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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Athen
1.Juli 2009 - "Who pays the ferryman?"
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Ab
diesem Mittwoch ist es also auch für die Griechen soweit: Es gilt auch
für sie das Rauchverbot in der gesamten Gastronomie. Griechenland ist
das Land in Europa mit den meisten Rauchern, und außerdem weiß man ja
auch, wie schwer es für die Griechen ist, sich an ihre eigenen
Gesetzesvorschriften zu halten, tja, und dann erst an die europäischen
Auflagen... so bin ich dann mal gespannt, ob das Rauchverbot hier im
Lande zu einer Lachnummer wird... zumal der 1. Juli, ja ein sehr
kurioses Datum für die Einführung ist, denn zu dieser Zeit findet das
Leben – und somit auch das Essen und Trinken – draußen statt. Ich bin
mir ziemlich sicher, dass dann, wenn die Kälte die Menschen wieder nach
drinnen treibt, ein jeder das neue Gesetz wieder vergessen hat.
Auch hier auf Lesvos wird das so sein, es sei denn, der Bar- oder
Tavernenbetreiber ist ein strikter Nichtraucher. Aber so richtige
fanatische Nichtraucher gibt’s hier eigentlich nicht. Die Entscheidung,
ob man raucht oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen, man behandelt
das eben so, ob jemand Sardellen mag oder nicht. Na, und dann frag ich
mich, wie man die Einhaltung des Rauchverbotes kontrollieren will, denn
die Hüter des Gesetzes sieht man hier im Norden der Insel nur im Winter.
Steuerprüfer gibt es hier jedoch immer.
Beliebt sind sie nicht, denn sie bevorzugen die Sonn- und Feiertage,
gerade dann, wenn Hochbetrieb in der Gastronomie herrscht, um Bons zu
kontrollieren und zu überprüfen, ob evtl. „schwarz“ gearbeitet wird. Ja,
und eigentlich wird immer nur der „kleine Mann“ unter die Lupe genommen,
denn Großbetriebe haben ihre Tricks, um sich an den Zahlungen
vorbeizumogeln. Kein Wunder also, dass die Menschen hier unzufrieden mit
dieser Politik sind und die Steuerhinterziehung eine Art Volkssport
geworden ist.
Rund 600 Einwohner der Insel Limnos, angeführt von einem
Arbeitnehmervertreter, gingen auf die Straße, nachdem wieder einmal
Steuerprüfer in die Dörfer kamen. Die Insulaner fühlen sich von der
griechischen Regierung einfach im Stich gelassen: Kein Minister weit und
breit, der sich für die Entwicklung von Limnos einsetzt, etwas gegen die
mangelhafte Gesundheitspolitik, die hohe Arbeitslosenquote, und die
schlechte Reiseverbindung zur Insel in die Wege leitet. Durch das
Gekungel unter den Reedereien gibt es kaum Fährverbindungen, und die
Flugpreise sind immens hoch. Im letzten Winter stand Limnos sogar
Wochen ohne Schiffsverbindung da.
So
wollten einige Bewohner dann mit der Fähre nach Athen, um ihre Klagen
vorzutragen, aber die
“Theofilos“
kollidierte mit der Hafenmauer und konnte tagelang nicht auslaufen. So
erreichte dann nur eine kleine Abordnung per Luft die Hauptstadt, um
ihre Standpunkte darzulegen.
Letzte Woche nun, verwehrte eine große Gruppe Einwohner gerade dieser „Theofilos“
das Auslaufen und brachte die Mannschaft dazu, so lange zu warten, bis
sie 3 Steuerkontrolleure mit sachter aber zwingender Hand von der Insel
verwiesen und an Bord geleitet hatte. Seitdem bezeichnet man die
Bewohner von Limnos als Steuerhinterzieher, aber ich bin mir sicher,
hätte man einen Überblick darüber, wer wirklich Steuern in Griechenland
hinterzieht, stünden diese Insulaner unter den Top Hundert der
Steuersünder nicht zu finden.
Athen macht sich immer unbeliebter bei den Inseln. Auch auf Lesvos
erhitzen sich die Gemüter, nachdem nun bekannt wurde, dass die Regierung
beschlossen hat, Lager für Flüchtlinge zu errichten, in denen diese dann
bis zu 12 Monate bleiben sollen. Grund dafür: Nun, man möchte erreichen,
dass die Menschen, die über die Türkei nach Lesvos und auf andere Inseln
kommen, erst mal dort verbleiben, da man die Flüchtlingsströme in den
Großstädten, wie z.B. Athen und Patras, kaum noch unter Kontrolle
bekommt.
Auf
Lesvos soll nun eine alte Kaserne zu diesen Zwecken umfunktioniert
werden. Im Kopf hat man dafür Achladeri, Pétra oder Mistegná. Glücklich
ist man mit dieser Forderung nicht. Wie werden die Touristen darauf
reagieren, wenn sie mit diesen menschenunwürdigen Maßnahmen konfrontiert
werden, tagtäglich Armut und Elend der Flüchtlinge vor Augen haben und
die waghalsigsten Bemühungen miterleben werden, die diese Menschen
unternehmen, um von der Insel zu kommen? Die hiesige Polizei hat
jedenfalls keine Lust, sich demnächst als Gefängnisaufseher zu
betätigen.
Das
Flüchtlingsproblem in Griechenland wird immer größer. Erst letzte Woche
wurden 50 Bewohner eines Auffanglagers auf Samos in der Hauptstadt von
Lesvos untergebracht, damit der UN-Abgeordnete, der in dieser Woche
Samos besucht, nicht mitbekommt, dass Griechenland immer noch nichts
gegen die überfüllten Lager unternommen hat.
Ich
gehe davon aus, dass nun ein Jahrhunderte langer Kampf ausbrechen wird,
um den Platz, wo denn nun die Flüchtlingsunterkunft errichtet werden
soll, genauso wie schon der Streit um den Stellplatz für die neue
Müllverbrennungsanlage und das neue Kraftwerk seit Jahren tobt.
Gerüchte, dass der Abfall in Zukunft bei Mandamados beseitigt werden
soll, halten sich hartnäckig, mich würde aber auch nicht wundern, wenn
der Bau noch Jahrzehnte auf sich warten ließe.
Das
Leben auf einer Insel hat doch einen Hauch von Anarchie: „Jeder für sich
und Gott für uns alle“. Aus Athen kommt zwar das Geld, jedoch keine
Regeln...
Copyright ©Julie Smit 2009 |