BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Das Kástro in Mytilini
24.Februar 2009 - Wind of Change
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Die
Burg von Mytilini blickt auf eine lange Geschichte zurück. Der Hauptteil
(das „obere Kastell“) wurde während der Zeit des byzantinischen Reiches
errichtet. Wahrscheinlich ist sie auf den Grundmauern der antiken
Akropolis erbaut worden. Im 14. Jahrhundert stand Lesvos unter der
Regierung des Genueserfürsten Francesco Gattelusi. Die Burg in Mytilini
(und Molyvos) gehörten zum Eigentum dieser Familie, die sie dann
renovieren ließ und um das „mittlere Kastell“ erweiterte. Der dritte
Bauabschnitt schließlich, das „untere Kastell“ im Nordwesten, schreibt
man dem 18. Jahrhundert zu, als die Ottomanen die Insel besetzt hielten.
Ab
dem Befreiungsjahr der Insel, dem Jahre 1912, kümmerte sich niemand mehr
um das Kástro, tja, schlimmer noch, man trug zum Verfall noch bei, denn
es diente der Armee als Lagerstätte und man bediente sich an den Steinen
der Burg, um Häuser für die vielen Menschen zu bauen, die aus dem
Osmanischen Reich flohen.
Heute wissen die Griechen es besser und kümmern sich um ihre antiken
Schätze, auch um die, zu denen die Türken und Italiener beigetragen
haben. Archäologische Ausgrabungen werden im inneren der inzwischen
teilweise renovierten Burg vorgenommen. Das Kastell wird heute als Platz
kultureller Veranstaltungen, wie Theater und Konzerte, während der
Sommerzeit genutzt.
Jetzt aber war die Verwaltung der Burg von Mytilini wohl von einer
Anfrage ein wenig überfordert: Die Mitglieder und Manager der deutschen
Rockband „The Scorpions“ sind so begeistert von „unserer“ schönen Insel,
dass sie gerne ein Konzert auf der Burg von Mytilini geben wollen...
Genau, sie ahnen es schon: Die archäologische Abteilung war strikt
dagegen, aus Angst, dass tausende von begeisterten Fans „ihre“ Burg
zerstören könnten!
Aber die Burg steht doch da, wie ein Fels in der Brandung. Sie gilt
immer noch als größte uns stärkste Burg in der Nord-Ägäis. Was ist das
für eine Chance in diesen wirtschaftlichen Krisenzeiten mit dieser
weltweit bekannten Gruppe Besucher nach Lesvos zu locken, die sonst nie
mit dem Gedanken gespielt hätten, die Insel zu besuchen.
Die
Prognosen über den Besucherstrom in der kommenden Saison sind
unterschiedlich. Bzgl. der ersten, die ein jedes Jahr eintrudeln, die
Vogelkundler, habe ich gelesen, dass die Buchungen um 50% zurückgegangen
sind, andererseits berichtet ein niederländischer Reiseveranstalter,
dass die Zahlen zum Vorjahr unverändert sind und sich auch noch
verbessern können.
Es
hängt doch soviel von der Anzahl der Touristen ab. Man darf nicht
vergessen, dass der Tourismus hier auf Lesvos größtenteils durch die
kleinen Familienbetriebe getragen wird. Haben sie im Winter ihre Oliven,
Schafe, Ziegen und Chorta, so ist ihr Haupteinkommen doch das, was sie
im Sommer mit ihren kleinen Hotels, Pensionen, Läden und Restaurants, in
denen die ganze Familie mitarbeitet, verdienen.
Tja, und angesichts der schwierigen Zeiten, wurde über das
„Scorpions-Konzert“ in Mytilini monatelang diskutiert und dann zur
Chefsache des griechischen Kulturministers erklärt. Die archäologische
Abteilung musste klein beigeben: DIE SCORPIONS DÜRFEN KOMMEN!!! Als
vorläufiges Datum gilt der 3. September. Aber wohlgemerkt, es kann sich
noch etwas daran ändern, denn die Band wird voraussichtlich am 6. Juli
beim „Skorpion-Festival“ in Athen auftreten. Bis zur offiziellen
Bestätigung müssen sich die Fans also noch gedulden, denn ich möchte
nicht schuld daran sein, dass Leute jetzt Flüge buchen, um die
„Scorpions“ zu sehen und dann der Konzerttermin verlegt wird.
Mein Tipp: Beobachten sie die Tourneedaten unter
www.the-scorpions.com
Gitarrist Rudolf Schenker gründete die Band 1965. Der Titel „Rock You
Like A Hurricane“ von dem Album „Love at First Sting“ gehört zu den
bekanntesten und erfolgreichsten Rocksongs der Hannoveraner. Einen
Megahit lieferten sie mit „Wind of Change“ im Jahre 1990 ab.
Es
hört sich doch echt interessant an: Eine Heavy-Metal/Hardrock-Band
spielt in dem alten Gemäuer einer Burg auf, und dann noch mit diesem
Namen... Sind es doch die Skorpione, die zerfallene Mauern und Gestein
lieben. Ich bin mir sicher, dort wimmelt es von ihnen. Ja, und dann
wurde diese Burg doch einst zum Zwecke der Verteidigung errichtet. Da
flanierten doch damals weit mehr starke und kräftige Männer in den
Gewölben herum, als Frauen. Man denke nur an die vielen türkischen
Soldaten, die das Kastell zum Schutz gegen die Piraten in eine Festung
verwandelten. Die Burg verfügt über ein riesiges unterirdisches
Wasserreservoir und unzähligen Lagerräumen und Vorratskellern, all das
darauf hingerichtet, dass die Bevölkerung in Zeiten der Gefahr dort
Zuflucht finden kann. Na, jetzt frage ich Sie: Hätte man in der
damaligen Zeit ein Konzert für all die schwer arbeitenden und kämpfenden
Soldaten gegeben, welcher Art wäre es wohl gewesen? Na klar: Hardrock
natürlich! Etwas für diese harten Männer, um aus sich herausgehen zu
können, abzurocken und zwischendurch bei der einen und anderen
gefühlsbetonten Ballade ganz weich zu werden... Es wäre genau das
gewesen, was „The Scorpions“ bieten...
Schauen Sie, wie sie
„Wind of Change“
in Moskau gespielt haben.
Hat
Griechenland so eine Nummer nicht bitter nötig, wenn man dies alles vor
sich sieht: Fortdauernde Grenzblockaden, die revoltierenden Gruppen, die
mit ihren terroristischen Bombenanschlägen die Hauptstadt in Angst und
Schrecken versetzen, die tagtäglichen Streiks und Korruptionen, und
jetzt auch noch die Flucht von 2 Schwerkriminellen aus einem Gefängnis
per Hubschrauber, was ihnen auf dieselbe Art und Weise schon vor 2
Jahren gelungen war? Wieder einmal stehen die Mitglieder der
griechischen Regierung wie Idioten da.
Copyright ©Julie Smit 2009 |