Nun versuchen Sie mal, den Vogel dort zu
fangen! Für einen Moment denke ich an Moses, aber auch das hilft nichts. Die
Sträucher hier brennen nicht! Letztendlich nimmt derjenige, der den Vogel
„festgesetzt“ hat ein Verkehrsschild zu Hilfe, um dem Falken „Flügel zu
machen“, was ein verrücktes Querfeldeinrennen über Zäune, unter Zäune, über
und durch die Büsche zur Folge hat. Letztendlich können wir den Vogel in einer
Scheune stellen. Ich muss feststellen, ich bin zu alt für diese Art
„Feldarbeit“. Es dauerte nochmals 5 Minuten, um Straße und Auto zu
erreichen. Auf dem Rückweg versperrt uns ein umgestürzter Tanklastwagen den
Weg. Keine Chance, an ihm vorbeizukommen, und
so heißt es, auf der rutschigen Straße rückwärts durch den Schnee gleiten,
zurück, bis zu dem Punkt, wo es möglich ist, zu wenden. Jetzt fahre ich über
Stipsi und andere Bergdörfer zurück, wo die Straßen noch voller Schnee und
nicht überall befestigt sind – eine lustige Rutschpartie! Letztendlich war
ich um 15.10 Uhr zurück an der Basis.
29.
Januar: Wir haben es geschafft, den Falken innerhalb eines Tages von 805 Gramm
um 30 Gramm schwerer zu füttern (übrigens ein für diese Art ungewöhnlich
ruhiges Tier). Um 8.00 Uhr gab der Boiler seinen Geist auf, und wir haben kein
warmes Wasser mehr. Glücklicherweise funktioniert die Heizung immer noch. Später
am Morgen treffen wir einen Gemeinde-Installateur, der das Problem beheben kann
und uns dafür nur 15 Euro berechnet.
Copyright ©Julie Smit 2006
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