Molyvos (Mithimna)

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BOULEVARD NEWS AUS LESVOS

 

Mit dem Regen kommen die Sternbergia's

2.Oktober 2006 - Vetternwirtschaft

Aus dem Englischen von Gabriele Podzierski

Die Götter des Wetters haben sich nun einige Tage hier auf der Insel köstlich amüsiert. Sie schickten eine Menge Regen über die Insel und spielten häufig mit grollendem Donner und grellen Blitzen am Himmel. Dieser Gewitterschauer, die sich entweder am Nachmittag oder in der Nacht entluden, machten mich wahnsinnig, denn es bedeutete für mich andauernd: Stecker raus! Stecker rein! Und dann noch laufend diese Unruhe darüber, ob man nicht vielleicht einen Stromanschluss vergessen habe. Tja, und dann ist es passiert: Letzten Donnerstag vergaß ich, das Telefon auszustöpseln und..... Bumm!! Stromausfall!! Hab es gar nicht sofort bemerkt, denn ich lauschte einer CD von Haris Alexiou (Uups, ich sollte das Kabel vom CD-Player rausziehen), und sie beendete gerade in dem Moment ihr letztes Lied, die folgende Stille war also kein Grund zur Beunruhigung. 

Erst später, am Nachmittag, registrierte ich, dass das Telefon, und somit auch das Internet, nicht mehr funktionierten. Da unsere Nachbarn diese Probleme nicht hatten, brachte ich die Störung nicht mit einem Blitzeinschlag in Verbindung. Von dem Apparat eines Nachbarn rief ich dann eine Freundin an, die Freunde bei der OTE (griechische Telefongesellschaft) hat. Ich habe ja inzwischen gelernt: Mit Beziehungen läuft es hier einfach besser. So hörte ich z.B. von einer Ausländerin, die ins Krankenhaus von Mytilini musste, um eine kleinen Eingriff an der Zunge vornehmen zu lassen. Dort wurde sie dann an einen Assistenzarzt verwiesen, der bei der Operation dermaßen pfuschte, dass die Patientin kreischend aus der Klinik floh, bevor die Behandlung beendet war. Also, bevor Sie hier ins Krankenhaus gehen, lassen Sie all Ihre Beziehungen spielen, damit Sie in die Hände eines guten Arztes kommen.  

Meine Freundin konnte mir jedoch dieses Mal nicht versichern, dass mir die OTE so schnell helfen konnte, wie ich es gern gehabt hätte. Zunächst musste abgeklärt werden, ob der Fehler bei der Telefongesellschaft oder in unserem Haus zu suchen sei. Tja, und Freitag klappe es terminlich nicht, am Wochenende würde nicht gearbeitet, so dass ich mit ihm dann am Montag rechnen könne. Pech war, dass ich gerade da auch mein Handy irgendwie nicht aufladen konnte und ich somit von der Außenwelt abgeschnitten war. In Griechenland zu leben, heißt Geduld zu haben und die richtigen Menschen zu kennen: Ganz früh am nächsten Tag, kam dann doch ein Wagen der OTE angefahren. Oh, in dem Moment hätte ich den Mann küssen können, hab´ mich aber dann doch besser beherrscht. Nach 2 Minuten war der Fehler gefunden: Ein Blitz war in die Leitung gefahren und hat das Telefon zerstört. 

Inzwischen ist es vorbei mit der Nässe und der Himmel strahlt in seinem schönsten Blau. Das vertrocknete Gelb, das letzte Woche noch die Insel färbte, wurde inzwischen durch den Regen von einem zarten Grün verdrängt, das schnell und saftig sprießt. 

Früher habe ich diese satte Farbe überhaupt nicht mit Griechenland verbunden, da, dachte ich an Hellas, nur kahle Felsen und das azurblaue Meer vor mir sah. Auch war meine Meinung über dieses Land, als ich jung war, sehr negativ, was aber einen Grund hatte: Ich hatte das Buch „Ein Mann“ der italienischen Journalistin und Schriftstellerin Oriana Fallaci gelesen. Sie beschreibt darin ihre Beziehung zu Alexandros Panagoulis, einem Helden der Widerstandsbewegung, der zur Zeit der Kolonialherrschaft (1967-1974) Folter und Qualen erleiden musste. Diese grausamen Schilderungen haben einen dermaßen starken Eindruck bei mir hinterlassen, dass ich mir damals vornahm, niemals dieses menschenverachtende Land zu bereisen.  

Ziemlich schnell nach diesem Entschluss habe ich jedoch erkennen können, dass Griechenland diese schlimmen Zeiten schon lange weit hinter sich gelassen hat und die Griechen freundlich und liebenswert sind. Oriana Fallaci setzte ihre berufliche Laufbahn damit fort, dass sie Persönlichkeiten, wie Henry Kissinger, Ayatollah Khomeni, Omar Khadafi, Deng Xiaoping, Yasir Arafat, Indira Ghandi, Golda Meir, Nguyen Van Thieur und Haile Selassie interviewte. Am 15. September dieses Jahres ist sie an Brustkrebs gestorben.

Als ich diese traurige Nachricht, verbunden mit Berichten über ihre letzten Arbeiten,  las (ihre kritische Einstellung über den Islam stießen auf harsche Kritiken), kam mir wieder ihr Werk „Ein Mann“ in den Sinn. Es war nicht nur ein Buch, dass Griechenland während der Kolonialszeit ins Bild brachte, sondern es war auch gleichzeitig eine herzergreifende Geschichte über die tiefe Liebe zu einem Mann, der soviel Schreckliches für das, an das er glaubte, durchstehen musste. Es ist eines der eindrucksvollsten Niederschriften, die ich je gelesen habe. 

Inzwischen lebe ich schon einige Jahre in dem Land, in dem Alexandros Panagoulis für die Freiheit kämpfte. Seit 1974 ist Griechenland mittlerweile ein demokratisches Land, in dem Freiheit lebt und Wahlen selbstverständlich sind. In 2 Wochen finden auf Lesvos Gemeinderatswahlen und die damit auch die Wahlen der Bürgermeister statt. In so einem Dorf wie Molyvos, kennt man natürlich alle Kandidaten, die auf den Listen stehen, und jetzt, wo sich die Saison dem Ende zuneigt, hat es den Anschein, als würde sich jedermann nur mit der Politik beschäftigen. Wichtig ist es derzeit, die Stimmen der ausländischen Mitbürger zu gewinnen, denn jeder, der zugezogen ist, kann sich registrieren lassen und hat damit die Möglichkeit, zur Wahl zu gehen. 

Unser Telefon scheint derzeit nicht stillzustehen. Andauernd bekommen wir Einladungen zu irgendwelchen politischen Treffen, und mittlerweile bedauere ich wirklich manchmal die Anschaffung eines neuen Apparates, denn ich habe keine Lust, laufend Erklärungen dafür abzugeben, warum ich nicht wählen gehe. Dabei ist es doch ganz einfach: Ich liebe diese Insel, aber ich denke, ich bin doch noch nicht so in das Leben hier involviert, dass ich eine Stimme abgeben kann. Sage ich es mal so: Politik ist nicht mein favorisierter Zeitvertreib und schon gar nicht die in Griechenland. Aber ich denke, ich bin auf dem richtigen Weg, denn ich mache große Fortschritte auf dem Gebiet der Vetternwirtschaft!

Copyright ©Julie Smit 2006