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BOULEVARD
NEWS AUS LESVOS
Schnecken
19.Oktober 2009 - Freilandschnecken
Aus
dem Holländischen/Englischen von Gabriele Podzierski
Der
“EDEN-Award“ (European Destination of Excellence) ist wohl der
bekannteste Preis für Touristenziele und Lesvos gehört dieses Jahr zu
den 22 ausgewählten Regionen. Ebenfalls ausgezeichnet wurden: Der
belgische Naturpark „Viroin Hermeton“ und der in den Nordvogesen von
Frankreich, der zyprische Landstrich „Vouni Panagias“, das
niederländische Naherholungsgebiet „Park Gravenrode“, der Nationalpark „Warta
Mouth“ in Polen sowie die Gemeinde Remich/Schengen in Luxemburg.
Diese Ernennung von Lesvos ist aber nur ein magerer Trost für die
Touristen, die jetzt ihren Urlaub hier bei sintflutartigen Regenfällen
und starken Gewittern verbringen müssen. Ich kann mir schon vorstellen,
dass sie arg enttäuscht sind, denn selbst, wenn es dann mal für kurze
Zeit nicht schauert, ist das Spazierengehen eine Herausforderung, denn
dicker unüberwindbarer Schlamm bahnt sich überall den Weg zum Meer.
Natürlich tut es mir leid für die Urlauber, aber ich, da ich ja hier
lebe, freue mich über das ganze Wasser. All der Staub des Sommers wird
weggespült, die Luft ist klar und rein für den frischen Duft der Pinien,
den würzigen Geruch der Erde und dem intensiven unverwechselbaren Geruch
der ersten entzündeten Holzfeuer.
Ich
liebe es, zwischen den Regenpausen, den Spuren des Schlamms zu folgen,
in dem die heruntergefallenen Kiefernadeln kleine kunstvolle Bildchen
bilden, und bin dabei bemüht, all die schon unten liegenden Oliven nicht
zu zertreten und auch nicht die Schnecken zu verletzen, die zu dieser
Jahreszeit auch Teil des Mikro-Verkehrs auf den Wegen und Pfaden sind.
Sieht man jetzt die Griechen mit den Nasen nach unten durch die
Landschaft streifen, sind sie nicht auf der Suche nach Wildgemüse (chorta),
sondern nach Schnecken (saligaria).
Schnecken sind ein kulinarisches Highlight für mich, aber sie
vorzubereiten, das schaffe ich nicht. Widersprüchlich finden Sie? Nein,
denn ich mag auch Fleisch und bin nicht imstande eine Kuh, ein Schwein
oder ein Huhn zu schlachten. Denn bevor man Schnecken essen kann, müssen
diese „entschlacken“, dass heißt, das sie alle Giftstoffe und die Erde,
die sie gefressen haben, ausscheiden. Eine griechische Methode ist, sie
in einen Käfig oder eine Kiste zu geben, aus der sie nicht entkommen
können, aber genug Luft bekommen. Dann werden sie mit Mehl und Nudeln
eine zeitlang gefüttert, schlagen sich damit ihre Bäuche voll, und nach
einer Zeit sind sie „sauber“. Ein anderer Weg, um sie rein zu bekommen,
ist, sie eine Weile in Essig zu setzen, und eine noch grausamere
Vorgehensweise ist, die Schnecken 5-6 Tage ohne Fressen in eine Dose
oder Kiste zu packen, sie erbärmlich verhungern zu lassen, so dass die
Tierchen nach dieser Zeit eben alles und damit auch jeden Schmutz
ausscheiden. Meine Güte, glauben Sie mir, müsste ich dies den Tierchen
antun, ich würde nicht eine Nacht geruhsam schlafen können und sie ganz
schnell wieder freilassen.
Man, und dabei ist es so gesund, Schnecken zu essen. Sie enthalten viel
Kalzium, sind reich an Proteinen sowie an den Vitaminen E und B1. Früher
sagte man sie seien Medizin bei Blutarmut, Asthma und Rheuma.
