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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Kohl
3.Februar 2009 - Winterkost
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Wenn man davon spricht, dass es in einem Haus nach zu lang gekochtem
Kohl riecht, so will man mit dieser Redewendung andeuten, dass es dort
sehr ärmlich zugeht, denn lange Zeit hatte Kohl den Ruf als
„Arme-Leute-Essen“.
Obwohl ich zugeben muss, dass ich ihn nicht bestellen würde, wenn er auf
einer Speisekarte in Holland angepriesen würde, weiß ich, dass dieses
Wintergemüse aufgrund seines hohen Gehaltes an Vitamin C und Kalzium
sehr gesund ist. Ich frage mich nur, wieso einige Menschen der
Überzeugung sind, Kohl endlos kochen zu müssen. Es reichen doch ein paar
Minuten, und so verhindert man auch, dass ein übler Geruch durch das
Haus zieht.
Bestellt man hier auf Lesvos „lachano“ (= Kohl) bekommt man etwas
serviert, was man beinah als Delikatesse bezeichnen kann, obwohl es sich
dabei nur um geraspelten Weißkohl handelt, der nach dem Blanchieren als
Salat mit etwas Olivenöl angemacht wird.
Im
Winter gibt es keinen „choratiki“, den berühmten griechischen
Bauernsalat, denn es gibt keine Tomaten, obwohl einige Leute den
Irrglauben haben, dass es auf Lesvos das ganze Jahr über frische Tomaten
gibt. (Ja, schon, aber in Treibhäusern). Stellen Sie sich vor, da wurde
ein alter Grieche, der bekannt für seinen Garten voller Früchte und
Blumen ist, vor einigen Wochen von einer Touristengruppe wahrhaftig
gefragt, ob er einige frische Tomaten aus eigenem Anbau für sie hätte.
Tja, und sie waren arg enttäuscht, als er dies verneinte.
Auf
unserer Insel isst man im Winter „marouli“, einen grünen Salat, oder „anamichti“,
den ich persönlich bevorzuge. Dies ist ein gemischter Salat aus fein
geschnittenen grünen Salatblättern, geraspelten Karotten, Rot- und
Weißkraut, Kräutern und einigen eingelegten grünen scharfen Pepperoni.
Für
mich das leckerste Kohlgericht ist „lachanodolmades“, gefüllte
Kohlblätter, welches in einigen Restaurants im Winter als wahre
Köstlichkeit serviert wird. Natürlich gibt’s jetzt auch noch die
normalen „dolmades“ (gefüllte Weinblätter), da sich eine jede gute
griechische Hausfrau im Frühjahr mit jungen Weinblättern eindeckt und
diese haufenweise einfriert, um ja sicherzugehen, sich das ganze Jahr
über an dieser Spezialität laben zu können.
Letzte Woche bekam ich die besten „lachanodolmades“, die ich je gegessen
habe (und ich habe schon eine Menge davon, ganz unterschiedlich
zubereitet, gegessen). Normalerweise werden die Blätter mit Reis und
Kräutern, mit oder ohne Hackfleisch, gefüllt. Nicht so in der Taverne „Meltemi“,
die etwas außerhalb der kleinen Hafensiedlung von Skamnioudi (unterhalb
von Lisvori) liegt. Der Besitzer verwendete eine Füllung aus Tintenfisch
und Reis. Oh, welch eine außergewöhnliche Delikatesse!
Die
Griechen sind sowieso wahre Könner, was das Zubereiten von fischigen
Reisgerichten betrifft. Sie machen zwar keine Paella, dieses spanische
Nationalgericht, bei dem Reis und verschiedene Arten von Fisch und/oder
Fleisch und Gemüse zusammen gekocht werden, aber hier gibt es als sehr
geschmackvolle Beilage eine Art Risotto mit Muscheln („midopilafo“),
Garnelen („garidopilafo“) oder anderen Schalentieren („thalassinopilafo“).
Muscheln sind auf Lesvos nicht so beliebt. Sie werden zwar tonnenweise
aus den Buchten von Gera und Kalloni geholt, sind jedoch hauptsächlich
für den Export bestimmt. In der griechischen Küche werden sie neben dem
„midopilafo“ für ein Gericht mit Feta und Tomaten (midosaganaki)
gebraucht. Wenn Sie in einem Restaurant Muscheln bestellen, so müssen
Sie schon vorab darum bitten, dass man diese für Sie in Wein oder Wasser
kocht, denn ansonsten serviert man Ihnen einen kleinen Teller roher
Muscheln nebst einer halben Zitrone. So essen die Griechen alle
Schalentiere.
Letzte Woche bekam ich von einem befreundeten Fischer einen Sack voll
Muscheln und Austern geschenkt, und mir kam die Idee, sie auf
holländische (belgische) Art zuzubereiten und einen griechischen Freund
dazu einzuladen. Ein riesiger Topf gekochter Schalentiere kam zusammen
mit verschiedenen Dips auf den Tisch und Michalis traute seinen Augen
nicht: Nie zuvor hatte er so etwas gesehen... Es war – zusammen mit den
Austern – eine schier königliche Mahlzeit.
Es
ist schon etwas Besonderes, in der Winterzeit zum Essen auszugehen. Denn
dann, wenn die Touristen fern sind und die Tavernen nur von
Einheimischen besucht werden, kommt das auf den Tisch, was der Grieche
auch daheim „bei Muttern“ isst, zubereitet nach Rezepten, die von
Generation zu Generation weitergegeben werden, wie z.B.: Gefüllter
Calamaris, geräucherter Fisch, Kaninchen, Spinatreis, und weitere
leckere Sachen.
Es
hört sich albern an, aber hier auf Lesvos, kann einen wirklich ein
simpel zubereitetes Kohlgericht begeistern, so schmackhaft ist es, und
nicht wenige Griechen besitzen die Gabe, aus einem Teller Bohnen eine
wahre Delikatesse zu zaubern. Dabei verwenden sie für die Zubereitung
weder Sahne, noch Creme oder Alkohol, nur das Olivenöl der Insel, und
trotzdem können sie sich mit einem jeden 5-Sterne-Koch messen. Sie ist
einfach, die Inselküche, aber dank der frischen Zutaten war, ist und
bleibt sie unübertrefflich!
Copyright ©Julie Smit 2009 |