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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
16.Januar 2006 - Auf nach
Afrika!
Aus
dem Englischen von Gabriele Podzierski
Oh, Insel der Sappho, es war so kalt die
letzte Woche! Ein stürmischer Nordost-Wind polterte 7 Tage lang gegen unser
Haus, und wenn wir des nachts zwischen die eiskalten Laken in unser Bett
krochen, hörten wir den Wind weiter um unser Haus donnern. Um im Bett zu lesen,
war es zu kalt, aber ich schlief tief und fest bei dem tobenden Wind.
Es war auch noch ein fürchterlich
langweiliges Wetter. Keine sensationellen Regenfälle, noch nicht einmal ein
Tropfen fiel, der Wind war nicht stark genug, irgendwelche spektakulären Schäden
anzurichten, die Sonne bescherte uns keine zauberhaften Sonnenuntergänge, da
sie meistens hinter dicken Wolken versteckt war, und die Temperaturen lagen so
um die 1 bis 3 Grad. Die Anemonen blieben fest geschlossen und die Mandelbäume
hielten ihre Blüte zurück.
Und die Griechen? Nun, man sah und man hörte
sie nicht. Die meisten von ihnen hielten es für zu kalt, um Oliven zu ernten.
Obwohl, die Anzahl der Säcke vor der Olivenpresse wuchs auf mysteriöse Weise,
also musste es da vereinzelt Leute bei der Ernte geben. Wahrscheinlich die, die
dringend das Geld brauchen oder die, die endlich fertig werden wollen, denn es
gab dieses Jahr so viele Oliven, dass das Ende der Ernte immer noch nicht
abzusehen ist.
Wir haben selbst das Erdbeben am Sonntag,
den 8. Januar, mittags, nicht bemerkt, welches einen großen Teil Griechenlands
aus dem Winterschlaf riss. Es war gut, dass wir nicht erschreckt wurden, denn an
mehreren Orten sprangen die Menschen vom Mittagstisch auf, liefen aus dem Haus,
um sich außerhalb in Sicherheit zu bringen. Hauptsächlich war es aber auf der
kleinen Insel Kithera, ca. 200 km unterhalb von Athen, wo vereinzelte Schäden
entstanden. Man sagt, dass wir wirklich Glück gehabt haben, denn dieses
Erdbeben, das 6.9 auf der Richterskala anzeigte, war so tief unter dem
Meeresspiegel, dass der Schaden begrenzt blieb.
Die Woche darauf, befürchteten viele
Einwohner, dass es vielleicht ein Vorbeben war und es nun zu erneuten Beben
kommen könne, aber die Erde hat nicht mehr gebebt. Ich habe jemanden sagen hören,
dass wir nun mit einem Ruck 10 cm näher an Afrika geschoben wurden (jemand
anderes hat jemand anderes sagen hören, dass es sich sogar um 5 Meter (!)
handelt). Wenn ich Berichten glauben darf, dann ist es so, dass die Erdscheibe,
auf der Griechenland und die Türkei liegen, und dessen Rand der Südwesten
Griechenlands im Ägäischen Meer ist, sich jedes Jahr 1 cm Richtung Afrika
bewegt, was natürlich manchmal einige Reibung verursachen kann. Nun, ich denke,
es ist doch ein schöner Gedanke, sich in die Richtung eines tropischen
Kontinents zu bewegen und nicht in Richtung Nordpol.
Da es sich um ein Seebeben handelte, waren
die Zeitungen voll von Spekulationen über Tsunamis. Hätte man einen Griechen
im letzten Sommer gefragt, ob es zu einem
Tsunami in Griechenland kommen könnte, hätte er dies wahrscheinlich verneint.
Aber jetzt fand ich einen Artikel über eine 6 Meter hohe Welle im Jahr 1963,
die vom Golf von Korinth 400 Meter landeinwärts schlug, 2 Menschen tötete und
großen Schaden anrichtete. Naturwissenschaftler kommen mehr und mehr überein,
dass die einst so reiche minoische Kultur, dessen bekanntestes Überbleibsel der
Palast von Knossos auf Kreta ist, aller Wahrscheinlichkeit nach von einem
Tsunami weggespült worden ist, verursacht durch ein Erdbeben auf der
Nachbarinsel Santorini.
Mit dem Ausbruch der Vogelgrippe in der Türkei,
war jedoch die Erdbeben-Gefahr schnell vergessen. Die griechische Regierung rüstet
auf gegen diese unaufhaltsame Krankheit, und im Gegensatz zum letzten Mal, haben
nun alle Griechen realisiert, dass die Seuche auch Griechenland erreichen kann.
In den vergangenen Tagen wurde eine
Stallpflicht für jedes Federvieh angeordnet, wovon man jedoch noch nicht viel
merkt. Auch heute noch treffen wir auf Hühner, Truthähne und Gänse.
Vielleicht hat der Gemeinde-Ausrufer noch nicht jeden erreicht? Hier in Eftalou
habe ich jedenfalls noch nichts gehört. Glücklicherweise ist Eftalou nicht am
elektronischen Rundfunk-System der Gemeinde angeschlossen. Manchmal, wenn man in
Molyvos ist, wird man durch eine plötzlich ertönende metallene laute Stimme zu
Tode erschreckt, die nachfragt, welch Unhold da sein Auto falsch geparkt
hat, oder die die Uhrzeit der Heiligen Messe mitteilt. Wir sind verschont von
diesem alten Kommunikationsmittel, und für einige Zeit werden wir auch kein Hühnergegacker
mehr hören und auch nicht das dauernde Geschnatter der Truthähne. Es ist ja
sonst schon sehr ruhig hier, aber nun ist es noch ruhiger geworden auf der
Insel, und in dieser Stille gleiten wir langsam Richtung Afrika.
Copyright ©Julie Smit 2006
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