Laut einem
Artikel im Internet hat der Niederländer Ruud Bank im
Jahre 1988 wahrhaftig 63 Arten von Land- und Süßwasserschnecken auf
Lesvos gefunden. Leider konnte ich nichts weiter über diesen Herrn Bank
und seine Forschungen im Internet finden und sitze jetzt hier mit einer
Namensliste von 63 Schnecken. Immerhin kann ich jetzt diejenige
zuordnen, die mir am häufigsten über den Weg kriecht: Es ist die „Helix
cincta anatolica“, und der Name lässt vermuten, dass diese
Weinbergschnecke ursprünglich aus der Türkei kommt.
Die
Griechen essen schon sehr lange Schnecken. Archäologen fanden in der
antiken lykischen Stadt Aperlae im Südwesten der Türkei (gegründet ca.
3. oder 4. Jahrhundert vor Christus) eine Fläche von 1.600 qm voll mit
leeren Häuschen der Murex-Schnecke, was auf eine damalige Fabrik
hinweist. Nach dem Verzehr der Schnecken, wurden die Gehäuse genutzt, um
daraus einen purpurroten Farbstoff herzustellen. Wissenschaftler haben
ausgerechnet, dass ungefähr 12.000 Schnecken gebraucht wurden, um 1,4
Gramm dieser kostbaren Farbe zu erhalten. Meine Güte, die Menschen
damals scheinen ja nur Schnecken gegessen zu haben...
Die
Griechen, die in Anatolien (Türkei) wohnten, bereiteten die Schnecken in
einem Sud aus Zwiebeln, Tomaten und Lorbeerblättern. Auf Lesvos, wohin
zu Beginn des 20 Jahrhunderts viele Griechen aus Anatolien flohen, war
es dann üblich noch die Quitte diesem Gericht zuzufügen, eine delikate
Kombination.
Auf
Kreta gibt es die meisten Rezepte für Schneckengerichte (man spricht von
um die 300). Der kretische Koch, Christoforos Veneris, schaffte es auf
einem Festival in Athen 20 verschiedene Zubereitungsarten zu kredenzen.
„Boerboeristi“
ist der Name für ein Gericht mit frittierten Schnecken, abgeleitet von
dem ploppenden Geräusch, dass diese machen, wenn sie ins heiße Öl
fallen. Gewürzt wird mit Olivenöl, Essig und Rosmarin. Dann gibt es die
Zubereitung mit Bulgur, Tomaten und Kräutern, oder mit Kartoffeln und
Kräutern. Tja, usw. usw., und so kann man immer weiter variieren, bis
man auch auf 300 verschiedene Rezepte kommt.
In
Bulgarien ist die Schneckenzucht derzeit im Aufschwung. 800 – 900 Tonnen
soll das Balkanland in diesem Jahr exportiert haben, vornämlich nach
Frankreich, aber auch nach Deutschland, Österreich und in die
Niederlande, gedeckt ist der Bedarf damit aber noch nicht.
Hier auf Lesvos gibt es noch die ganz natürlichen „Freilandschnecken“,
die jetzt im Herbst nach den ersten Regenfällen in Mengen zu finden
sind. Hat Kreta auch die meisten Rezepte, so gibt es hier aber auch eine
köstliche Spezialität, deren Rezept ich Ihnen jetzt verrate:
Schnecken mit Quitten:
1
Teller gesäuberte Schnecken
1
Tasse Tomatensauce
2-3
Lorbeerblätter
½
Tasse grüne Oliven
2
gehackte Zwiebeln
½
Teelöffel Zimt
Pfeffer und Salz
2
Quitten, in große Stücke geschnitten
Die
Zwiebeln in einer Pfanne anbraten, bis sie glasig sind, Tomatensauce,
Schnecken und Lorbeerblätter zufügen und eine zeitlang kochen lassen.
Dann mit Salz, Pfeffer und Zimt abschmecken. Quitten und Oliven dazutun
und solange köcheln lassen, bis die Quitten weich sind. Fertig!
Copyright ©Julie Smit 2009 |